Langweilige Ehe, langweiliges Buch? „Schoßgebete“ von Charlotte Roche

Diesmal glänzt eine gespiegelte Eichel auf dem beinahe unauffälligen magentaroten Cover. Sie schimmert silbern und ihr Hütchen steht golden hervor. Wer es jetzt noch nicht erraten hat: Es geht um Charlotte Roches zweiten Roman, dem Nachfolger des meist verkauftesten Romans 2008, „Feuchtgebiete“.

Worum geht es diesmal? Die Protagonistin Elizabeth ist 33 Jahre alt, hat eine siebenjährige Tochter, und einen Haufen Komplexe. Da wären ihre Höhen-, Aufzugs- und Feuerangst, ihr Brüste- und ihr Vaterkomplex. Dabei kann sie ihren Vater gar nicht leiden, ihre Mutter hasst sie sogar, weil sie Elizabeth so feministisch Alice-Schwarzer-mäßig erzogen hat und ihr die beiden beim Sex immer über die Schulter gucken. Und den hat sie mit ihrem Mann Georg glücklicherweise noch, trotz sieben überstandenen Ehejahren, Elizabeth kann es kaum glauben. Obwohl, das mit dem Glauben hat sie ja aufgegeben. Sie vertraut lieber auf die Meinung anderer, zum Beispiel der ihrer Nachbarn, die sie beim Sex auf keinen Fall hören sollen, oder auf der ihrer Therapeutin Frau Drescher, ohne sie wäre sie wahrscheinlich schon längst nicht mehr am Leben. Was zum nächsten Problem führt, ihre permanente Todessehnsucht. Dabei will sie doch unbedingt eine gute Ehefrau und Mutter sein! Dafür hat sie sogar Sex- und Erziehungsratgeber gelesen und kann oft nicht unterscheiden, ob sie das jetzt will oder ihr Mann. Schließlich will sie ihm gefallen, auch wenn sie dafür Dinge macht, die ihr Durchfall bereiten. Hin und wieder kann diese permanent denkende, sich sorgende und bestätigende („Da bin ich fest von überzeugt!“) und trotzdem wieder verunsicherte Frau ermüden.

Schoßgebete, Copyright: Piper Verlag

Schoßgebete, Copyright: Piper Verlag

Tatsächlich passiert gar nicht so viel außerhalb von Elizabeths Kopf. „Schoßgebete“ erinnert anfangs an einen, zugegeben ehrlichen und ungeschminkten, aber trotzdem etwas banalen Frauenroman, in der frau schon seit sieben Jahren verheiratet in einer Patchwork-Familie lebt, die Liebe zu ihrem Mann nicht verlieren und für immer glücklich sein will. Das kennen wir alle auf die ein oder andere Weise nur zu gut, streben wir doch alle in irgendeiner Form nach diesem Glück. Doch Elizabeth ist da schon ein besonders schwerer Fall. Auch Georg ist sie manchmal ein Rätsel. Du meine Güte, wie kann man nur aus allem ein Problem machen? Man kann, wenn man rückblickend erzählt bekommt, was Elizabeth alles passiert. Der Unfall. Der Tod ihrer drei Brüder. Die Mutter am Steuer. Am Tag ihrer Hochzeit. Sobald diese Geschichte aus Elizabeths Vergangenheit erzählt wird, die übrigens der von Charlotte Roche sehr ähnelt, zieht den Leser „Schoßgebete“ endlich in seinen Bann. Zaghaft erzählt sie, was passiert ist, welche Auswirkungen das immer noch auf sie hat und wie sie damit alleine fertig werden muss. Wie das ihr Leben jeden Tag bei allem begleitet, was sie tut, und wie sie trotzdem verzweifelt versucht, damit fertig zu werden. Vielleicht versucht sie deswegen mit ihrem beinahe übertriebenen Umweltbewusstsein oder ihrem Versuch, eine perfekte Haus- Ehefrau und Mutter zu sein, zu kompensieren, was ihr an Sicherheit und Urteilsvermögen genommen wurde.

Sie bringt tägliche Ekligkeiten zur Sprache und zeigt dadurch: Hey, wir sind doch alle nur Menschen, schämt euch doch nicht dafür! Sie versucht, die Schwächen in menschlichen Beziehungen zu zeigen und so zu entkräften. Seid nicht so streng mit euch selbst, bleibt locker! So wirkt das Buch aber auch wie ein Lebenshelfer aus der Psycho-Abteilung, der vor Ratschlägen nur so strotzt. Der Ekel, den Feuchtgebiete einst auslöste, ist dabei fast verschwunden. Sicher gibt es noch die ein oder andere Szene, die in einer zart besaiteten Seele Übelkeit erregen kann. Doch eigentlich geht Charlotte Roche diesmal sehr sanft mit ihren Leserinnen und Lesern um. Auch die Sprache ist dabei fast banal geworden. Sie flucht nicht mehr so viel und auch sonst ist nicht viel los. Wie in einer alltäglichen Ehe eben. Wer lesen will, was ihr/ihm in Zukunft blüht oder was er schon jeden Tag hat, dem sei „Schoßgebete empfohlen.

Schoßgebete, von Charlotte Roche, Piper-Verlag, 288 Seiten. €16,99.

Johanna Meyr

Ein Gedanke zu „Langweilige Ehe, langweiliges Buch? „Schoßgebete“ von Charlotte Roche

  1. Ich habs jetzt auch gelesen, wurde in der Presse ja ganz schön gehypt, aber so richtig geflasht hats mich nicht. Schade! Hatte mehr erwartet.

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