Die Bühne befindet sich an einem ganz besonderen Ort: mit Filz bezogene Glocken hängen von der Decke, mit Stoff bezogene Dosen stehen vor- , dreidimensionale schwarz-weiße Bilder hängen von der Wand. Innerhalb der „Zeitgenössischen internationalen Ausstellung“ in der Zentrifuge in Nürnberg findet diese besondere Lesung von und mit Andy Strauß statt. Viele mögen ihn bereits von Slambühnen her kennen, nur ist er Solo auf Tour mit „Der kleine Junkie Nimmerplatt“, und seinem Freund, dem Zeichner Artur Fast. Der wird Andys Geschichten live illustrieren, mit einem Werkzeug der Zeit: richtig, nicht Stift und Papier, sondern Photoshop und Zeichentableau. Die Leute wollen ja multimedial unterhalten werden. Daher kommt auch immer wieder eine selbstgebastelte „Techno-Nummer“ zwischendurch.
Los geht’s dann gleich mit bekannten Texten von ihm: „Schorsch“, der Mann, der im Körper eines andern mit seiner Frau schläft, „Frieda“, die ständig versucht, den Protagonisten zu töten, und daher am Ende völlig zurecht vom Abhang gestoßen wird. Leider hatte sie keinen Penis, den sie als Rotor hätte benutzen können, um sich zu retten. Witzig ist auch das Kamel Wigald, das gerne von einer mit Noppen besetzten Klobrille massiert wird.
Ja, die Geschichten sind skurril, grotesk, psycho, die Andy Strauß vorliest. Vor allem, wenn Andy wild mit den Augen rollt und seinen irren Blick aufsetzt. Teilweise liest er Passagen aus seinen Büchern „Establishmensch“ oder „Albträumer“, dann wirft er wieder mit Zetteln um sich oder versucht umständlich aus einer großen Kladde vorzutragen, ohne das Mikro umzuwerfen. Das Programm ist hauptsächlich spontan-chaotisch, nur eine Rahmenhandlung ist festgelegt, in der das kommende Programm vorgestellt wird. Der Name der Tour gründet sich auf dem bekannten Kinderbuch „Die kleine Raupe Nimmersatt“, weil Andy vom intensiven Lesen von Kinderbüchern traumatisiert ist, wie er sagt. Daher wird es nach dem Junkie eine veränderte Fassung „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm
auf den Kopf gemacht hat“ geben, wieder illustriert von Artur. Einen Roman hat Andy auch gerade beendet, „Der Uhrmacher“, der in den kommenden Monaten erscheinen wird. Andy schreibt also sehr viel, am liebsten nachts, wenn er viel Zeit und Ruhe hat und keine Facebook-Freunde online sind. Hilfreich sind ihm auch die vielen Zigaretten, die er nicht nur auf der Bühne raucht und in einem Zwergeneimer ausdrückt. Andy hat zwei Persönlichkeiten, eine für die Bühne, mit der er alles machen kann, er ist laut, witzig, schlagfertig und thematisiert oft sich selbst, und eine für „privat“, da ist er schüchtern, zurückhaltend und viel ruhiger.
Wie experimentell Andy und Artur wirklich sind, zeigen sie am Hamstergedicht: Artur projiziert einen sprechenden Hamster auf Andys mit weißem T-Shirt überzogenen Kopf und Andy trägt den Text vor. Der Zuschauer war wohl faszinierter davon, wie der Hamster geboren wurde als vom Inhalt des Textes, doch das war in diesem Fall nicht so wichtig.
Langweilig wird dem Zuschauer bei den beiden also bestimmt nicht. Gerade die Mischung aus frei formulierten (wie er Mitfahrern ein großes Glücksgefühl verschafft) und vorgelesenen Texten macht die Lesung, wenn man es denn noch so nennen kann, spannend. Er nimmt kein Blatt vor den Mund und sein unglaubliches Sprechtempo reißt das Publikum mit.
Wer mehr von Andy und Artur hören und sehen möchte, dem kann geholfen werden, die beiden touren nämlich noch länger quer durch Deutschland.
Johanna Meyr