Don Quijote de la Mancha. Wer kennt ihn nicht, den spanischen Ritter, der gegen Windmühlen kämpfte, weil er glaubte, sie seien Riesen? Und der ein klappriges Pferd besaß – Rosinante – und einen fresssüchtigen Knappen – Sancho Panza. Ja, aber damit hört es dann auch schon wieder auf, nicht wahr? Die meisten wissen nicht, dass es sich bei dem Alten um einen Edelmann handelte, der es so unglaublich liebte, Rittergeschichten zu lesen und der nach der Lektüre von Lohengrin, den Niebelungen, der traurigen Geschichte Tristan und Isoldes und anderen den Verstand verlor und sich aufmachte, selbst ein fahrender Ritter zu werden. Der genau wie in den alten Legenden und Sagen im Namen einer schönen Frau gegen die Ungerechtigkeit kämpfte, „die Durstigen speisen und die Hungrigen tränken“ wollte.
Martin Ellrodt und Thomas Herr erzählen in ihrem Programm „DQ“ von Don Quijote. Ganz ausführlich und wunderschön. Wer in der letzten Woche im Gostner Hoftheater zwischen Efeu und Wassergeplätscher saß und ihnen lauschte, kann jetzt nicht mehr sagen, nur die Windmühlengeschichte zu kennen. Entführt wurden wir, durch Geschichten und Musik, in die Breitengrade um Sevilla, in ein kleines Dorf in der Mancha, wo ein hagerer alter Mann und sein dicker Nachbar ihre Abenteuer begannen. Wir folgten ihnen durch die heißen Steppen und die Landstraßen entlang durch Spanien. Vor unseren Augen flocht sich ein Teppich aus Abenteuern und als wir, viel später erst, daraus auftauchten, hatten wir eine der schönsten Geschichten erzählt bekommen, die es überhaupt gibt, so lebendig, dass wir glaubten, wir gehörten auch irgendwo hinein.
Auf dem Plakat steht: ein Erzählstück ab 10 Jahren. Um uns herum sitzen an diesem Abend aber nur Frauen und Männer ab 40. Neben einem dreißigjährigen Pärchen sind wir die Jüngsten. Aber als die Aufführung beginnt, sitzen da plötzlich junge Menschen wie wir, wenn nicht sogar jünger, mit strahlenden Augen. Was für einen Effekt eine gut erzählte Geschichte haben kann! Dabei arbeiten die Erzähler mit ganz einfachen Mitteln: Zwischen den Efeuranken ist ein goldenes Tuch gespannt und davor steht, ganz klein und unscheinbar, eine Bühne aus Holzbrettern, auf denen verschiedene Instrumente liegen. Die beiden Erzähler – Martin Ellrodt wie gewohnt in schwarz und roten Hosenträgern – sitzen jeweils auf einer Cajón. Und während sie erzählen, wechseln sie sich ab, unterbrechen sich, geben einander Anstöße. Das ist ein Geben und Nehmen von Worten, eine unglaubliche Dynamik, die die beiden da schaffen. Nur so kann eine gemeinsame Geschichte funktionieren! Durch gegenseitiges Zuhören, den Kontakt zum Publikum, das „Immer-am-Ball-Bleiben“. Sowohl Martin Ellrodt als Sancho Panza als auch Thomas Herr als Don Quijote brillieren. Spannend an ihrer Erzählweise ist, dass sie in dritter Person von den Figuren sprechen, aber gleichzeitig deren Emotionen übernehmen.
Natürlich erzählen sie die Geschichte von den Windmühlen: „Der Zauberer! Im Augenblick meines Sieges verwandelte er die Riesen in Windmühlen und hat mir so meinen Triumph genommen.“ Aber auch, wie Don Quijote zu seinem Namen kam, zum „Ritter von der traurigen Gestalt.“ Wie er zu seinem Knappen kam, wie er 600 Hühnereier aß und sie eine Insel für Sancho Panza suchten. Wie sie den Puppenspieler trafen und wie Don Quijote verrückt wurde in Liebe zu einer Frau. Denn „was gibt es für eine Liebe als größeren Beweis, als verrückt zu werden?“ Den Höhepunkt fand der Abend in der Beschreibung des Inneren der Höhle von Monte Sinos, von Thomas Herr. Was für Welten sich da öffnen!
Im Gostner Hoftheater wohnte man einem Live-Hörbuch bei. Und was gehört noch zu einem Hörbuch? Richtig, die Zwischenspiele. Die zu Beginn scheinbar willkürlich gewählten Instrumente dienten den Erzählern im Nachhinein zum Zusammenstellen der schönsten musikalischen Zwischenspiele und zogen damit das Band um die Erzählung und die Zuhörer noch enger. Verzaubernd!
Der schönste Leitsatz des Abends: “ Den Tod in Weisheit und ein verrücktes Leben.“
Paula Linke