Heute Abend findet 20:00 im Hubertussaal, Nürnberg, ein zweites und letztes Mal die Aufführung von „Räuber“ statt, einer Koproduktion des theater zwo sieben und der Abschlussklasse 09/11 des Studiengangs „Darstellendes Spiel“ der Universität Erlangen-Nürnberg. Die Inszenierung Dieter Lincks entlehnt Textpassagen und Story dem Vorzeigestück des deutschen Sturm und Drang: Schillers „Die Räuber“. In 45 Minuten reiht sich ein Bild an das andere, unterstützt von rebellischer Musik. Die in Szene gesetzten Passagen werden wiederholt, geflüstert, gehaucht, geschrien, gestöhnt und enden in irrem Gelächter.
Die Geschichte des Karl Moor, der von seinem Vater verstoßen wird und daraufhin eine Räuberbande gründet, steht hier nicht im Vordergrund. Sie wird erzählt, das auf jeden Fall. Aber kurz und bündig: Die Gründung der Bande und der Schwur, die Eskalation, Amalias Tod. Die Schuld ist rot und das leise verkrampfte Zittern Karls geht einem durch Mark und Bein. Und das ist faszinierend. So kurz ist die Inszenierung und doch gespickt mit Emotionen, ganz kleinen und ganz großen, die berühren. So, wie es im Theater sein soll. Und dabei haben wir es hier keineswegs mit professionellen Schauspielern zu tun.
„Ich wittere etwas. Höre ich Nattern am Abgrund zischen? […]Vernichtung und Spott!“
Natürlich – wie sollte es an einem theaterwissenschaftlichen Institut anders sein – spielt man mit der Rampe: Da hängen Köpfe, da rutschen Körper langsam und zäh herunter (ein grandioses Körperschauspiel übrigens), da lehnt ein, sich an Amalias Weiblichkeit ergötzender Franz und stöhnt, da sitzt einer und erzählt in Seelenruhe von der Vergewaltigung der Nonnen, da steigen die Schauspieler herunter und schlagen sich ihren Weg durch den Zuschauerraum. Die Figur des Franz wird, wie auch die des Karl, von vier Schauspielern übernommen. Und Franz ist in dieser Inszenierung derjenige, mit dem sich das Publikum identifiziert. Oder es jedenfalls versucht. Denn nicht umsonst beginnt die Aufführung damit, dass die Schauspieler Kontakt zum einzelnen Zuschauer suchen, durch die Reihen wirbeln und von den Dingen erzählen, die ihnen an ihren Körpern nicht passen. Da sind Knöchel zu plump, die Muskeln nicht die einer Elfe… Und dann stehen alle auf der Bühne, zücken das Reclamheft und rezitieren im Chor den Monolog Franz’: „Ich habe große Rechte, mit der Natur zu grollen, und bei meiner Ehre! Ich will sie geltend machen! Warum mußte sie mir diese Bürde von Häßlichkeit aufladen? Warum gerade mir?“ Was der Groll eines einzelnen Menschen gegen sich selbst alles ins Rollen zu bringen vermag.
Kurz und knackig kann man diese Inszenierung nennen, energetisch. Und eines muss man auf jeden Fall sagen: „Hier ist jeder Schauspieler mit 100% dabei.“
Paula Linke