„Was meinst du, Tobias, gehören dann nicht alle Christen mit dazu?“ Ich nicke, weil ich glaube, dass er es von mir erwartet, aber eigentlich geht es mich ja, weil ich nicht getauft bin, gar nichts an.
Die Kirche kann und darf sich nicht damit abfinden, die von ihrer Kommunion Getrennten sich selbst zu überlassen oder gar ihr Christsein zu übersehen. Dann blättert er zum Kleingedruckten im Vorspann. „1987 haben wir das geschrieben, im Heiligen Offizium die Pflicht erfüllt und in ein paar Tagen Urlaub hier und da ein Vortrag, das war dann die Kür. Und das hier muss die Quintessenz gewesen sein: So kann man sagen, dass der Begriff Volk Gottes vom Konzil vor allem als ökumenische Brücke eingeführt worden ist.
Bei dem Wort Brücke schob ich ihm eine seiner Visitenkarten zu, die als Lesezeichen dienten. Mit einer Kralle habe ich seine Berufsbezeichnung PONTIFEX MAXIMUS markiert. „Eine ökumenische Brücke bauen meinst du, Tobias? Damit könnten wir ja den Krater, den DOMINUS IESUS gerissen hat endlich aufarbeiten. Was meint ihr, da wird sich der Kalifornier freuen. Kaum eingewöhnt und monatelange Tiefbauarbeiten. Da müssen dann aber alle mithelfen.“ sprach er gedankenverloren, immer noch vertieft in sein Buch, und schließlich „Wir haben alle unser Kreuz zu tragen mit der Kirche der Sünder, die immer wieder der Reinigung bedarf, immer wieder Kirche werden muss. Damit wurde der Gedanke der Reform zu einem entscheidenden Element des Volk-Gottes-Begriffs.
Erstaunt und wie nach einem Entschluss klappte er das Buch auf einen Schlag zu. „Ja das kann man doch heute noch lesen! Sicher, da waren wir noch jung, und die Freunde damals auch. Seitdem hat sich einiges verändert. Wenn es nur nicht wieder jemand verdreht, sonst wär‘ ja alles für die Katz‘. Ach ihr Katzen, eine Last ist dieses Amt, noch mehr als das letzte.“ Ich habe Sara angeschaut, sie hat mich mit großen großen Augen angeschaut: Das ist deine Arbeit. Was ein jungen Kater für ein Kätzchen alles tut… so haben wir die Arbeit geteilt, sie die Zitate, ich die Geschichte. Und das alles nebenbei. Alles für den Ratzinger, und zwei Bratwürste aus Bamberg.
Wenn ihr Bilder seht, wo der Ratzinger, euer Papst Kindern begegnet, wie er die Arme ausstreckt, die spontane Erleichterung im Blick, als wollte er sagen: Her mit den Kindern, die tun wir segnen, da gibt’s wenigstens keine Meuterei! Auch ein Papst ist nur ein Mensch. Und die Kirche ist noch nicht am Ziel. Auch der Grill ist noch nicht ganz soweit dass wir zu Tisch gebeten werden. „Das ist wie mit der Thujahecke da draußen. Schauen Sie sich die an.“ „Im Katalog hat die noch besser ausgesehen, sagte der Sekretär.“ Und der Ratzinger „Mit der geht es ja mehr rückwärts als vorwärts. Mit der Kirche muss was vorangehen, wie es immer vorangegangen ist.
Gott ist niemandes Eigentum. Die letzten Zitate hat Sara wirklich wild eingestreut, aber er sieht es ja nicht. Dass wir müde und hungrig sind, das sieht er. „Tobias und Sara. So wie ihr in der Bibel zusammen gefunden habt, müsste doch in der Kirche auch was zusammen gehen. Jetzt holen wir was Leckeres vom Grill und lassen’s uns schmecken. Es ist noch immer alles Wesentliche rechtzeitig eingetroffen. Wo ist der andere Wein?“ Der Sekretär drehte die Flasche um, Ratzinger liest das Etikett. „Silvaner Spätlese, ja das ist die urfränkische Rebsorte, die Essenz der Ironie. Und wer sich mit der Ernte Zeit lässt, wird belohnt. Mit dem Wein ist es wie mit vielem anderen auch.“
Am abgegessenen Tisch nach dem Salat und Dessert und zwei Bratwürsten am Katzentisch, kam aus dem Radio im Nachbarsgarten ein Gesang von Adriano Celentano herübergeschwappt, dabei hat doch tatsächlich unser Ratzinger mit dem Fuß im Takt gewippt und damit weiter gemacht als die Stimme von Gianna Nannini herübergeweht kam. „bello, bello impossibile“, ungefähr ‚der unmögliche Hund‘, wir Südtiroler Katzen nehmen’s mit dem Italienisch nicht so genau. Aber wenn der Rhythmus den Fuß in Bewegung setzt, damit fängt die Katzenmusik an. Ich hab’s deutlich gesehen, mehr gespürt, weil ich daneben lag und schnurrte, müde und zufrieden. Was man so erlebt mit dem Ratzinger im Urlaub. So leckere Bratwürste wie die aus Bamberg hab ich im Leben noch nicht gefressen.
Drinnen im Haus hat er dann später noch einhändig Klavier gespielt. Meistens spielt er Mozart, und wenn er spielt, dürfen wir vor dem offenen Deckel sitzen und zuhören. Einhändig, das klang etwas schräg und wäre Sara beinahe zum Verhängnis geworden, weil sie so ungeschickt war. Hat mit dem Schwanz gewedelt und das Gleichgewicht verloren und ist in den Kasten hineingefallen, das gab einen Katzenjammer! Der Ratzinger hat den Verlust erst gar nicht bemerkt, erst als das Fis so komisch quietschte, ist er aufgestanden, hat nach dem Fis geschaut, hat nach Sara geschaut und „Gott erbarm‘!“ gerufen.
Katzen mögen Katzenmusik, da ist auch ein verstimmtes Klavier kein Unglück und auch kein einhändiger Spieler. Als Papst ist der Ratzinger manchmal ja auch nur ein Mensch. Er trägt nur weiße Kleidung, selbst im Urlaub, wir haben es selbst gesehen – wie manche Künstler auch, Yogi, Gurus, die Farbe weiß macht ihnen gute Laune. Meistens hat der Papst nicht viel zu lachen. Scherereien hat er mit uns weniger als mit euch. Ehrlich, ohne Katzenmusik wäre es bei den Menschen gar nicht zu ertragen. Aber die gibt’s ja auf den Dächern. Noch zwei Tage Urlaub, und wir dürfen mit nach Rom!
Schaut euch eine Katze an, eine ganz gewöhnliche Katze, ob sie spielt, ob sie jagt oder ob sie schläft, wenn sie euch erbarmt, versteht ihr euren Papst.
Thomas Werner