Fußball war mehr eine Angelegenheit für den vorherigen Chef, den eiligen Vater, damit konnte man die Sympathien des Volks gewinnen, besonders in Barcelona oder auf Schalke, naja selbst der eilige Vater konnte nicht überall dabei sein. Neben Fußball interessieren sich ja die meisten Leute für alles was Schlagzeilen macht, also für Ketzereien und Verbrechen. Davon hatte das zwanzigste Jahrhundert, was die Kirche betrifft am wenigsten zu bieten. Nachdem es vorbei ist, stören sich die meisten daran, dass es überhaupt noch Dogmen gibt, und für die Kirche interessieren sich immer weniger Leute.
Die einzige unfehlbare Entscheidung eines Papstes war die, dass Maria in den Himmel aufgenommen worden ist. Tut das jemand weh, dass ein Mensch schon im Himmel angekommen sein soll? Wie oft und wie prachtvoll wurde die Mutter Gottes gemalt, bevor sie das Visum des Vatikan ausgestellt bekommen hat? Und wie oft danach? Seht ihr, die Sehnsucht ist viel weniger interessant, wenn nicht gar zunichte gemacht, sobald sie amtlich beglaubigt ist. Früher wollten alle Menschen in den Himmel kommen, heute wollen sie möglichst oft und möglichst billig dorthin und auch wieder zurück. Der Himmel ist für euch nur noch ein Verkehrsweg, kein Aufenthaltsort mehr. Wir Ratzingerkatzen kommen alle einmal in den Katzenhimmel, das hat er uns versprochen. Wo er jetzt das Amt mit den Schlüsseln innehat, vielleicht geht da was.
Bis es soweit ist haben wir zwischen Himmel und Erde keine Angst, wir landen immer auf unseren Pfoten. Ihr habt doch kaum mehr Sehnsucht nach einer Katze und für Muße keine Zeit mehr, grrr. Riecht es draußennach verbranntem Tabak? Das müssen die Nachbarn sein, aber Zeitungspapier für den Grill höre ich auch vorsorglich rascheln. Die Sehnsucht war früher so weit verbreitet und gefürchtet, dass landauf, landab die Ketzer verfolgt und gefoltert und verbrannt worden sind und schwarze Katzen mit dazu. Die Inquisition war eine Art Schaustellerbetrieb mit schwerem Werkzeug, Scheiterhaufen, Feuer und Spektakel – heute wäre das gar nicht mehr möglich. Wie der Ratzinger sich geplagt und beklagt hat bei der Wartung und Pflege seit Romulus und Remus bis Josua und Benjamin – der Außendienst der einstigen Inquisition ist heute vollständig wegrationalisiert und das Personal für einen Ketzerprozess kaum mehr zu bekommen: Bis auf die Hochburgen Abu Ghraib und Guantanamo ist Folterknecht ein seltener Beruf geworden. Von der Presse ganz zu schweigen, wäre die Logistik aus dem Mittelalter heute unbezahlbar und die vatikanischen Mitarbeiter haben von glühenden Kohlen, Daumenschrauben, Damoklesschwert nur noch historische Kenntnisse, keine praktischen mehr. Sie tragen schwer genug an den Aktenordnern. Heute ist alles reiner Innendienst, und Posten werden vergeben auf Lebenszeit, wie lange sie auch dauert. Und siehe, die qualifizierte Nachwuchskraft kommt aus den historisch kaum beleckten USA. Heutzutage – unsereins hat dem Ratzinger ja lange genug zugeschaut – wird in der Glaubenskongregation im Großen und Ganzen der Glauben erhalten – und das heißt auch frisch gehalten – wie er überliefert ist, praktisch die ganze Wahrheit konserviert, und so dass niemand sich daran stört. Im Lauf der Zeit, bei der Schale Milch hinter der Unfehlbarkeit, hat er uns das erklärt und dass es sich lohnt, die Wahrheit zu suchen und zu bewahren, denn es gibt sie, sagt er, und trotz aller Sorgfalt entstehen damit Pannen, mit der Wahrheit, und dann rotieren die großen Mühlräder der Presse und die Zeitungen flattern geräuschvoll über das Land wie einst Flugblätter von Ketzern und Reformatoren. Nach so langen Jahrhunderten der Verwaltung sollte man es nicht für möglich halten wie es in der Episode mit den verlorenen Schafen passiert ist. Sara maunzt „Akte T“ soll ich schreiben, jaja, Traditionalisten, Trauma, interessiert dan noch jemand? Uns Katzen stört sowas überhaupt nicht, wenn die Wahrheit verdreht und breit getreten wird, das geht uns ja nichts an. „Ratzinger ist Ratzinger“ und zwar gestern heute morgen, Tag und Nacht, Verlies oder Castel Gandolfo. 30 Jahre Lebens- und Leidensgemeinschaft macht so schnell keine Zeitung zunichte, eher ist es umgekehrt. Vor dem letzten Blätterrauschen streunte der kleine Wolfgang in den langen Gängen und Gemächern unterhalb der Chefetage und fand zufällig ein verlegtes Gebiss, das sein liebstes Spielzeug wurde. Sein Zwillingsbruder Amadeus hatte sich zur gleichen Zeit irgendwo ein Hörgerät gekrallt und nicht mehr hergegeben. Gebiss und Hörgerät haben während dieser Zeit natürlich irgendwo bzw. irgendjemand im Staate Vatikan gefehlt, aber wenn es eine Kommunikationspanne gibt, sollen spielende Katzen daran schuld sein? Die Katzenhaftpflicht greift da nicht, weil Wolfgang und Amadeus ihre Pflicht erfüllt und Möbel und Tapeten in Ruhe gelassen hatten. Das übrige ist wie bei jeder Katze das Restrisiko und das andere kommt davon weil der Ratzinger das Personal vom Vorgänger übernommen hat. „Nichtmal auf die engsten Mitarbeiter kann man sich verlassen!“ sagte er mittags in der Küche zu seinem Sekretär, und der trägt kein Hörgerät – „Sie natürlich ausgenommen“ ergänzte er auf der Treppe, und auf dem Weg zu seiner Siesta „und natürlich unsere beiden Kätzchen“ die wir treu neben seinen roten Schuhen hinaufgetrippelt sind. Ausgeruht schaute er am Nachmittag aus dem Fenster zu den Bergen, zu den Bergen die so weiß waren wie sein Hausanzug. „Wie schön wär’s jetzt auf meinem Bauernhof!“ seufzte er.
Thomas Werner