Homo homini Loopus

Der Zuschauer betritt den Raum.

Weiße geometrische Figuren orchesterhaft vor einer sinnlichen Oberlehrerin. Verführerisch dirigiert sie zum Takt des Wolfsgeheuls. Sie sorgt für ihre Schützlinge, gibt ihnen zu trinken und erzieht sie. Oder vergiftet sie sie? Vielleicht zwingt die Erzieherin, zwingt die Figuren zum Trinken. Die sperrigen weißen Wesen gehorchen ihr jedenfalls bedingungslos, wie leblose Zombies blicken sie zur Oberlehrerin auf. Sie genießt ihre Macht.

Der Zuschauer wechselt den Raum.

Er begibt sich in Frankensteins Labor, Blaumann im Grünlicht. Murmelnd läuft der Wissenschaftler auf und ab, ordnet Tinkturen und Flüssigkeiten. Woher kommt bloß dieses Klirren?

Der Zuschauer wechselt in den anderen Raum zurück.

Dicht gedrängt zwängt er sich zwischen die anderen Zuschauer. Steht er im Weg? Wo darf er sein, darf er eingreifen? Sich einfach selbst auf den schwarzen Hocker setzen, mit den Figuren Klänge produzieren. Diese Fragen bleiben ungeklärt. Klassische Konventionen wie einen eindeutig definierten Theater- und Zuschauerraum oder klare Rollen von Zuschauer und Akteur werden nicht eingehalten. Das ändert allerdings nichts an der Rolle, die sich der Zuschauer hier selbst gibt, er nimmt eine beobachtende Position ein. Er nutzt den Spielraum, der ihm durch die fehlende Distanz ermöglicht wird, nicht aus. Eine zeitliche Vorstellung bleibt ebenfalls offen. Wie lange wird das hier dauern? Passiert hier noch etwas anderes? Die Blicke schweifen, schweifen ab. Man fragt sich, was wohl in dem anderen Raum passiert, wo man sich gerade nicht befindet. Langsam und unbeholfen bewegt sich der Zuschauer, wie die Figuren.

Eine weiße Figur wechselt mit abgehackten Bewegungen in den anderen Raum.

Man weicht vor ihr zur Seite. Man hört die Gruppe aus dem anderen Raum noch. Sie machen weiter, eine Endlosschleife. Der Zuschauer überlegt sich, ob er genauso manipuliert werden soll wie die Figuren. Doch viel Zeit für Überlegungen lassen ihm die Regisseurinnen Friederike Meindl und Verena Buttmann in ihrer partiturenhaft konzipierten Performance dann doch nicht.

Der Zuschauer wird gebeten, den Raum zu verlassen.

Johanna Meyr

Die performative Installation „Loopus“ von Friederike Meindl und Verena Buttmann,
im Experimentiertheater der Theater- und Medienwissenschaften in Erlangen,
ist heute, am Freitag den 10. Juni 2011, ab 20:00 Uhr zum letzten mal zu sehen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert