Weil noch kein Feierabend zu erblicken war, holte er pflichtgemäß Eimer und Lappen und Essigreiniger und staubte die Supplementskisten ab, die nach und nach und seit dem Konzil in einer Nische kisten- und waschkörbeweise gestapelt worden sind. „Die Interpretationen machen mehr Arbeit als das Essentielle.“ sagte er stets. Er muss es wissen, denn er war ja dran beteiligt, am Konzil und seiner Interpretation. „Es hilft alles nichts“, dann nahm er sich ein Herz und den Lappen und das Putzmittel „all die ganzen Missverständnisse müssen doch mal bereinigt werden!“ und rückte murmelnd gegen das alphabetisch geordneten nachkonziliaren Interpretationen vor.
Da waren als Beispiel für viele die Akten der Befreiungstheologie, für die einige Priester ihr Leben gelassen haben, dann musste er wie immer den alten Kater Pius XIII verscheuchen der auf der fein säuberlich wuchernden Akte „communio“ thronte wie die Grinsekatz, danach kam er zum Wüstenbistum Parthenia, wo es eigentlich gar nichts zu tun gibt und wohin er selber den Bischof Gaillot geschickt hat, der fortan seine Arbeit in die Akte „Wir sind Kirche“ steckte. In deren fröhlicher Unordnung tollten meistens die halbwüchsigen Katzen herum, die der Ratzinger gutmütig aufschreckte, indem er kurz den Lappen ausgeschüttelt hat.
Dann stand unter dem Feuerlöscher die Kiste DOMINUS IESUS. „Da ist der Schuss, der nach hinten losging“ kommentierte er den überquellenden Deckel mit dem sich scheinbar selbst vervielfältigenden Papier, wonach Jesus der Herr sein soll für jeden der an ihn glaubt. „Dass sich die Leute immer am Kleingedruckten aufhängen müssen.“ Das muss so ähnlich sein wie mit den Fallbeispielen in der Katzenhaftpflicht, die jeder von uns einmal mit der Pfote und Stempelkissen unterzeichnen darf, um sie danach nie wieder anschauen zu müssen.
Die Akte ‚Donum Vitae‘ wurde (nach vatikanischen Zeitmaßstäben) erst kürzlich angelegt und fand noch in einem Wäschekorb Platz, in dem auch die Katzenkinderstube aufgehoben war, zur seiner großen Freude wenn wieder einmal junge Katzen vorhanden waren. Die Korrespondenz K (wie Küng) wanderte mit uns in die Chefetage. Denn jetzt lädt der Ratzinger zum Kaffee ein, und der erste von damals ist sogar wieder gekommen. Nach Castel Gandolfo, für den Papst ist es die Sommerresidenz, für uns Katzen der Altersruhesitz. Spätrömische Dekadenz als Rahmen für zwei alte Kater die sich nach langer Zeit beschnupperten und wieder erkannten.
Die Akte T wie Traditionalisten wie Trauma passte im Format überhaupt nicht zu den anderen. Da war sein Mantra „Immer diese Extrawürste aus den vorigen Jahrhunderten.“ Die betreffenden Rückverweise führten zum Tridentinum das drei Treppen weit weg lag, und zum ersten vatikanische Konzil, das abgebrochen wurde und halbfertig liegengelassen bis heute. Mit dem zweiten vatikanischen Konzil sollte die Baustelle eigentlich geschlossen sein, aber immer noch rieselt der Kalk und der Zement heraus.
Wenn er mit seinem Rundgang fertig war, entfernte er mit seinem Taschentuch den Schweiß von seinem Angesicht, und sagte zu uns „Kinder, das Heilige Offizium! – das ist kein Abenteuerspielplatz.“ Dass seine Arbeit auch ihn mitgenommen hat, das können wir bezeugen. Hmm… am Kühlschrank rührt sich etwas, draußen werden schon Kohle, Spiritus und das Zeitungspapier bereitgestellt – bald wird’s gemütlich. Bei den Nachbarn auf der Terrasse plärrt der Radio, weil ein Spiel der Serie A übertragen wird. ich bleibe mal in Fensternähe um nichts zu verpassen.
Thomas Werner