Ferien mit dem Papst, Teil II: Die Pressekonferenz

Natürlich musste er bei der Rückkehr den Journalisten seinen eingegipsten Arm demonstrieren. Wir zwei, Sara und ich, haben in der Hecke die Ohren gespitzt. Die waren ausgerüstet wie zu einer Pressekonferenz und schon ziemlich ausgehungert nach Nachrichten. Fragen haben sie gestellt wie Versicherungsmathematiker, nach dem genauen Ort des Unfalls, der Uhrzeit, der Beschaffenheit des Bodens. Sie interessierten sich für den Zustand des Verunfallten, geistig, körperlich, seinen Gleichgewichtsinn, etwaigen Alkoholkonsum etc…

Kameras haben sie ihm entgegengestreckt, Mikrophone, Diktiergeräte, fast wie eine Armee – und wir haben solange auf unser Fressen warten müssen. Geduldig hat der Ratzinger mit der Meute am Gartenzaun gesprochen, hat sich bereitwillig portraitieren und ausfragen lassen: „Gar nichts wird geändert am Urlaubsprogramm. Nicht mal der Speiseplan. Wir gehen jeden Tag wandern, und heute Abend grillen wir.“ Anschließend hat er statt Autogrammen seinen Segen gegeben mit dem verletzten Arm, und obwohl er sagte: „Das kostet Sie nichts“, und beteuerte: „Wir sind ja nicht mehr im Heiligen Offizium“, wollte von den Zaungästen keiner auf seinem Gips unterschreiben und ein Kreuzzeichen haben auch die Wenigsten gemacht. Als sie sich davongeschlichen haben, fragte der Ratzinger noch einen der letzten: „Sie waren doch schon öfters hier dabei. Sagen Sie – ihr Diktiergerät – sind Sie damit zufrieden?“ Als er nach einer kleinen Fachsimpelei zurück zum Haus kam, sagte er zu seinem Sekretär: „An der Ausrüstung mangelt es nicht“, und schüttelte den Kopf, „aber an Vertrauen.“ Trotz aller Einladung war sein Verband noch so weiß wie sein Gewand; den Filzstift in seiner päpstlichen Bauchbinde hat niemand gebraucht. „Aber heute Abend wird gegrillt“, sprach er freudig und stellvertretend rieb sich der Sekretär die Hände, bevor er an der Haustür seiner Heiligkeit (wegen der eingegipsten Hand) und dann sich selbst die Stiefel aus- und die Hausschuhe anzog. Neben dem Holzstapel hat jemand im Morgengrauen, als wir von unserem Stelldichein mit der Dorfkatzenjugend zurückkamen, ganze Arbeit geleistet, das war der Zeitungsjunge. „Und was ist das wieder? Was da wieder alles drinsteht.“, rief der Ratzinger, als er die Schubkarrenladung Zeitungen erblickte, die neben dem Holz aufgeschlichtet waren. Der Ratzinger befühlte die gelieferte Ware hier und da, zog ohne den Stapel ins Wanken zu bringen, einige Exemplare heraus und registrierte blinzelnd, weil ohne Brille: „espressione italiano, tedesco, inglese, francese“, derweil warnte ihn der Sekretär: „Geben sie acht mit ihrem Verband! Die Druckerschwärze!“ Der Ratzinger sagte: „Was meinen Sie, Gänswein? Dem Jungen geben wir morgen ein Trinkgeld. Aber müssen wir das alles lesen? Alles in allem liefern sie ja doch immer wieder“ – und mit einer wegwerfenden Handbewegung – „ecclesia macchiato“ – legte er die paar Exemplare zurück auf den Stapel.

Thomas Werner

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