Wo ist hier das Monster?

„Die Verwandlung“ geht schon vor 19.30 Uhr los wie eigentlich angekündigt. Noch vor der Kasse im Foyer befindet sich eine Ausstellung der Absurdität, die  Präparate von seltsamen Mischwesen aus Mensch und Insekt präsentiert. Raupen sehen aus wie Finger samt Nägeln, der Embryo zeigt käferbeinige Auswüchse und die Fleischfliege hat menschliche Augen. Angeblich sind diese bisschen ekligen Kunstwerke aus Latex von der fiktiven Biologin und Bekannten Franz Kafkas, Maria Schoeps, entdeckt worden. In der Realität sind sie durch das gemeinsame kreative Schaffen von Figurentheaterspielerin Maren Kaun und Illustrator und Comic-Zeichner Alex Knüttel entstanden. Das Latex wird in Gips gegossen, mehrere Tage getrocknet und anschließend mit Airbrush  besprüht. Unter der Regie von Frank Soehnle wirken Kaun und Knüttel beiden auch indirekt auf der Bühne zusammen, denn auch die dort agierenden Figuren sind von Knüttel entworfen. Der menschliche Teil der Familie Samsa, wie auch die Nebencharaktere,  erinnern dabei in ihrem Aussehen leicht an Tim Burtons „Corpse Bride“. Doch bei dem dicken Prokuristen mit Schuhen in Originalgröße, den Untermietern, die zu einem Zerberus ähnlichen Geschöpf mit drei Köpfen zusammen gewachsen sind und der körperlosen österreichischen Putzfrau scheint sich Knüttel mehr gestalterischen Freiraum gelassen zu haben.  Das Glanzstück ist dabei aber  Gregor Samsa in Gestalt einer fetten auf dem Rücken liegenden Made, wobei Maren Kaun dem verwandelten Handlungsreisenden ihr Gesicht  und ihre Finger als kleine Beinchen leiht. Mit vielen Grimassen verdeutlicht sie die Emotionen des armen Untiers. In ihrer One-Man-Show bespielt  Kaun aber auch alle anderen Puppen, wenn sie nicht in die Rolle der Erzählerin schlüpft, stilecht in einem zeitgenössischen Kostüm des Fin de Siècle. Oder in die eines Porträts an der Wand, das sich anscheinend auch vor allerlei Krabbeltier  ekelt.

Die Geschichte des Gregor Samsa, der sich eines Morgens als Käfer verwandelt in seinem Bett findet und der daraufhin in kleinen Schritten von seiner Familie verstoßen wird, wird sehr spritzig und belebend erzählt. Die Vater, Mutter und Schwester sind alle auf ihre Art zu lieblos und egoistisch, als dass sie sich noch viel um den Käfer kümmern würden. Stattdessen ziehen sie sich in dem aus alten Schränkchen und Tüll bestehenden Puppenhaus mehr und mehr vor ihrem absonderlichen Familienmitglied zurück. Mit viel Freude verleiht Kaun den Figuren unterschiedliche Stimmen und individuelle Gestik. Man merkt, dass die Theaterkünstlerin die meiste Zeit für Kinder spielt, denn so viel Energie für Humor ist für ein Erwachsenenstück selten. Vor allem für ein so schweres wie Kafkas Verwandlung. „Lesen ist nicht so schön. Vorgeführt ist besser“, urteilt ein Besucher.  Es macht viel Spaß sich damit den Abend zu vertreiben.

Lena Naporra

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