„Diese Puppen haben keinen Arsch in der Hose!“

Im Rahmen des Figurentheaters wurde am 14.05.2011 im Theater in der Garage das Stück „Kasperls Wurzeln“ von Kaufmann & Co. in Zusammenarbeit mit Gyula Molnár aufgeführt. Wenn man sich unter dem Titel die Hoffnung macht, etwas über die Anfänge von dem Kasperle Theater in Erfahrung zu bringen, so wird man mit der Aufführung in die Irre geleitet.
Wer die Garage kennt, weiß, dass die Bühne relativ klein und schlicht gehalten ist, doch durch geschicktes Positionieren des

fahrbaren – ja, wohlgemerkt fahrbaren – Untersatzes der Puppenbühne blieb der Bühnenraum unbeachtet. Aber wieso benötigt man ein mobiles Figurentheater, um mit den Figuren ein Stück aufzuführen? Zu Beginn betritt Molnár bewaffnet mit einer Bratpfanne und einer Mütze aus Zeitungspapier die Bühne und erzählt uns die Geschichte des Vaters, des Vaters, des Vaters, des Vaters, des Vaters seines Großvaters und wie dieser zum Figurentheater kam. Im Laufe seiner Erzählung berichtet er von den tragischen Momenten, die den Puppen widerfahren ist, indem sie von der bösen Tante in Zeitungspapier gehüllt worden sind und unter der Badewanne versteckt worden sind, wo sie kurz vor dem verrotten von Molnár gerettet wurden. Viele Figuren konnte er in Sicherheit bringen, jedoch wurde Kasperl zum Opfer der Tante und diese wichtigste Figur des Stücks gab es nicht mehr. Also was tun? Ein Stück ohne Kasperle aufziehen?
Weit gefehlt! Molnár beschließt sich als Regisseur auszugeben und unter den vorhandenen Figuren den Kasperle neu zu bestimmen. Also stellten sich die Ziege, der Wolf, das Krokodil, der Tod und der Wachmann nach und nach vor und repräsentierten ihre Darstellung des Kasperls. Alle Figuren boten eine einmalige Performance, die vom schwangeren Krokodil, welches nach dem Fressen einer Fliege befruchtet worden ist, bis hin zum Liebespaar von Ziege und Wolf reichte. Letztlich wurde aber der schüchterne und zurückhaltende Wachmann zum neuen Kasperl ernannt, doch war diese Wahl so klug?
Das mobile Theater, welches sich nicht nur vor und zurück bewegen, sondern auch drehen konnte, bot somit die Möglichkeit durch die 360° Drehung vier Hintergründe zu bieten. Der neue Kasperl sollte also durch das Tor, wo der Tod einem Einlass gewährt in den Orkus ziehen, um dort die verlorene Großmutter zu retten.

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Mit einer Bratpfanne bewaffnet versuchte er es und es blieb bei dem Versuch, denn der Tod entriss ihm die Bratpfanne und Molnár musste eingreifen. Kurzerhand stieg er selbst ins Theater ein und wurde zu einer Figur in der Geschichte selbst – nämlich der Kasperl. Damit brach er die normalen Vorgaben eines Puppenspiels und stellte eine innovative und erfrischende Variante dar. Auch auf die Handlung hatte das gewaltigen Einfluss. Mit allen Mitteln versuchte er die Bratpfanne vom Tod wieder zurückzuholen. Dieser schlug ihn einfach mit der Bratpfanne ins Reich der Toten genau wie sämtliche andere Figuren, die es wagten in der Folge zum Eingang in die Unterwelt zu kommen. Und die Bühne drehte sich wieder, sodass man sich nun im Orkus befand beim Fluss des Vergessens. Es musste kommen wie man es befürchtete. Molnár fällt in den Fluss und vergisst sich fast selbst, gelangt aber am Ende doch zu seiner Großmutter wie man im ersten Blick annimmt. Es war aber die böse Tante, die da unten gefangen war und Molnár gewarnt hatte, jemals diese Puppen anzufassen. Diese Warnung war berechtigt, denn er sollte nicht mehr aus dem Theater herauskommen. Er war verwurzelt mit einem Baum und somit war es ihm nicht mehr möglich in die wahre Welt zurückzukehren. Man glaubt, dass hier Schluss sei, aber das Ende bot noch eine Überraschung, denn das Krokodil war ja noch immer schwanger und hatte noch die Geburt vor sich. Alle Figuren bis auf den im Orkus gefangenen Molnár waren dabei, als die Geburt in Laken gehüllt, aber gut vorm Publikum versteckt, seine erste Laute von sich gab. Es war die Geburt eines Kasperls.
Das Stück bot mit viel Wortwitz und tollen Persönlichkeiten der Figuren eine erfrischende Art von der Geschichte des Kasperls. Es gab fast keinen Moment in dem der Zuschauer nicht gefesselt oder unterhalten war. Zusätzlich wurden so viele Details geboten, die man alle nicht in kurzer Form zusammenfassen kann, dennoch hat die Spielgruppe mit Molnár eine wunderbare Vorstellung geliefert und das Publikum mit dem Bruch des bekannten Puppenpiels eine neue Form geschaffen, die man gerne öfter sehen würde.

Adrian Baumeister

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