Zwischen Halfpipe und Bahngleisen, unter der Brücke einer Schnellstraße neben einer grün glühenden Palme, lädt Lucas Fassnacht zu „Bühnenpoesie in schmerzlosen Dosen“ ein. „Otto Normal Verbraucht“ heißt sein erstes Soloprogramm, das der geübte Poetry-Slammer im Jugendclub OMEGA in Erlangen auf die Bühne bringt. Sympathisch unorganisiert beginnt der Abend damit, dass sich sein Publikum erst einmal Klappstühle und Bierbänke holen muss, um Lucas überhaupt lauschen zu können. Der Raum wird proppenvoll, sodass sich der Kameramann Götz Greiner nur mühsam durch die Menge drängen kann. Doch nicht nur Götz unterstützt Lucas in seinem Programm, er hat sich zwei Freunde mitgebracht: den Cellisten Felix Quittek und Sünnje Crone, die einen Text mit ihm vorträgt.
In diesem Fall einen Briefwechsel von Adel zu Adelin: Mit arrogant hochgezogenen Augenbrauen näselt er seiner Gespielin auf Anfrage einen Heiratsantrag entgegen, dann zieht er zurück, letzten Endes finden sie doch zusammen. Eine ungewöhnliche Textgattung mag man meinen, für ein Bühnenprogramm. Doch der Student für Germanistik und Altgriechisch hat noch viel mehr auf Lager: Vom Manifest („Ihr seid gefordert“) über Gedichte und Prosa ist alles dabei. Am wohlsten fühlt er sich im strengen Reimschema. Ungefähr 20 Stunden braucht er, um einen Text zu verfassen, und dabei wiederholt er ihn so oft, dass er ihn noch Jahre später aus dem Eff Eff beherrscht. Dabei wechseln sich Wortwitz und Ironie mit ersten Themen ab. Liebe und Götter macht er ungewöhnlich oft zum Thema. Da sucht Gott nach einer vergeblichen Unterredung mit dem Papst die Liebe auf der Erde. Vergeblich? Lucas Fassnacht kritisiert die Anforderungen an die Gesellschaft („Du bist Deutschland“) einerseits, lässt andererseits Gemüse zu einem Wettrennen nachts im Supermarkt antreten. Seine Texte sind vielfältig, sowohl abgehoben und manchmal voller altkluger Lebensweisheiten, dann wieder sehr bodenständig mit brachialem Witz. Sein Publikum dankt es ihm. Es lacht mit ihm, erschreckt sich, wenn er das will („Ich bin ein Handpuppenspieler“) und hält den Atem an.
Lucas Fassnacht ist ein großer Geschichtenerzähler, der in sämtliche Rollen schlüpfen kann, vom Psychologen zum Punk. Performativ lässt er den Zuschauer in die Welten seiner Protagonisten eintauchen, alles geplant und einstudiert. Er ist hellwach und weiß genau, welche Bewegungen er auf der Bühne macht und welche Wirkungen sie haben. Und das alles ohne Manuskript und Souffleuse. Seine größte Sorge sind Texthänger, mit denen er am heutigen Abend jedoch nicht zu kämpfen hatte.
Am Ende seines Auftritts fühlt er sich geflasht, kann sich vor Lob und Umarmung kaum retten, er genießt es. Dass er die Zuschauer persönlich kennt, setzt ihn unter Druck, doch der treibt ihn an.
So darf man gespannt sein, was dieser intelligente junge Mann noch in Bühnenpoesie verwandelt wird, ich kann nur empfehlen: seid dabei!
Johanna Meyr
Ein sensationell lustiger Abend!
Wirklich klasse, das ist Kleinkunst in der größten Form.