- Friska Viljor im E-Werk, 04.05.2011
Jaja, die Geister, die man rief. Friska Viljor, können die von ihnen selbst einst lancierte Legende, auf der ihre Gründung beruht, womöglich überhaupt nicht mehr hören. Die immer gleiche Mär vom Trennungsschmerz, dem Alkohol und der Musik, welche in einer Nacht 2005 eine fruchtbare Verbindung eíngingen, die bis heute anhält. Aber sie sei hier trotzdem nochmal erwähnt, weil sie nett ist und so charakteristisch für das Schaffen dieser Band: In besagter Nacht treffen sich Daniel Johansson und Joakim Sveningsson, Freunde seit Jugendzeiten, und beschließen sich gemeinsam zu besaufen. Beinahe zeitgleich hatten sie sich zuvor von ihren damaligen Freundinnen getrennt, so dass das exzessive Betrinken ein logischer Schritt zu sein scheint, um Kummer und Leere zu verdrängen. Irgendwann, so heißt es dann, sind die beiden Freunde in ihrem Aufnahmestudio gelandet und nehmen die Songs auf, auf denen später ihr Debüt und Durchbruch „Bravo!“ beruhen sollte. Sie beschließen, nie mehr nüchtern Songs zu schreiben.
Ob sie diesen Ansatz bis heute durchgehalten haben, weiß man nicht. Ihre Musik ist indes auch auf ihrem im März erschienenen Album „The Beginning Of The Beginning Is The End“ die gleiche geblieben: Mal himmelhochjauchzend, mal sentimental, mal euphorisch, mal melancholisch, aber immer melodieselig, dem Pop und dem Folk stets gleichzeitig ihre Aufwartung machend. Vieles spricht also dafür, dass die Band auch an diesem Abend im E-Werk ihre altbewährte, aber so gar nicht nach alt klingende Formel wieder gewinnbringend zum Einsatz bringt, ob nun alkoholisiert oder vielleicht auch nicht.
Zusammen mit drei Mitstreitern betreten die beiden die Bühne, noch immer die charakteristischen Bärte und das lange Haar tragend, wobei Johansson mit seiner Mütze einem verpeilten Holzfäller gleicht, während Sveningssohn nach wie vor ein bisschen wie Benny Andersson von Abba aussieht, aber lassen wir das mit den albernen Schweden-Anspielungen. Die Club-Bühne im E-Werk ist bei einem Konzert endlich einmal wieder richtig voll und so muss die Band auch gar nicht viel tun, um die Stimmung ordentlich anzuheizen. Das sentimentale „If I Die Now“ vom dritten Album bildet den gelungenen Auftakt und vermittelt sogleich aufs Anschaulichste, was die Stärken von Friska Viljor ausmacht: Die Melancholie, die ihre Texte stets durchzieht in fröhliche eingängige Melodien zu übersetzen, so das am Ende trotz wenig erbaulicher Worte wie „If I die now I regret everything I could not do“ noch immer ein warmes, ein gutes Gefühl bleibt. Ein Kunststückchen, dass erst einmal geschafft werden will.
Bei den nachfolgenden Songs, unter anderem dem klassisch indiepoppig quengelnden„Larionov“ mit seinem euphorisierenden, zum Mitsingen prädestinierten Refrain, ist das aber ohnehin erst einmal irrelevant, denn die Uptempo-Nummern mit ihren tanzbaren Riffs, zackigen Hooklines und eingängigen Meldodien bringen die Stimmung ordentlich zum kochen. Friska Viljor haben ihren irgendwo im fluffigen Sixties-Pop zu lokalisierenden Lehrmeistern dabei gut und aufmerksam zugehört und garnieren ihre Songs dementsprechend gerne mit vielen „Lalala“ und „Woohohoho“-Chören, was dem fleißig mitsingenden Publikum freundlicherweise die Arbeit abnimmt, im Hinterkopf mühsam nach Textfragmenten zu fahnden, denn diese Lalalas und Doopdoopdoops sind eben Pop-Universalsprache, und das nicht erst seit den Beach Boys und „Hey Jude“.
Dass man von diesen Stücken aber nicht allzu viele hintereinander abfeuern sollte, wissen Johansson und Sveningsson natürlich und so schicken sie nach einer Weile ihre Mitstreiter mal eben von der Bühne, um sich ihren zurückgenommenen, folkig grundierten Songs zu widmen und ein bisschen mit ihrer Zuhörerschaft über die Geschichten von damals zu plaudern. Wie Johansson zum Beispiel mit 15 Jahren bei einer Hausparty mit einem Mädchen anbandelt und sie fatalerweise kurz alleine lässt, um sich ein bisschen Mut anzutrinken. Bei seiner Rückkehr findet er das Objekt der Begierde nirgends mehr vor und schaut dann einmal ins Schlafzimmer des Hauses, wo das Mädchen sich mit irgendeinem anderen Typen zu vergnügen scheint. „Und dieser Typ“, ruft er schließlich ins Publikum und dreht sich zu seinem Kollegen hinüber, „ist heute mein bester Freund“. Die Menge johlt, während Sveningsson schelmisch grinst. Mädchen, Alkohol, Männerfreundschaften. Da sind wir wieder.
Schließlich mit dem elegischen „Useless“ vom neuen Album ein letzter, gelungener Ausflug in folkige Gefilde: Sveningssohn bläst eine traurige Trompete, während Johansson sich mit kratziger Stimme und sanfter Akustikgitarre durch den Song klagt, bis die Band wieder einsetzt und das Ganze in ein fantastisches mehrstimmiges, stark an die Folkpop-Heroen von 2009, Mumford & Sons, erinnerndes Finale mündet. Bevor aber der Verdacht aufkeimt, Friska Viljor seien im Jahr 2011 wohl nachdenklicher, zurückhaltender geworden, erfolgt prompt die Kehrtwende und die Einleitung des furiosen Schlussspurts. „Let’s do some Uptempo-Songs now.“ kündigt Johansson an und die Band lässt folgerichtig ihr ganzes verbliebenes Arsenal an eingängigen Indiepopkrachern auf das begeisterte Publikum los. „Gold“, „Arpeggio“, „Old Man“, „Malou“ – da sind sie wieder, die Lalalas und vor allem im letztgenannten scheinen Friska Viljor den Bogen für einen Moment überspannt zu haben, zu abgedroschen und cheesy klingt das, aber bevor der Verdacht aufkommt, die Band würde es sich manchmal ein bisschen zu einfach machen, folgt mit dem grandiosen „Oh Oh“ die prompte Wiedergutmachung.
Dreimal wird die Band nach Beendigung des regulären Sets wieder auf die Bühne gerufen, gibt unter anderem das etwas aus dem Rahmen fallende, elektronische „Monday“ und die hübsche Mandoline-Miniatur „Tell me“ zum Besten, bevor „Shotgun Sister“ mit seinem Falsett-Refrain noch einmal die Gesangsbereitschaft des Publikums einfordert und einen gelungenen Schlusspunkt setzt.
Und so war am Ende wieder alles da, was man sich von einem Friska Viljor-Konzert erhoffen kann, die Freude, die Melancholie und all die Lalalas. Beim Hinausgehen sagt ein Mann gegenüber seinem Begleiter, dass die Band „so große Melodien habe“ und konstatiert: „Ich verstehe nicht, warum die nicht viel bekannter sind.“
Dem kann man sich nach diesem Abend nur anschließen.
Ja, warum eigentlich nicht?