Lesung bei Thalia Erlangen am Donnerstag, 31. März 2011:
In seiner gerade erschienen Biografie „Das wirklich wahre Leben“ , geschrieben in Zusammenarbeit mit Anne Ameri-Siemens, plaudert ein großer Komiker aus dem Nähkästchen: Olli Dittrich.
Und wie er das tut, wie er sein Nähkästchen aufgebaut hat, das Mikrophon in der vom Publikum gewünschten Entfernung, seine mitgebrachten Manuskripte in der passenden Schriftgröße dahinter, wie er nebenbei den einen und anderen Scherz anbringt, da wurde allen klar: das wird ein unterhaltsamer Abend. Wobei ich ehrlich gesagt hinter seiner Brille, mit dem schütteren, leicht angegrauten Haar, den auf Bildschirm und Fotos so oft gesehenen Unterhaltungskünstler kaum erkannt habe.
Die älteren Semestern kennen ihn von der Band „Die Doofen“ mit Wigald Boning und „Zwei Stühle – eine Meinung“, die jüngere Generation kennt ihn vielleicht unter anderem als Schlagzeuger Ringofire aus der Band Texas Lightning und aus dem Film „Der Wixer“.
Getreu dem Buchtitel erzählt Dittrich aus seinem Leben, und ob er liest oder frei vorträgt, z.B. nie veröffentlichte Liedtexte, von den Doofen, über zwei Stunden setzt er virtuos seine Stimme ein.
In seinem Buch erzählt er hauptsächlich in Interviewform aus seinem Leben. Anne Ameri-Siemens fährt mit ihm an Orte, die ihm Erinnerung an seine Schulzeit oder Tiefpunkte seines Lebens zurückholen.
Richtig gelacht habe ich bei der Beschreibung von einem Jungenstreich mit seinem Bruder Thomas, mit dem er auf dem Dachboden eine mysteriöse Truhe findet:
Eine größere Truhe, die unter den schrägen Dachbalken angestaubt und mit Spinnweben versehen herumstand, weckte unser besonderes Interesse. Was mochte darin sein? Bestimmt etwas Unheilvolles, hier oben vor der Polizei versteckt, das war sicher. …. Also schmiedeten Thomas und ich einen kühnen Plan, wie wir einerseits unsere Neugier befriedigen, im Zweifelsfall aber schadlos aus der Nummer herauskommen würden: Ein Komplize musste her, ein Mitwisser. …So standen wir dann eines Nachmittags wieder da oben, zu dritt. Thomas, ich, und Hartmut Schmede, ein Mitschüler aus der Grundschule am Niendorfer Markt. Er fand das sicherlich zunächst ganz spannend, mit uns da oben und dem ganzen Gerümpel. Doch als wir vor der großen Truhe standen, wurde es ernst: Wir traten etwas zurück, Schmede sollte nämlich den Deckel öffnen. Und vorab ein Schriftstück unterschreiben, das Thomas, der schon als Kind in der vorherigen Familienwohnung in Schenefeld ein „Büro“ im Keller besessen hatte, sorgfältig vorbereitet hatte.
Dort stand: „Hartmut Schmede fand am … um .. auf dem Dachboden des Hauses Dittrich einen Sarg.“
Ich werde nie vergessen, wie der arme Junge nur leise murmelte: „Ich will damit nichts zu tun haben“, fluchtartig die Dachbodentreppe herunterstolperte und aus dem Haus rannte. (S. 53, 54)
Manchmal etwas umständlich und ungelenk, aber doch sehr lebensecht. Es fällt leicht, sich in den Alltag von Olli Dittrich hineinzuversetzen. Erschöpfend illustriert von jugendlichen Liebesbriefen, Fotos und Zeichnungen aus seiner Kindheit beschreiben sie sein nicht immer schillerndes Leben.
Mir hat die Geschichte am besten gefallen, wie er mit Schlaghose und riesigem Hemdkragen, Gitarre über der Schulter zu einem Rendez-vous erscheint, aber gegen den motorisierten angeblichen Ex-Freund leider keine Chance hat… in vielen zeitgeschichtlichen Details wie der Ausstattung und Handhabe seines Autos in den 80er Jahren, erkannten sich viele im Publikum kopfnickend wieder.
Dittrich war Anfang der 80er Jahre in einer existentiellen „Krise“ und in Therapie, was er jedem empfiehlt dem es nicht gut geht.. Damit konnte er abschließen, auch mit der fruchtlosen Karriere als Popsänger TIM. Und dann lernte er Wigald Boning kennen.
„Die Doofen“ hatten ein großes Forum bei RTL Samstag Nacht, und so standen sie bald im Münchner Olympiastadion und bei Rock am Ring und Rock im Park – als Vorgruppe des staunenden Jon Bon Jovi – auf der Bühne. Dann kamen seine ersten Erfahrungen mit Groupies und nationalem Bekanntheitsgrad. Olli Dittrich, eigentlich von Haus aus zurückhaltend, profitierte von Wigalds Selbstbewusstsein. Das legte den Grundstein zu seinen zahlreichen Parodien auf den Kaiser Franz Beckenbauer, Boris Becker, Michael Schumacher oder Rudi Carell. Er hat auch eigene Figuren entwickelt, wie Mike Hansen, einem Ex-Zuhälter aus Hamburg mit blauer, hustender Corvette und hüftlahmem Hund.
Eine seiner großen Begabungen sind die Dialekte, die er in der Lesung auch immer passend einfließen lässt. Die große Stärke dieses Buches ist wohl auch sein lockerer umgangssprachlicher Stil, der in der Interviewform natürlich auch beinahe hörbar zur Geltung kommt. Immer wieder fällt Olli Dittrich in den Hamburger Slang, der gleich an Dittsche erinnert. Daraus ist übrigens auch der Titel entlehnt: „Das wirklich wahre Leben“.
Man müsste natürlich wissen wer Dittsche ist, als TV-Abstinenzler habe ich erfahren, er war Gastgeber von Uwe Seeler, und es hat einige Zeit gedauert, bis die Figur fernsehreif war. Fazit: Im Leben eines Künstlers geht nicht alles von heute auf morgen, und viel Arbeit steckt darin: 250 Songs geschrieben und bisher nicht veröffentlicht, da könnte Dittrich noch einiges nachlegen.
Seine Fans dürfen gespannt sein, was dem Autodidakten noch so alles einfällt, welche interessante Leute er noch treffen wird und welche spannenden Projekte daraus entstehen werden.
Olli Dittrich mit Anne Ameri-Siemens: Das wirklich wahre Leben, Piper Verlag 2011, 19,95€
Thomas Werner und Johanna Meyr
Endlich mal ein guter Eintrag, mein Dank. Muss man sich nochmal in Ruhe durchlesen. Generell finde ich die Seite gut zu lesen.