Bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter

  • Erich von Dänikens „Götterdämmerung“ im Redoutensaal, 29.03.2011

Stellen Sie sich einmal vor, Sie wären wieder in der Schule. Säßen vornüber gebeugt, den Kopf schräg auf ihrem Unterarm ruhend, an ihrem Pult, die träge Nachmittagssonne scheint Ihnen ins Gesicht, während Sie, krampfhaft gegen Ihre Trägheit ankämpfend, versuchen, dem Sermon zu folgen, welchen der Religionslehrer da wieder über irgendeinen Typen aus der Bibel zum Besten gibt. Und jetzt stellen Sie sich vor, der Lehrer würde plötzlich behaupten, dass die Engel, welche dem Bibeltypen begegnen, in Wahrheit außerirdische Besucher von einem anderen Planeten, ihre glitzernden Gewänder Raumanzüge und ihre Heiligenscheine deren Helme gewesen seien – und dass die Himmelfahrt der biblischen Gestalt in Wirklichkeit eine Visite im Raumschiff der extraterrestrischen Besucher war. Wenn Sie nun, Ihrem Stirnrunzeln und der drängenden Frage, ob denn der Lehrer noch alle Nadeln auf der Tanne hat zum Trotz die Ansicht vertreten, dass das allemal interessanter sei als alles, was dieser zuvor vermittelt hat, sind Sie bei Erich von Däniken gut aufgehoben.

Der umstrittene Schweizer Autor vertrat schon in den 60er-Jahren die These, dass die Götter, wie sie von antiken Kulturen beschrieben und überliefert wurden, in Wirklichkeit Außerirdische gewesen seien, welche die Menschen besucht haben und deren Rückkehr in ihren Schriften prophezeit wird. Nun lässt sich argumentieren, von Däniken habe in den 60ern sicherlich dem Konsum halluzinogener Drogen gefrönt und seine psychedelischen Visionen zu Papier gebracht – aber das würde wohl zu kurz greifen: Denn der Mann bringt seine Ideen noch immer unters Volk und der bis zum Anschlag gefüllte Redoutensaal lässt den Schluss zu, dass diese sich nach wie vor regen Interesses erfreuen.

Von Däniken legt nach kurzer Begrüßung sogleich im charakteristischen Schweizer Dialekt mit Diashow und Vortrag los, als sei die Beweislast zu umfangreich und als sei die Zeit zu knapp um mit großen Einleitungsgesten verschwendet zu werden: Stonehenge, zu dessen Bedeutung es ja viele Interpretationen gebe, sei eigentlich ein maßstabsgetreues Modell des Planetensystems, welches, wie er mit einer erweiternden Animation anzeigt, sogar den Asteroidengürtel beinhaltet – welchen die steinzeitlichen Kulturen ja nicht kennen hätten können. Daraufhin verbindet er Stonehenge auf einer Landkarte mit einigen weiteren Kultstätten, selbiges macht er mit steinzeitlichen Orten in Deutschland – es ergibt sich eine Gerade: Alle diese Städte wurden auf einer Linie gebaut und haben zudem (bisweilen, versteht sich) sogar den gleichen Wortstamm im Namen. „Da stimmt doch etwas nicht“ raunt von Däniken und beginnt, mit den Stationen des Jakobswegs ähnlich zu verfahren.

Dann ein plötzlicher Sprung ins antike Griechenland: Auch hier ergäben sich geometrische Muster, antike griechische Städte wie Sparta oder Epidaurus lägen genau auf einem Kreis, dessen Mittelpunkt Knossos bildet – das könne jeder überprüfen, der über einen Zirkel und eine Karte verfüge, so von Däniken. Als Zuhörer bestaunt man derweil das Gewirr von Linien. „Da stimmt doch etwas nicht“ sagt von Däniken erneut. „Da stimmt doch was nicht“ denkt derweil der Verfasser dieser Zeilen, dem die Begründung, dieses geometrische Wirrwarr diene als Hinweis der Außerirdischen für ihre Anwesenheit vor tausenden von Jahren, recht fragwürdig erscheint. Eine schlichte Sonde oder dergleichen hätte es für den Zweck wohl auch getan. Gewisse Zweifel, ob diese Städte denn auch wirklich so genau auf den Linien liegen, wie das gezeigte Modell vorgibt, werden indes dezent beiseite geschoben.

Nach diesem etwas kruden Einstieg wendet sich der Autor einer Ansammlung historischer Monumente zu, mutmaßt, dass es sich in einer Ansammlung verblüffend akkurat geformter Steinplatten auf einer Hochebene in Peru um Überreste eines außerirdischen Basislagers handelt, dass laut indianischen Überlieferungen in einer Nacht aus dem Boden gestampft wurde. Wieso ausgerechnet ein improvisiertes Basislager aus tonnenschweren, ineinandergreifenden Steinblöcken bestehen sollte, verschweigt er allerdings – und setzt stattdessen lieber zu gewaltigen Zeitsprüngen an, so dass man sich alsbald in Ägypten wiederfindet, wo von Däniken beim Bau der Cheops-Pyramide nicht-menschliche Einflüsse wittert. Weiter geht es nach Südamerika, wo der omnipräsente Maya-Kalender erläutert und deren astronomisches Wissen als von außerirdischen Besuchern vermittelt dargestellt wird.

Man ist sich ob der massiven Zeit- und Raum- und Kultursprünge, die von Däniken vornimmt, derweil nicht mehr so sicher, welche Aliens wann wo gelandet und wie lange geblieben sind – es drängt sich fast das Bild auf, die Erde habe zwischenzeitlich als hoch frequentierter intergalaktischer Bahnhof fungiert und jeder E.T. habe auf andere Art und Weise seine Spuren hinterlassen.

Schließlich eine ausführliche Beschreibung der Eingangs erwähnten Geschichte der biblischen Gestalt Henoch (welche es dummerweise nicht in die Standardbibel geschafft hat und komplizierterweise nur in der äthiopischen Fassung zu haben ist): In von Dänikens Lesart beschreibt Henoch die Entführung durch Außerirdische und fördert interessante Facetten zu Tage: Wurde Henoch etwa aufgrund seines penetranten Körpergeruchs von den Engeln/Außerirdischen zum in der Geschichte überlieferten Baden aufgefordert? „Falsch,“ ruft von Däniken „er wurde desinfiziert!“

Die Vorgehensweise von Dänikens ist zu diesem Zeitpunkt schon deutlich zutage getreten. Um Beweise für seine Theorien zu finden, führt der Schweizer Autor allerhand historische und archäologische Bezüge an (der kohärente Zusammenhang spielt dabei wie bereits erwähnt eine eher untergeordnete Rolle) und passt diese äußerst selektiv seinen Vorstellungen entsprechend an – eine für ihn runde Sache, wenn da nicht ständig diese aufgeblasenen Wissenschaftler wären, die ihm permanent in die extraterrestrische Suppe spucken. Letztere würden ja immer behaupten, mögliche Außerirdische wären höchstwahrscheinlich nicht menschenähnlich und wären außerdem nicht im Stande, die gewaltige Entfernung zur Erde zu überwinden – aber von Däniken hat auch hier eine Antwort parat, die selbst das schon lange erlahmte Science-Fiction-Genre etwas aufmöbeln könnte.

Denn prinzipiell sei es, selbst für den Menschen, ganz einfach, zu den Sternen zu reisen – alles eine Frage des Aufwands, der Geduld und der Kosten: Es müsste mittels der altbewährten Spaceshuttles lediglich genug Material für ein großes Raumschiff in den Orbit gebracht und dort zusammenmontiert werden. Dieses sollte rotieren und somit über eine künstliche Gravitation verfügen und wäre immerhin imstande, 2% der Lichtgeschwindigkeit zu erreichen. In 500 Jahren könne man auf diese Weise dann 10 Lichtjahre weit reisen. Ein Vorhaben also, dass einiges an Ausdauer fordert. Es würde gelebt und gestorben auf diesen „Generationenschiffen“, deren primäre Aufgabe darin bestünde, den Bau des nächsten Schiffs vorzubereiten, das sogleich losgeschickt würde, sobald das erste einen bewohnbaren Planeten ausgemacht habe – das neue Schiff verfährt anschließend nach dem identischen Prinzip, mit dem man laut von Däniken die Milchstraße innerhalb von 10 Millionen Jahren vollständig kolonialisieren könnte. Bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter also. Buzz Lightyear wäre stolz.

Einen „Götterschock“ verspricht von Däniken zum Ende seines Vortrags hin für die Zukunft, wenn die außerirdischen Besucher wiederkehren – die Menschen würden sagen, wir hätten das ja alles nicht gewusst, dabei seien die Zeichen da gewesen.

Versetzen Sie sich nun in Gedanken wieder in das zu Beginn ausgeführte Schul-Szenario zurück: Vielleicht sind Sie sich nicht sicher, ob der Lehrer, der das alles erzählt, nun den Verstand verloren hat oder Sie nur zum Narren halten will. Wahrscheinlich von beidem ein bisschen, werden Sie dann denken – aber ein unterhaltsamer Typ ist er immerhin.

Ein Gedanke zu „Bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter

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