- Whispering Eyez bei Umsonst & Drinnen im E-Werk, 13.01.2011
„Experimentelles Combo das nicht nur die Musik lebt und fühlt wie sie aus ihren Geiste emporquellt sondern auch diese Leidenschaft auf der Bühne präsentieren wird“ – Sie finden diese Satzkonstruktion, die die Band als kurze Einführung auf ihrer MySpace lanciert hat, irgendwie konfus? Finden, dass das so aber nicht stimmen kann? Nun, wenn man Whispering Eyez gestern Abend im E-Werk gesehen hat, muss man zumindest zugeben, dass alles doch irgendwie irgendeinen Sinn zu ergeben scheint und dieser grammatikalisch gewagte Satz eine recht treffende Beschreibung ihrer Musik liefert.
Erst einmal heißt es allerdings warten. Eine halbe Stunde Verspätung und ein sphärisches Piano-Intro später finden sich die einzelnen Bandmitglieder, allesamt in Karohemden gekleidet, dann langsam auf der mit rot und blauen Leuchtschläuchen ausstaffierten Kellerbühne ein und lassen als Opener einen mit zackigem Riff versehenen Schrammelrocker vom Stapel. Gesang und Text verflüchtigen sich ob der etwas zu laut eingestellten Gitarre/Bass-Fraktion zwar recht schnell, das endlose Wiederkehren des Hauptthemas reicht dennoch aus, um das Stück recht memorabel zu machen. Haben wir das nicht schon ein paar Mal gespielt? Egal, dann machen wir es eben nochmal. Und nochmal. Und… Die Kunst des ewigen Wiederholens ist ja bekannlich nicht die, das verwendete Riff solange zu spielen bis es jeder kennt, sondern diejenige, dadurch nach gewisser Zeit einen tranceartigen, hypnotischen Zustand zu bewirken, zu bestaunen etwa bei „Sister Ray“ von The Velvet Underground. Nun gerät das bei Whispering Eyez natürlich nicht derart faszinierend, aber immerhin bekommt man eine gewisse Ahnung davon, was es mit dem „experimentell“ in der Bandbeschreibung auf sich haben könnte.
Was folgt, lässt sich mit eben diesem „experimentell“ recht gut umschreiben, auch wenn schnell eine gewisse Ratlosigkeit auftritt, wie man die Stücke der Band nun handhaben soll – konventionellen Songaufbau sucht man vergebens, stattdessen lassen sich ausufernd schrammelnde Instrumentalparts mit seltsam betonten Breaks vorfinden, in deren zwischenzeitlichen Leerlauf immer wieder einige Hochgeschwindigkeitsbassläufe vordringen. Diesem „Fuck you, Eingängigkeit“-Credo folgend, bemüht sich die Band gar nicht erst, ihren Songs überhaupt so etwas wie Dynamik zu verpassen – jedes mal, wenn sie einen gewissen Groove entwickelt hat, bremst sie sich selbst wieder abrupt aus, stoppt möglicherweise kurz, nur um dann völlig anders wieder fortzufahren.
So bleibt dann auch stets offen, ob die zeitweiligen rhythmischen Verschiebungen und Asynchronitäten den Musikern anzurechnen oder dem Ganzen irgendwie zugehörig sind. Dazu passt auf interessante Weise auch der Nichtgesang der beiden Gitarristen, bei dem man sich ebenfalls die Frage stellen kann, ob er denn nun mit Absicht derart in den Hintergrund gemischt wurde, damit man die nicht eben seltenen schiefe Töne überhört, oder ob dieser charmante Dilletantismus und der Verzicht auf einen „Frontman“ und „richtigen“ Sänger Teil des Gesamtkonzepts ist.
Betrachtet man allerdings das doch recht ausgeprägte Selbstbewusstsein und Selbstverständnis, dass die Mitglieder bei ihrem Auftritt an den Tag legen, ist man geneigt, letzterem zuzustimmen. Die Band scheint ziemlich genau zu wissen, was sie da gerade macht. Ob dieses Chaos System hat? Keine Ahnung. Whispering Eyez sind die letzten, die ausgerechnet diese Frage interessieren würde – wie es sich für ein „experimentelles Combo“ eben gehört.
Manuel Weißhaar