- Offene Bühne in der Fürther Kofferfabrik, 13.12.2010
Offene Bühne ist ja immer so ein bisschen Wundertüte. Man geht einfach hin und schaut mal. Kostet ja schließlich nix. Das kann natürlich auch voll in die Hose gehen. Kann sich ja theoretisch jeder anmelden und spielen. Und so ganz ohne Moderation und Ankündigungen war es dann heute sogar noch ein bisschen mehr Ü-Ei-Prinzip als ohnehin schon.
Los ging es, wie eine Tuba-Aufschrift in rot-schwarz unmissverständlich klar machte, richtig zünftig mit der Kapelle Konrad, einem sechsköpfigen Brass-Ensemble, dass das Fürther Publikum mit altbewährtem Liedgut aus der Region beglückte. Was man halt so von der Kerwa kennt. Und siehe da: Mir nichts, dir nichts, hatte sich die Kofferfabrik in ein beinahe schunkelndes Bierzelt verwandelt. Aber nur beinahe, wohlgemerkt – man musste sich ja schon noch ein bisschen abgrenzen vom Silbereisernen Kulturkreis. Ukrainisches und Griechisches, würzige Balkanmusik eben, wurde von der ganz in rot-schwarz auftretenden Kapelle dann auch noch mit untergemischt und so war auch für den kritischen Bierzeltmuffel etwas dabei. Was konnte also auf so einen Kulturschock überhaupt noch kommen?
Limo2000 hieß die Antwort. Optisch hätte sich die Vielseitigkeit dieser Band schon mal nicht besser ankündigen können: Plötzlich stand da ein den 70er-Jahren entsprungener Altrocker mit Hippiehaar und Hendrix-Pulli an der Gitarre, daneben eine hibbelige junge Dame mit kurzen grellblonden Haaren und Querstreifenshirt. Und die legte los. Theatral, krächzend, mit Leib und Seele dabei – eine tolle Frontfrau. Das war anarchisch, das war eigentlich schon Punk. Aber wie passen dann der Hardrocker und die anderen drei, sagen wir mal „musikstilistisch neutral“ anmutenden Musiker ins Bild? Punk war es dann letztlich auch nur bedingt – irgendwie war es Stoner, irgendwie Garage, irgendwie einfach Rock. Und irgendwie sprengten „Limo2000“ auch diese dämlichen Schubladenvorstellungen und forderte zumindest auf, die eigene Genreeinteilung zu überdenken. Ein eigener Stil wird ja bekanntlich schneller unverwechselbar. Ordentlich ab ging das jedenfalls, bis hin zur Zugabe (Motörheads „Ace of Spades“, das wunderbar mit der waghalsigen Singstimme harmonierte) und auch bis hin zur zweiten (!) Zugabe.
Band Numero Drei hatte es nun reichlich schwer, die Bombenstimmung aufrecht zu erhalten, zumal die Stilrichtung wieder völlig kippte. Die zwei Mitglieder von Masques wagten sich auf die Bühne. Einer saß am elektrischen Piano und untermalte den starken Sänger mit sanften Klängen. Es wurde ruhig, es wurde besinnlich (man möchte fast sagen, es wurde „weihnachtlich“, aber man verkneift es sich). Im minimalistischen Duett erledigten die beiden das, was sich sonst multiinstrumental zu träumerischen Prog-Rock-Klangwelten erhebt und erschufen dabei eine fast opernhafte Atmosphäre. Im Publikum musste man den argen Stimmungsumschwung erst einmal verkraften, ließ sich dann aber gerne auf die melodiösen kurzen Stücke der beiden ein.
Die vierten des Abendquartetts waren dann die Fürther Lokalmatadoren Living Theory. Vier junge Gesichter betraten die Bühne. Rechts am Bass, der typische Indie-Strahlemann mit welligem braunen Haar, daneben der Gitarrist, ganz in schwarz gekleidet, mit langer dunkler Metalmähne. „Oh nein – College Rock!“, mochte man da schon denken. „Die spielen ja nur zusammen, weil sie die einzigen in der Oberstufe sind, die Instrumente können.“ Was folgte, war ein exzellentes Beispiel, wie man solch einen eigens auferlegten ersten Eindruck gekonnt verpuffen lässt. Zwar war das stilistisch nahe am Mainstream paddelnde, nu-rockig angelegte Liedwerk fast schon MTV-tauglich – mit Sicherheit am tauglichsten von den bisher aufgetretenen Acts – aber eben dann doch nicht so ganz und darin liegt das eigentliche Kompliment. Gerade die sehr überzeugende Stimme der Frontsängerin belegte die schlichten und eingängigen Riffs mit viel Wärme und Energie. Und beim Schlafwandlersong „Somnambulant“ wurde es dann auch noch richtig funky. Die Vier haben Zukunft.Soweit so gut. Was lernen wir nun aus dem heutigen Abend?
Fazit Eins: Man geht nicht einfach zur offenen Bühne in die Kofferfabrik und „schaut mal“ – man wird vielmehr hineingesogen und irgendwann hat es einen gepackt. Das Wundertütenprinzip geht voll auf.
Fazit Zwei: Hier gibt es erstklassige Musik und man bezahlt noch nicht mal Eintritt. Das ist doch preiswert! Qualitativ unterscheidet sich die Musik wenig von Konzerten der teureren Sorte und man kann seinem inneren musikalischen Entdecker freien Lauf lassen, innere Türen öffnen und Neues kennenlernen.
Die nächsten Offenen Bühnen in der Kofferfabrik sind übrigens am 20. Dezember, am 10. Januar, sowie am 07.02. und 07.03.2011. Unbedingt vormerken!
Jan Bratenstein
Toller Beitrag!! Man bekommt Lust, das nächste Mal unbedingt vorbeizusehen! Weitermachen!^^
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