Franken und die Welt

Podiumsgespräch über die Rolle der Region in der literarischen Öffentlichkeit

Kann die Herkunft eines Schriftstellers seine Denk- und Schreibstrukturen beeinflussen? Bleibt die Heimat auch in der Fremde wirksam als Teil der eigenen Identität, und wenn ja, wie? Eignet sich Franken als Schauplatz für Weltliteratur?

Darum ging es in einem Podiumsgespräch am Samstagnachmittag im Senatssaal des Erlanger Schlosses. Es diskutierten Kerstin Specht, geboren in Kronach, Theaterschaffende in Berlin, Christiane Neudecker, in Erlangen geboren und in Nürnberg aufgewachsen, freie Schriftstellerin und Regisseurin in Berlin, Dieter Stoll, ehemaliger Ressortleiter Kultur der Abendzeitung Nürnberg und Helmut Haberkamm, Mundartdichter und Theaterautor aus Erlangen. Die Moderation hatte Herbert Heinzelmann.

Das Gespräch begann mit der Frage, was als typisch fränkisch gelten kann.

Für Helmut Haberkamm ist es die kleinbürgerliche Mentalität, eine Genügsamkeit die mit wenigen Worten auskommt, selten übertreibt und sich in Bemerkungen wie „Passt scho’“ äußert. Die Dialektsprache geht den Menschen sehr nahe und kommt meist von Herzen, während Hochsprache größere Distanz schafft und leicht zu der Einstellung „geht mich nichts an“ führt. Kerstin Specht, die aus dem Frankenwald stammt, hält die Franken für wortkarg, mit der Landschaft verbunden, wobei sich Eigenheiten auch im Dialekt von Dorf zu Dorf ändern. Für die Literatur bedeutsamer hält Specht die Herkunft aus dem Elternhaus, besonders ob es arm oder wohlhabend war – und womit auch der Gebrauch von Dialekt und/oder Hochsprache zusammenhängt. Für Christine Neudecker wächst die Sehnsucht nach der Heimat in der Fremde und erfüllt sich bei der Rückkehr in der U-Bahn-Ansage „Nächsder Hald Blärrer“. Auch wenn die Figuren ihrer Romane und Erzählungen über die Welt verteilt sind, löst sich Neudecker von der eigenen Prägung durch ihre Herkunft nicht so schnell ab.

Ergänzend zum kreativen Umgang mit der eigenen Herkunft nahm Dieter Stoll die Perspektive des Kulturkritikers ein. In der Regionalkultur werde lobende Erwähnung, wenn nicht positive Überhöhung der Region erwartet. Die mittlerweile zahlreichen Krimis aus Franken sieht Stoll allerdings als ‚Wechselrahmenphänomen’, da es regionale Krimis auch in anderen Regionen gibt. Er sieht in ihnen regionales Dekor, aber keinen literarischen Wert, allerdings ohne zu differenzieren. Andererseits werden die fränkische Mentalität und Humor in Kabarett und Comedy ausgebeutet und zur Schau gestellt.

Stoll sagte, er vermisse den „großen fränkischen Roman“ und verwies auf die Fallhöhe von den Buddenbrooks zur Familie Schickedanz. Specht machte darauf aufmerksam dass Thomas Mann für seinen Debutroman in Lübeck, am Ort seiner Herkunft als Nestbeschmutzer betrachtet wurde. Hingegen gibt es in Franken manche Schätze erst noch zu entdecken. Haberkamm sieht in „Der Stadtvermesser“ von Elmar Tannert einen der großen deutschen Gegenwartsromane. In regionalen Krimis werden immer auch soziale Probleme angesprochen. Über Zukunftsaussichten für Literatur aus Franken bemerkte er, Franken sei an Verlagen und Möglichkeiten zur Veröffentlichung ärmer geworden. Talente bedürfen der gezielten Förderung z. B. durch ein ausgeschriebenes Honorar für ein Theaterstück. Auf ähnlichem Weg kam er zu ersten Publikumserfolgen.

Was die materielle Grundlage betrifft, arbeitet Specht „ohne Netz und doppelten Boden“, da sie keinen Brotberuf hat. Unter anderem hat sie drei Jahre in Paris gelebt und hält es immer wieder für ein Wunder, dass es weitergeht. Talentierte Leute gebe es überall, sie bräuchten nur Unterstützung und einen Anlass zu zeigen, was sie können. Talente trifft man auch auf dem Poetenfest, dessen Premiere vor 30 Jahren ausschließlich von regionalen Themen und Autoren bestimmt war.

Thomas Werner

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