Eine nahezu ausgestorbene Spezies

Der letzte Zeitungsleser

Bild: Verlag Galiani Berlin

Wer darauf achtet, findet noch das ein oder andere Exemplar einer nahezu ausgestorbenen Spezies. Erst kürzlich fiel mir in einem Café – modern eingerichtet mit eckigen Sofas und diesen (lebens-)weisen Sprüchen an den Wänden – eine ältere Dame auf, die Zeitung las. Der Tisch war vollständig bedeckt von den überdimensionalen, gräulichen Blättern dieser Zeitung. Nebenbei nippte sie an einer Tasse Kaffee. Eine waschechte Zeitungsleserin. Was für eine Seltenheit, geradezu museal!
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Ins Netz gegangen

Scharf angeschossen - Fußball auf dem Feld der Ehre (Foto: Awaya Legends https://www.flickr.com/photos/awaya/2717850130/sizes/m/in/photostream/)

Scharf angeschossen – Fußball auf dem Feld der Ehre (Foto: Awaya Legends https://www.flickr.com/photos/awaya/2717850130/sizes/m/in/photostream/)

Da ging es aber ganz schön ab, die letzten Tage in unserem re>flex-Magazin. Vor zwei Tagen veröffentlichte ich meinem Essay Faschistoider Fußball. Das hat in unserem Magazin erfreulicherweise eine hitzige, öffentliche Diskussion ausgelöst. Denn die provokante These des Artikels war, dass das Phänomen Fußball faschistoide Elemente aufweist, was ich primär belegt habe, anhand der Faktoren Patriotismus, gekoppelt mit einem Hypernationalismus, und totalitären Zügen durch den Massencharakter, der Abslouheit des Fußballs und dem sakralen Warenfetisch, der um das Produkt herum generiert wird. Widerspruch ist da ja eigentlich schon vorprogrammiert. Eine Erwiderung von Philip J. Dingeldey

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Faschistoider Fußball

Der Organismus des Massencharakters (Quelle: Wikimedia Commons/ Adriá-garcia).

Der Organismus des Massencharakters (Quelle: Wikimedia Commons/ Adriá-garcia).

In Kürze beginnt wieder einmal der größte Zirkus der Welt – nämlich die Fußball-Weltmeisterschaft (WM) –, und die Deutschen sind schon ganz aus dem Häuschen. Überall findet man jetzt Fanartikel, über Schmuck, Halsbänder, Fußbälle, Schminke – freilich alles in den deutschen Nationalfarben. Selbst Produkte, die auf den ersten Blick nichts mit Fußball zu tun haben, versuchen mit dem WM-Etikett ihre Umsätze, meist erfolgreich, zu maximieren. Das nennt sich dann Fußballfieber.

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Einzigartigkeit Poesie?!

Szene aus "Ein Sommernachtstraum" (Quelle: Wikimedia Commons/ Stadt Neuss - Kulturamt).

Szene aus Ein Sommernachtstraum (Quelle: Wikimedia Commons/ Stadt Neuss – Kulturamt).

Die Welt als Wille und Vorstellung. So lautet der Titel des philosophischen Hauptwerkes Schopenhauers. Schon jener deutet implizit auf die Bedeutung der Kommunikation hin. Man macht sich die Welt Untertan, indem man sie in begreifbare Schemata zwingt – den Willen und die Vorstellung. Dazu braucht es jedoch die Sprache als Medium, erstens, als Schema für den Menschen, um zu begreifen; zweitens, um dies anderen kundzutun; und drittens, um auch das soziale Umfeld zu schematisieren. Darauf greift auch Hamann – anschließend an Aristoteles – zu, wenn er meint, ohne Wort gäbe es weder Vernunft noch Welt. Die Vernunft ist zunächst das, was uns vom instinkthandelnden Tier unterscheidet,  die Reflexionsfähigkeit. Dies drückt sich in unserem verbalen Hauptkommunikationsmittel aus. Fraglich bleibt natürlich, ob uns dies zum politischen Wesen macht.

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Glückskämpfe

Das Glück, Ein Jahrmarkt des Konsums? (Quelle: pixelio/ Honeypix).

Das Glück, Ein Jahrmarkt des Konsums? (Quelle: Pixelio/ Honeypix).

Da steht sie also: Eine reiche und prominente Frau vor ihrer Villa und weint in Strömen. Nach ein paar Sekunden schluchzt sie ins Mikrofon, dass Reichtum allein nicht glücklich mache, da er ihren Mann nicht vor dem plötzlichen Tod geschützt habe. Da steht er also: Ein ärmlicher Hartz IV- Empfänger in Second-Hand-Klamotten, der vor dem Plattenbau ins Mikro jubelt, dass der Reichtum allein nicht glücklich mache, da er trotz der Armut in seiner Ehe superglücklich sei.

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Die zwei Arten des Volksfeindes

Henrik Ibsen, der Autor von Ein Volksfeind (Quelle: Wikimedia Commons/ Ysomte).

Henrik Ibsen, der Autor von Ein Volksfeind (Quelle: Wikimedia Commons/ Ysomte).

Anlässlich der Aufnahme der Tragödie Ein Volksfeind (Norwegisch: En Folkefiende) von Henrik Ibsen in die aktuelle Spielzeit des Stadttheaters Fürth, gingen wir einmal der Frage nach, was überhaupt ein Volksfeind sei, wie man ihn politisch und sozial klassifizieren und dies literarisch und dramaturgisch verarbeiten kann. Ein politisch-literarischer Versuch.

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Ichzeit und Essayzeit

Das Individuum alleine mit der Zeit (Quelle und Urheber: pixelio.de/ Wolfgang Pfensig)

Das Individuum alleine mit der Zeit (Quelle und Urheber: pixelio.de/ Wolfgang Pfensig)

Der Autor Maxim Biller schrieb einmal im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einen Aufsatz namens Ichzeit. Über die Epoche, in der wir schreiben. Darin wollte er belegen, dass sich im vergangenen Vierteljahrhundert in der Literatur eine bestimmte Art des Schreibens herausgebildet habe. Diese Epoche nennt Biller Ichzeit. Zusammengefasst bedeutet dies ungefähr das Folgende:

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Weihnachtlicher Warenfetisch

Der Coca-Cola Weihnachtstruck (Quelle und Urheber: Wikipedia Commons/ Husky).

Der CocaCola Weihnachtstruck (Quelle und Urheber: Wikipedia Commons/ Husky).

Es war mal ein beliebtes Thema innerhalb des Intellektualismus: Die Kritik an der weihnachtlichen Konsumkultur und dem Warenfetisch. Inzwischen ist eine solche Kritik zahlreich rezipiert und zu hohlen Phrasen verunglimpft worden. Man könnte fast sagen, das Thema sei totgeredet worden, ohne dass es einen soziokulturellen Effekt gehabt hätte. Warum sich also noch mit dem Zusammenhang von Konsumkultur und Weihnachten beschäftigen? Ganz einfach: Weil diese Verquickung per se besteht und konstitutiv für beide ist.

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