„Goldroger“ — Ein Interviewschatz zu „Diskman Antishock“ Teil 3

Bild: Frederike Wetzels

Goldroger“ hat aktuell viel zu erzählen. Das fällt nicht nur auf, wenn man sich seinen beiden Releases „Diskman Antishock 1+2“ anhört, sondern auch bei unserem Interview, dass wir im Sommer dieses Jahr online führten. Dieses extrem spannende und aufschlussreiche Gespräch wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten. Deswegen folgt hier Teil 3 des XXL-Interview. Im dritten Teil erfahrt ihr mehr über die Meinung des Artist zur aktuellen Deutschrap-Entwicklung, welche Samples er gerne noch benutzen würde und was mit der Figur auf dem Cover der beiden „Diskman Antishock“-Teile auf sich hat. 

Reflex: Du hast auch gerade nochmal von einer Ambivalenz geredet. Ich finde zum Beispiel auch, dass wir bei „Lavalampe Lazer“ eine Ambivalenz haben. Wir haben das aktuelle Soundbild, was im trappigen Deutschrap herrscht, der ja viel auf Vibe und so geht, in der Hook und trotzdem diese deepen Texte. Hast du da auch so ein bisschen das Ziel gehabt: Hey ich zeige jetzt mal der Deutschrapszene, also so den alten Hasen, neuer Deutschrap ist nicht immer gleich so, und den neuen Hasen: Das könntet ihr vielleicht ein bisschen mit einbauen, so ist das Konstrukt von Rap?

Goldroger: Das meinte ich tatsächlich auch, als ich gerade gesagt habe das war für mich wie so Studien bei irgendwelchen Künstlern. Alle haben irgendwie nur noch davon gequatscht, dass der Vibe stimmen muss und ich sehe das auch so.  Und ich mag auch diesen Nonsens-Talk und die ganze Zeit nur irgendwelche Worte, die irgendwelche Emotionen und Bilder triggern. Ich finde es ja auch geil, wenn irgendwer die ganze Zeit nur irgendwelche Luxusmarken aufzählt, weil dann diese Assoziationen von Luxus irgendwie rüber geschwemmt wird. Und das hat so eine beruhigende Wirkung. Man kann selbst mal für einen Moment vergessen, dass man nicht mega reich ist, aber das war für mich auf jeden Fall der falsche Ansatz. Das wäre bei mir ein zu großer Bruch und auch nicht das gewesen, was ich machen wollte. Nur irgendwie Machialla und Gucci aufzuzählen. Und daher haben die Tracks auch so Titel wie „Potion“ oder „Bomberman“ und „Speedball Drive“. Weil ich dachte, wenn es am Ende eh egal ist was man sagt, in dem neuen Rap-Kapitel, dann kann ich ja einfach Sachen sagen, wo ich irgendwas mit meine und dann bin ich sicher das hat irgendeine Meinung und irgendjemand wird auch eine Meinung für sich da reinprojizieren können. Aber ich bin gar nicht so fest. Also ich habe für mich so einen Mittelweg gefunden. Wie kann ich die Textdichte im Vergleich zu „Avrakadavra“ drastisch reduzieren? Und wie kann ich coole Wörter benutzen, um das zu kompensieren, um mehr Anknüpfebenen für Assoziationen zu schaffen. Und von daher ja. War für mich auf alle Fälle so ein: Okay ich will Musik machen, die einen coolen Vibe hat, aber ich will, dass es irgendwie Substanz hat. Ich will aber auch, dass die Substanz im Zweifelsfall eine Nebensache sein kann. Ich finde das nervig, wenn Musik einem das aufzwingt, dass es jetzt so ein „Achtung das ist jetzt ein kulturell wertvolles Stück / Erzeugnis“ ist (grinst) – „Horcrux“ ist vielleicht sogar ein bisschen so.  Das finde ich manchmal nervig und wollte es selbst irgendwie aushebeln. Ich finde in vielen Interviews habe ich jetzt „Frank Ocean erwähnt, aber „Frank Ocean“ war da auch für mich ein Vorbild. Denn der hat auch so Songs, wo ich manchmal nicht so richtig peile, ob der einfach high war und irgendwie so coole Wörter zusammengereimt hat. Aber manchmal macht es dann so wirklich Klick. So krass, der meint da wirklich was und meint er vielleicht noch mehr als ich da gerade drin sehe? Und das finde ich auch geil, wenn es so zu einer Überinterpretation einlädt. Wenn es so formuliert ist, dass Leute viel mehr darin sehen können, als da drin ist. Das finde ich dann auch spannend. Da habe ich so ein bisschen rumexperimentiert, um meinen Style zu finden. Und so der Hauptansatzpunkt des „Discman“ – Dings war für mich auf jeden Fall wieder Spaß an der Sache zu finden. So wie ich damals Spaß hatte mir mal lange Reimketten auszudenken, so in dieser Post-„Kollegah“-Phase. Das war, als ich angefangen habe zu schreiben. Mir einfach irgendwelche Wie-Vergleiche und Reime auszudenken. Und jetzt brauchte ich irgendwie eine Baustelle, an der ich einfach Spaß am Experiment habe und das war das auf jeden Fall. Der Vibe.

Zum Thema Vibe. Wir haben auch 2017, in einem Interview, darüber geredet, dass du zum Beispiel „RIN“ oder „Eunique“ sehr spannend findest, sowie die ganze Entwicklung, die damit kommt. Auto-Tune findest du auch interessant, aber nur solange man es benutzt, sodass es nicht blubbern ist und nur halt dazu da ist, dass man nicht singen kann. Jetzt hat man aber aktuell Künstler wie „Eno“ oder „Loredana“ denen genau das vorgeworfen wird. Denen auch vorgeworfen wird, dass sie Songs aus Amerika nehmen und diese dann fast 1:1 kopieren. Wie siehst du denn diese ganze Entwicklung?

Pfff… Ich überlege gerade ob wir einen Song 1:1 kopiert haben.  Ich würd es jetzt nämlich gerne leaken so (lachen). Aber mir fällt tatsächlich gerade keiner ein. Das ganz grobe Vorbild, aber das klingt ganz anders irgendwie, für „Lip Galllagher“ war „Macaulay Culkin“ von „JPEGMAFIA“. Aber ist auch einfach nur ein Lofi Boom Bap Hip Hop Beat mit einer Gitarre.

Ne, soll jeder machen was er will. Teilweise frage mich da immer nur: Werden die dafür nicht verklagt? Das sind teilweise Sachen, die so ähnlich sind. Und da geht es ja schon um relevante Streamingnumbers. Das ist echt das Einzige was mich schockiert. Im Zweifelsfall, wenn sie dafür bezahlt haben, sollen sie machen was sie wollen. Also ich finde das okay. Ich habe tatsächlich auch schon überlegt, ob ich das nicht auch so machen sollte (lacht). Aber ich bediene mich, anstatt den ganzen erfolgreichen Rap-Hits die es jetzt gibt, an allen anderen Genres. Ich nehme „The Scientist“ von „Coldplay“. War ein Riesenhit, mache ich 1:1 nach. Oh der und den Song von „Arctic Monkeys“ mache ich jetzt nach und vielleicht kann ich dann noch „I follow rivers“ von „Lykke Li“ und so machen. Mir würden da noch Hits einfallen, die ich auch nochmal nachmachen kann (lachen). Ich weiß es nicht. Ich glaub um so erfolgreich in dem Business wie „Eno“ oder „Loredana“ zu sein, braucht es andere Talente, auch jenseits vom Songschreiben. Man muss eine krasse Social-Media-Affinität haben. Man muss einen krassen Arbeitseifer haben. Man muss auf hunderte Meter riechen, ob irgendjemand einen abfucken will oder so. Weil ständig jemand solche erfolgreichen Leute abfucken will. Und das ist dann glaub ich so Zeit aufwendig, dass man dann gar nicht so viel Zeit hat sich Musik von scratch auszudenken. Und das ist ja auch ein Riesenerfolgsdruck. Wenn „Loredana jetzt nacheinander zwei Songs machen würde, die so durchschnittlich sind oder so, dann würden ja alle direkt sagen, okay „Loredana“ ist jetzt vorbei. Ich glaube aus diesem Druck kommt man dann irgendwann dahin, dass man so eine Hitgarantie braucht. Ich bin mittlerweile auch an einem Punkt, wo ich definitiv… „YRRRE“ das ist so ein Rapper mit dem wir mal auf Tour waren, kann ich definitiv empfehlen. Wir haben auch darüber geredet, ob wir nicht mal zusammen einen Text schreiben wollen. Weil ich auch denke, ich halte bei mir den Standard, den ich für mich halte, so hoch, dass es auf Dauer mir zum Beispiel mehr um das Endprodukt gehen würde, als meine eigene Eitelkeit jede Zeile selber geschrieben zu haben. Und ich kann mir sowas auch vorstellen. Von mir aus, wenn am Ende coole Mucke rumkommt, gibt es tausende Wege das zu machen. Ist natürlich bei „Eno“ so ein bisschen Meme mäßig (lachen).

Das „Deutschrap ist fresher denn je“-Meme.

Aber „Bausa“ hat es jetzt durchgespielt. Dadurch, dass jetzt „Quavo“ „Was du Liebe nennst“ macht. Aber da ist es bei „Quavo“ wahrscheinlich genau das Gleiche. Da wird ja „Quavo“ wahrscheinlich nicht irgendwo den Song gediggt haben. Da wird jemand zu „Quavo“ gekommen sein und gesagt haben: „Ey guck mal in Deutschland. Das war der erfolgreichste Deutschraphit seit Jahren. Mach das doch.“ Und dann sagt „Quavo“ : „Klar, wieso nicht? Wenn es ein Hit wird. Wenn es in Deutschland ein Hit war wird es bestimmt auch hier ein Hit.“ Ich glaube das ist einfach die Zeit. Originelle Ideen sind vielleicht so ein bisschen 20.-Jhd.-Scheiß.

Ich glaube die haben die Rechte an „Quavo“ auch verkauft. Es gab noch eine weitere Version von dem Song. Ich glaube russisch war das. Auch Beat und Hook 1:1 übernommen und die war auch mega der Erfolg dann. Die machen damit schon gut Geld. Wie du gesagt hast. Der hat das durchgespielt.

Wenn der Song läuft und der Song von „Quavo“ nochmal ein Hit wird aber eine Ebene größer als bei „Bausa“, dann hat „Bausa“ auf jeden Fall, wenn nicht eh schon, so krank ausgesorgt. Schon absurd. Ich weiß es nicht. Also ich glaube heutzutage geht es um was anderes beim Musikmachen als vielleicht jetzt in den 60ern oder so. Und für das ist es einfach wichtig, dass da die Maschine am Laufen gehalten wird. Und dann machen Leute gerne Songs nach. Ich würde aber auch echt gerne Songs 1:1 nachmachen. Tatsächlich hat Moritz gestern einen Beat gebaut, der klang wie dieser „Riri“ von „Aminé“ und dachte ich auch so mega geil. Manchmal finde ich Songs auch selbst so gut, dass ich gerne meine eigene Interpretation davon machen würde. Das kam nur noch nie so dazu, weil weiß ich nicht. Noch nie so 1:1 leider (grinst)

Das ist auch glaub ich so ein Problem. Da sind wir wieder bei der aktuellen Generation, die auch vielleicht auch nicht so die Bestandpfeiler von Hip-Hop kennt und direkt sagt das ist eine Kopie. Die keine Ahnung hat was überhaupt ein Sample ist. Ich meine es gibt das Prinzip von Sampling, worauf die Hip Hop Kultur ja eigentlich basiert. Da wird dann immer direkt Kopie geschrien, obwohl es beispielsweise mal ein Sample ist oder die Rechte gekauft wurden wie du gesagt hast.

Das älteste Beispiel aus der jüngeren Zeit was mir einfällt, aber schon ein Stück her ist, ist folgendes. „Cro“ hat damals diesen Song gemacht: „Du“. Und das war auf jeden Fall „Your Song“ von „Left Boy“. Und die haben ja beide auf alle Fälle „Daft Punkt“ „Something about us“ gesampled. Und ich weiß nicht, aber „Cros“ Version war geisteskrank nah an der „Left Boy“ Version dran. Und ich kann mir auch vorstellen, dass er den Song einfach mega gefeiert hat und er das Gleiche auch für sich machen wollte. Und das ist auf jeden Fall ein Hip Hop Ding. Jeder Rapper, der irgendwie rappt, hat auch schon mal auf einen anderen Beat gerappt und dachte sich: „Ja man. Ich will auf diesen „Snoop Dogg“-Beat rappen.“ Und dann merkt man: „Oh, das geht nicht so einfach. Ich kann jetzt nicht einfach diesen Song auf Spotify hochladen oder so.“ Doch ich würde voll gerne meine eigene Version von „Humble“ von „Kendrick Lamar“ machen. Ich finde das nicht schlimm. Das ist so ein Hip Hop Ding. „Lil Wayne“ hat das früher dauernd gemacht. Irgendeinen Song von irgendjemand anderen genommen. Eine super aktuelle Single, auf den gleichen Beat gerappt, seine eigene Interpretation der Hook und hat Leuten ihre Songs unter der Nase weggeklaut. Ich finde das schon cool und ich finde da sollte es auch keine Grenzen geben. „Shape of my heart“ von „Sting“ wurde so oft gesampled und war immer ein Hit. Und auch Flows 1:1 klauen finde ich nicht schlimm so.

Finde ich ja auch. Was auch krass ist, sind diese ganzen Remixe von Deutschrappern, bei denen Amirapper draufspringen, oder „Ufo“ hat das ja auch krass gemacht, dass er immer sagte: „Hey ich orientiere mich an „Future“ und irgendwann habe ich „Future“ auf meiner Platte so“.

Das ist krass ne.

Also was da alles so an Entwicklungen geht. Ich fände das auf alle Fälle mal spannend, da etwas von dir zu hören, wo man merkt, dass das daran orientiert / gesampled wurde – wenn das natürlich rechtlich klappt, wäre das auf alle Fälle cool.

Voll. Ich habe tatsächlich auch mal einen Rapper angefragt. Wir haben auch geschrieben. Aber dann ist er schnell so erfolgreich geantwortet, dass er dann nicht mehr geantwortet hat. Das ist so ein Engländer. Bakar“ . Denn habe ich gediggt, als er ganz klein war und dann haben wir geschrieben. Yeek“ auch, das ist ein anderer Rapper. Ich habe dann nur immer Pech, dass das passiert, bevor ich den Paypal Link so: „Come on bro lets get it!“ mäßig raushaue (lachen). So macht Ufo“ das. Ufo“ hat in einem Interview gesagt, dass er direkt so einsteigt: „Gib mir dein Paypal.“ Damit Leute wissen, dass er serious ist.  So sollte ich das vielleicht auch machen (grinst). Digge ich wieder irgendeinen kleinen Künstler und wenn er dann big ist, habe ich das Feature zu nem Schnäppchenpreis bekommen.

Das war ja auch bei 6in9ine so. Der hat ja auch bei so vielen deutschen Künstlern Kollabos gemacht und irgendwann kam ja dann der komplette Blow-Up bei ihm.

Wie ist das eigentlich? Wir hatten jetzt ja eigentlich nur das Feature mit Naru auf der Platte. Auf „Avrakadabra“ gar kein Feature. Jetzt hast du ja trotzdem gesagt du versuchst Features ranzukriegen. Weil ich hatte immer das Gefühl, Features vermeidest du irgendwie.

Das ist einfach mega anstrengend. Ich hatte mit einem sehr, sehr großen deutschen Rapper schon zwei Mal einen Beat gepickt. Und war auch mega cool alles und so. Aber Rapper sind halt unzuverlässige Leute. Und ich hatte dann irgendwie auch keinen Bock mehr darauf zu warten, dass das Feature kam. Und dann habe ich den Track gemacht. Ich habe Tracks mit Lugatti & 9ine. Die haben jetzt aber nicht auf das Album gepasst. Ansonsten bin ich da aber auch seit dieser Erfahrung mit dem größeren Rapper erstmal nicht mehr so hinterher gewesen, weil ich froh war, dass überhaupt das Album fertig ist. Und dann wollte ich nicht noch irgendeinen Song auf die Kippe stellen so nach dem Motto: Okay ich warte jetzt und dann kommt der am Ende nicht raus oder so. Da gibt’s belastende Stories. Dass der eine Rapper jetzt sagt, dass kann jetzt keine Single werden, weil er selber ein Album rausbringt. Deswegen hat sich das jetzt einfach nicht ergeben. Es gibt da auf alle Fälle ein paar Rapper, mit denen ich jetzt noch unbedingt Songs machen möchte. Und ich glaube langsam kommt es jetzt auch in so eine Position, wo ich den Leuten selbstbewusster sagen kann: „Yo, Junge krieg mal deinen Arsch hoch so. Mach jetzt mal.“ Aber in der Vergangenheit standen die Sterne bei mir jetzt nicht so gut.

Auf „Bomberman“ hast du ja auch gesagt: „Was du nicht savest geht verloren“. Ich habe immer überlegt was für Momente das so sein könnten in deinem Leben. Aber wären das auch so Momente gewesen? So hey, hättest du mal das Paypal Geld überwiesen, dann hättest du jetzt das Feature.

Alles. Konkret habe ich als ich das geschrieben habe, glaube ich im Kopf gehabt, dass wir nach „Avrakadabra“ so einen Aufwind hatten und dass ich dann aber nicht in Stande war direkt weiterzumachen. Und wir hatten jetzt aber das Glück, dass das Rad sich trotzdem weitergedreht hat. Es gibt auch Rapper, die haben das leider nicht. Manchmal ist das so bei Rappern. Sie warten zu lange und das Folgealbum kann nicht da anknüpfen, wo es hätte anknüpfen können, wenn man direkt weitergemacht hätte. Das ist alles wie Treibsand, dieser Fortschritt. Man muss immer in Bewegung bleiben und zwischendurch wieder eine Marke setzen, sonst verliert man quasi die Yards die man sich erkämpft hat.

Da hast du definitiv Recht.

Und ich glaube bei uns war es auch so. Wäre jetzt „Diskman“ direkt gekommen oder schon „Diskman 3“ fertig, dann würde da auch mehr gehen. Aber es ist nichts garantiert. Selbst für jemanden wie Casper. Wenn er dann irgendwann „Lang lebe der Tod“ rausbringt, kann er nicht unbedingt da anknüpfen, wo er mit „Hinterland“ aufgehört hat.

Casper hatte sich ja zum Glück etabliert, der hatte halt seine Fanbase. Aber wenn man auf die neue Generation schaut. Eno der bringt 3 Alben im Jahr raus…

Das ist einfach crazy.

Das ist unvorstellbar, wenn man sich die alte Rapschiene anschaut, wo man gefühlt vielleicht auch mal 8 Jahre auf ein Album gewartet hat.

Voll. Und deshalb ist ein anderer Grind. Ich glaube das habe ich, in dem Moment, mit der Zeile mehr gemeint. Aber das gilt für alle Sachen. Für alle Sachen, wo man irgendeiner verpassten Chance hinterhertrauern kann. Du merkst also, tatsächlich meine ich mit solchen Zeilen oft tatsächlich alles und nichts. Das ist so ein bisschen der Weg, den ich so für mich zum Texten gefunden habe. Das ist ab irgendeinem Punkt so eine krasse Erkenntnis gewesen. Und das habe ich tatsächlich durch solche Leute wie RIN oder so gelernt. Das ein Track nicht zwingend Sinn ergeben muss. Am Ende muss nur irgendeine wissenschaftliche Arbeit oder Masterarbeit Sinn ergeben. Aber Kunst nicht. Das ist richtig geil. Ich mag das auch bei Gemälden und so. Wenn irgendwo die Perspektive aufgebrochen wird, dann ist das ganz geil. Es muss keinen krassen Kausalzusammenhang geben. Man kann das vortäuschen. Man kann mehrere Sachen auch gleichzeitig sagen. Es hält einen ja nichts davon ab. Man kann sagen, dass es schlecht ist. Aber grundsätzlich hält einen ja nichts davon ab in einem Songtext zwei komplett sich wiedersprechende Positionen zu vertreten. Und das ist ganz geil, dass es dafür irgendwie so einen Raum gibt. Im echten Leben gibt es dafür nicht so einen Raum. Aber in der Musik schon. Und das war für mich so eine mega Erkenntnis. Ein Song muss kein Thema haben und kann doch ganz viele Themen haben.

Noch eine letzte Frage. Da ich glaube, dass diese echt noch ganz gut zum Abschluss passt. Du hast gesagt, dass dieses ganze Gesamtkonstrukt keinen Sinn ergeben muss. Und eine Frage, die da schon die ganze Zeit rumschwirrt, da sie für mich keinen Sinn ergeben hat war zum Cover von „Diskman Antishock 1“ und „2“. Auf dem ersten Teil ist die Rüstung an. Auf dem zweiten Teil ist keine Rüstung. Und ich habe ja gesagt, dass der zweite Teil für mich fröhlicher und heller wirkt, aber auch, der erste viel mehr Deepness hat. Also, dass du im ersten Teil viel mehr von dir rausgibst. Aber das wäre ja eigentlich andersrum. Wenn man die Rüstung abgelegt hat zeigt man ja eigentlich so den Wahren inneren Kern. Dementsprechend wären die Cover bei mir vertauscht so. Was hat es damit auf sich?

Ich sag dir das ist genau das (grinst). Ich finde das so geil. Ich hatte mir erhofft das es auch so ein Ambivalenz Ding ist. Weil grundsätzlich sagt ja niemand, dass das auf dem zweiten Cover der Diskman ist (grinst). Für mich ist das nämlich gar nicht der Diskman. Aber ich dachte auch, dass das durchaus auch so wirken kann. Genau durch den Gedankengang den du hast. Ja, jetzt ist da kein Helm mehr und jetzt ist da ne Frau. Dann muss es ja sein. Und krass dann war es eine Frau. Und das ist ein Spiel mit den Erwartungen und für mich. Ich habe das auch an keiner Stelle so kommuniziert und deswegen muss ich da auch gar keine Deutungshoheit haben, beziehungsweise bestehe ich da gar nicht drauf. Für mich ist das tatsächlich die Frau, die in allen Texten angesprochen wird. Für mich ist das auf dem zweiten Cover die Frau aus „Horcrux“, „Wie leicht“, „You“. Wobei es an vielen Stellen auch eine Liebesgeschichte zwischen zwei Leuten ist und ich beide Leute abbilden wollte. Aber mir war auch total bewusst, dass man auch denken könnte, dass das der Diskman ist. Dann fände ich das aber auch cool, weil die so super savage aussieht auf dem Zweiten. Aber auch nicht wie so ne klassische stereotype Frau. Man könnte auch denken, dass das vielleicht nen Typ ist, oder es ist extra so nen bisschen genderfluid gehalten. Und auch da wieder: Es muss ja nicht gesagt sein, dass ich das auf dem ersten Cover sein soll als Diskman. Es ist eigentlich egal. Und darin habe ich für mich so Riesenfreiheit gefunden. Ich konnte das vorher nicht. Vorher musste für mich alles immer eine feste Bedeutung haben. Das kann dann aber nur enttäuschen. Weil, wie du gerade gezeigt hast, haben Leute zwangsläufig ja immer ihre eigene Interpretation. Das klingt echt weird oder? (lacht). Aber für mich war, dass der ganze Prozess. Für mich war das, das mit dieser „Studie“. Ich habe dadurch sehr viele über meine ästhetischen Vorstellungen herausgefunden und was für einen Raum Kunst oder Musik haben kann, oder sollte in meinem Raum. Welchen Raum ich beanspruchen kann. Was gehört mir an der Kunst, was gehört anderen Leuten und ihrer Vorstellung daran? Ohne, dass ich da jetzt irgendwie einen Einfluss darauf nehmen kann.  Und ich bin nicht high wenn ich das erzähle (lacht). Das klingt wie so ein übelster Kiffer Talk. Ich meine das dead serious. Ich habe viel Zeit über Musik nachgedacht und das sind so die Schlüsse, die ich daraus gezogen habe.

Ich finde, wenn man unter dem Gedanken „Avrakadabra“ hört, merkt man den Kontrast und das bei „Avrakadabra“ andere ästhetische Vorstellungen hatte.

Ich möchte noch vielen Dank sagen.

Ich danke dir auch.

                                                                                     Das Interview führte Nico Hilscher

Weiterführende Informationen zum aktuellen und kommenden Releases, sowie die Möglichkeit das Album oder Tourtickets zu erwerben, findet ihr auf den Social Media Kanälen von „Goldroger“ (Facebook und Instagram) und Landstreicher Booking.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert