Wenn man die OP am heimischen Küchentisch noch eher überlebt als den Aufenthalt im Krankenhaus, dann, liebe Leser, befinden wir uns in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Wem der Name Joseph Lister noch nichts sagt, der wird spätestens nach der Lektüre dieses Buches den Namen nie wieder vergessen.
Willkommen also im viktorianischen Zeitalter und dem Stoff, aus dem Albträume und Vorlagen für Horrorfilme gemacht sind. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um Fiktion, sondern um brutale Realität!
Es ist eine Zeit, in der es noch keine Vollnarkosen gab, Desinfektion ein Fremdwort war, Krankenhäuser auch Todeshäuser hießen und Chirurgen noch niedere Handwerker waren.
In diesem Buch dürfen wir Joseph Lister auf seinem Abenteuer durch den Horror der frühen Medizin in eine bessere Zukunft begleiten. Dabei gibt es viel über die gesellschaftlichen Strukturen, die Entwicklung der Medizin und insbesondere die der Chirurgie zu erfahren. Es ist eine spannende Reise, bei der man als Leser immer wieder aufs Neue dankbar dafür ist, in der heutigen Zeit zu leben und dass Joseph Lister und seine Mitstreiter niemals aufgegeben haben! Allen Widerständen zum Trotz. Denn neben der Wissensentwicklung über die Verbreitung von Keimen und Bakterien, welche durch steten Versuch und Irrtum geprägt ist, hatte sich Joseph Lister oft genug auch gegen seine eigenen Kollegen und andere Standesklüngeleien zu behaupten.
„Der Horror der frühen Medizin“ ist ein sowohl spannendes als auch bewegendes Buch. Die Autorin springt zwar hin und wieder etwas in den chronologischen Abläufen, aber das stört nicht wirklich. Durch den angenehmen Schreibstil kommt man auch nicht umhin so etwas wie eine emotionale Verbindung zum Hauptakteur aufzubauen.
Zu empfehlen ist das Buch jedem, der sich für die Geschichte der Medizin interessiert oder eben für den Horror der viktorianischen Zeit. Leser mit schwachen Nerven oder empfindlichem Magen hingegen rate ich von der Lektüre ab.
Von Carmen Käuflin
Lindsey Fitzharris: Der Horror der frühen Medizin
Suhrkamp
276 Seiten
ISBN: 978-3-518-46886-9
Preis: 14,95 €