Steige aus ins Glück

Das Hollederer Brueckl. Foto: Tobias Stenger

Den Alltag für ein paar Stunden hinter sich lassen, neue Höhen erklimmen und der Natur dabei ganz nah sein? Dieses Glück ist nicht fern. Die ersten sommerlichen Tage sind perfekt für den Höhenglücksteig in der Fränkischen, der zu einem der schönsten Klettersteigrouten im mittelfränkischen Gebirge zählt. Wie sich das so anfühlen kann, erfahrt ihr im Folgenden.

 

Es ist kurz nach Sieben am Morgen. Das frühe Sonnenlicht hat schon längst die Natur geweckt, die sich mit lautem Vogelgezwitscher bemerkbar macht, das durch das geöffnete Fenster in die Küche dringt. Der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee liegt in der Luft, während schnell ein paar Brote geschmiert und Kekse eingepackt werden.

Unter einer dicken, weißen Schicht Sonnencreme wird in das kleine Auto gestiegen. Aus dem Radio tönen Oldies. Es fühlt sich an wie Urlaub. Im Kofferraum liegen festes Schuhwerk, Helm, Handschuhe, Rastschlinge, Klettergurt und Klettersteig-Set bereit. Es kann losgehen. Von Erlangen fährt man weniger als eine Stunde bis zum Parkplatz in der Nähe von Hegendorf. Wir haben uns vorab gut informiert und sind gerüstet.

Dort angekommen, führt ein staubiger, steiniger Feldweg zwischen Äckern hindurch in den Wald. Wir folgen den roten Punkten auf weißen Markierungen und kommen bereits nach einer Viertelstunde an. Beim Einstieg hat man die Wahl: schwer oder normal. Wir nehmen die normale Variante und erklimmen den ersten Felsen. Nach nur wenigen Zügen mit Armen und Beinen befinden wir uns auf der Höhe der Baumkronen. Ein unbeschreibliches Gefühl. Wir klicken uns mit den Karabinern am Stahlseil ein und genießen die Aussicht. Hier oben liegen uns die frisch grünen Wälder wie ein unendliches Meer zu Füßen. Die Äste auf unserer Höhe treiben gerade aus den gesprungenen Knospen trichterförmig ihre Blätter aus. Sie wirken zart und zerknittert – wie ein Schmetterling, der gerade erst geschlüpft ist und nun seine Flügel zum ersten Flug ausstreckt. Direkt unter unseren Füßen geht es einige Meter in die Tiefe. Am „Scharfen Brett“ ist der bekannte Kletterer Kurt Albert abgestürzt und gestorben – durch einen Sicherungsfehler.

Wir schieben uns weiter die Wand entlang: immer auf der Suche nach geeigneten kleinen Tritten, die Hände am Felsen oder am Stahlseil. Aus dem porösen Kalkgestein sprießen uns Löwenzahn und andere gelbe Blumen entgegen. Der Klettersteig ist insgesamt in drei Abschnitte geteilt, von denen der erste der längste ist. Ein Stückchen nach einer kleinen Holzbrücke, die auch „Hollederer Brückl“ genannt wird, kommt die größte Herausforderung. An der glatten Wand scheint es keinen Halt mehr zu geben. Wir klammern uns an das Stahlseil und schieben uns mühsam Zentimeter für Zentimeter weiter. Dazwischen setzen wir uns immer wieder kurz in die Sicherung. Die Füße baumeln im Nichts. Es ist nicht unser erster Klettersteig, aber diese Stelle erweist sich als neue Herausforderung. Die Überlegung, umzukehren, drängt sich in den Raum. Denn nicht nur zwischen den drei Abschnitten gibt es wiederkehrend die Möglichkeit, auszusteigen, eine Pause einzulegen oder ein komplettes Stück zu umgehen. Aber das will ich nicht. Die Handflächen schwitzen. Die Arme schmerzen vor Anstrengung. Wir ziehen es durch. Geschafft!

Süße Nahrung für die Nerven, dann geht es weiter zum zweiten Teil. Das Klicken der Karabiner an das Stahlseil ist unser stetiger Begleiter, aus der Ferne dringen die Stimmen anderer Menschen zu uns. In den luftigen Höhen ist man ganz bei sich. Die Arbeit der Hände, die für das Umhängen der Sicherungen zuständig sind, und die Konzentration darauf beruhigen, weil man vergisst, wo man sich befindet. Im Übergang zum dritten Teil wartet eine Überraschung. Pfeile lotsen uns zwischen großen Gesteinsbrocken hindurch, die aufeinandergeschichtet sind, und führen uns durch eine Höhle in den Abgrund. Ein Pfeil deutet direkt auf den schmalen Spalt, der sich wie der Eingang zur Hölle am Boden auftut. Mit Rucksack auf dem Rücken quetschen wir uns durch und finden wieder festen Grund.

Nun kommt der letzte und laut Angaben anspruchsvollste Teil. Nach der besonders schweren Stelle im ersten Abschnittes sind wir gewarnt und erwarten das Schlimmste – doch die Befürchtungen sind schlimmer als die Route selbst. Wir überwinden den letzten Teil und gelangen an unser Ziel. Dort genießen wir auf einer Bank nach drei Stunden erst einmal zufrieden unsere Brotzeit. Die Wurzeln der Bäume umschlingen hier das felsige Gestein. Moos wuchert überall und das Laub der letzten Jahre liegt ausgebreitet wie eine braune Decke. Der restliche Rückweg dauert nicht lange, weil es sich um einen Rundweg handelt.

Der Höhenglücksteig ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Jedoch sollte niemand ohne Vorkenntnisse, benötigte Know-How, der richtigen Ausrüstung beziehungsweise ohne geschulten Begleiter einsteigen.

Nicole Geier

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