„… und denken Sie bitte nach dem Konzert daran, Ihr Handy wieder einzuschalten!“

Bild: Sebastian Schroth

Filmmusik hautnah: Das Klassik Radio Pops Orchestra und der Dirigent Nic Raine präsentierten am 8.12.2017 im Kongress am Park in Augsburg die schönsten Filmmusik-Soundtracks aus Hollywood. Nachdem das Orchester in den vergangenen Wochen bereits in etlichen anderen Städten in ganz Deutschland aufgetreten ist, war dies das letzte Konzert der diesjährigen Konzertreihe „Klassik Radio Live in Concert 2017“. Durch den Abend führten die Moderatoren Thomas Ohrner und Svenja Sellnow.

Zum letzten Mal betraten Nic Raine und das Klassik Radio Pops Orchestra in dieser Konzert-Tour die Bühne und überzeugten das Publikum mit der eigens komponierten Klassik Radio Fanfare und der Overture aus Lawrence von Arabien von Beginn an. Nach dem gelungenen Auftakt begrüßten nun auch die beiden Moderatoren die Zuhörer und kündigten mit viel Witz und Charme die nächsten Stücke an: Alte und zeitlose Klassiker wie die Titelmelodie von Jurassic Park und Concerning Hobbits aus Der Herr der Ringe, aber auch neue Soundtracks wie die oscarprämierte Filmmusik aus La La Land von Justin Hurwitz. Vor der Pause wurde es mit For the love of a Princess aus Braveheart nostalgisch romantisch aber auch ebenso dramatisch episch als die bekannte Titelmusik der beliebten Fantasy-Serie Game of Thrones, komponiert von Ramin Djawadi, den Saal füllte und das Herz der Serien-Liebhaber höher schlugen ließ.

Fast nahtlos knüpfte man nach der Pause mit wuchtigen und rebellischen Klängen aus Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht an das Vorprogramm an. Komponist ist wie bei allen anderen Teilen der Saga John Williams. Neben weiteren tollen Soundtracks aus Jenseits von Afrika und Mission: Impossible begeisterte das Orchester das Publikum auch mit Werken des wahrscheinlich aktuell gefragtesten und bekanntesten Film-Komponisten: Hans Zimmer und seine Musik zum Thriller Illuminati und Antikriegsfilm Pearl Harbor. Immer wieder unterstützt wurde das Orchester von der Sopranistin Jana Degebrodt, die mit ihrem Gesang zu Die Schöne und das Biest bereits in der ersten Hälfte Kindheitserinnerungen weckte und auch in der zweiten Hälfte das Publikum mit Parla più piano in die Mafiawelt aus Der Pate entführte.

Zwischendurch brachten die Moderatoren das Publikum mit einigen witzigen und interessanten Anekdoten rund um die Entstehungsgeschichten der Filme immer wieder zum Lachen. So auch vor der Suite zu Fluch der Karibik, dem finalen Stück des Abends: Ein Disney-Vorsitzender meinte über Johnny Depp: „Dieser Mann ruiniert unseren Film. Wir gehen pleite.“ Er sollte eines Besseren belehrt werden. Genauso wie jeder andere, der dachte, nach diesem Stück sei Schluss. Denn als Zugabe überraschte das Orchester das Publikum mit der Titelmusik aus Indiana Jones von John Williams. Die überaus überzeugende Performance des Dirigenten und des Orchesters würdigte das Publikum mit minutenlangem Applaus und Standing Ovations.

Bravo bravissimo

Der aber wohl eindrucksvollste und einprägsamste Moment des Abends folgte schon in der ersten Konzert-Hälfte unmittelbar auf The John Dunbar Theme aus Der mit dem Wolf tanzt. Es war kein Moment der lauten Töne, kein Moment von tosendem Applaus, sondern ein kurzer Moment der totalen Stille. Eine Stille, in der jeder Musiker und Zuhörer diese leicht melancholische aber zutiefst bewegende Melodie, nur gespielt von einer einzigen Trompete, genoss und versuchte sich in ihr zu verlieren. Es war ein kurzer flüchtiger Moment, aber die Melodie lag noch lange nach Ende des Stücks wie seichter Nebel am Morgengrauen über dem Orchester und den Zuhörern und wurde schließlich nur durch ein „Bravo“ unterbrochen. Dieses „Bravo“ des Dirigenten, gerichtet an den ersten Trompeter, drückte zugleich Freude, Anerkennung, Respekt, Jubel, Stolz und Dankbarkeit aus.

Dieser eine Moment der totalen Stille nach dem Ende eines Stücks und das von Herzen kommende „Bravo“ sind der Grund dafür, warum man Musik hört und Konzerte besucht!

Gänsehaut-Momente brauchen keine künstliche Verstärkung

Bei all den Gänsehaut-Momenten gab es jedoch auch Dinge, die störten und teilweise auch von der Musik ablenkten. Denn auch wenn es sich bei „Klassik Radio Live in Concert“ nicht um ein traditionelles sinfonisches Konzert handelt, ist es trotzdem überflüssig die Zuhörer durch recht häufige strobo-artige Lichtspielereien zu blenden. So wäre es absolut ausreichend gewesen, das Licht im Zuhörerraum auf herkömmliche Art und Weise schwärzlich zu dimmen während alleine das Licht auf der Bühne der Stimmung und den Emotionen des aktuellen Stücks angepasst wird: beispielsweise ein rotes für Illuminati, ein grünes für Herr der Ringe, ein regenbogenfarbenes für La La Land oder ein blau-weißes Licht für Braveheart.

Bild: Sebastian Schroth

Auch ist es nicht unbedingt notwendig, bei konzertanten Live-Aufführungen die vom Orchester gespielte Musik über Lautsprecher zu verstärken und so auf eine nicht weiter schlimme aber deutlich hörbare Art und Weise zu verfremden. Die Rede ist hier von Aufführungen in einem geschlossenen Raum wie einem Konzertsaal oder hier in diesem Fall eine Messehalle. Einzelne Instrumentengruppen klingen dadurch unnatürlich und können zudem auch durch falsch platzierte Mikrofone von anderen Instrumentengruppen übertönt werden. Ein Orchester funktioniert auch ohne technische bzw. elektronische Verstärkung. Überspitzt formuliert wird hier den Zuhörern der „Live-Effekt“ von klassischer Musik – „live“ vorgetragen durch ein greifbares Orchester in realer Anwesenheit – vorenthalten. Klassische (Film-)Musik hat das nicht nötig!

Props an Mozart

Trotz alledem sind solche Projekte und Kulturveranstaltungen wie „Klassik Radio live in Concert“ großartig und auch im Hinblick auf die Entwicklungen der heutigen Musikindustrie ungemein wichtig für das Kulturgut „Klassische Musik“. Außerdem sind sie eine wunderbare Möglichkeit auch junge Leute für klassische Musik zu begeistern. Denn ein großes Symphonie-Orchester live spielen zu sehen ist immer wieder ein Erlebnis und diese Form der Unterhaltung kann begeistern, mitreißen und bietet auch eher wenig Klassikinteressierten die Gelegenheit sich durch die Wiedererkennungs- und Identifikationsmerkmale der unverkennbaren Filmmelodien der traditionellen klassischen Musik zu nähern. An dieser Stelle sei aber natürlich auch erwähnt, dass man nicht von heute auf morgen begeisterter Mozart-Hörer wird. Das zu verlangen wäre Irrsinn. Es braucht seine Zeit, mit einer vollkommen neuen Musikrichtung vertraut zu werden. Aber der Weg, sich klassischer Musik zu nähern kann, mit viel Hingabe und Offenheit, eigentlich nur von Erfolg gekrönt sein. Denn man würde lügen zu behaupten, es gäbe niemanden, der nicht wenigstens ein kleines bisschen Gänsehaut von Orffs Carmina Burana, Händels Zadok the Priest, Holsts Planten, Beethovens 7. Symphonie oder Elgars Enigma Variations bekommt. Welche enorme Wirkung klassische Musik haben kann wurde – um wieder auf das Thema Musik in Filmen zurückzukommen – nirgendwo besser dargestellt und inszeniert als im Film Die Verurteilten. An dieser Stelle: Props an Mozart!

Der Auftakt der nächsten „Klassik Radio live in Concert Tour“ ist am 18.11.2018 in der Alten Oper Frankfurt.

von Sebastian Schroth

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