Einmal Jenseits und zurück

Stirbt für die Forschung: Courtney (Ellen Page) Bild: Sony

Im Reboot des 1990er-Kultfilms schickt Verblendung-Regisseur Niels Arden Oplev Ellen Page als übereifrige Medizinstudentin für einen Kurzbesuch ins Jenseits. Nach einem atmosphärischen Anfang verstrickt sich sein Flatliners dabei leider immer mehr in billige Horror-Klischees. Übrig bleibt ein Film, der weder Sci-Fi-Thriller-Fans noch Horror-Freunde umhauen dürfte.

Neben Prüfungsstress und Vorlesungen findet die angehende Ärztin Courtney Holmes (Ellen Page) noch Zeit für ein ganz besonderes außerschulisches Experiment.  Zusammen mit ein paar Kommilitonen will sie das Geheimnis lüften, was es mit dem Leben nach dem Tod auf sich hat. Dafür bringen die Freunde nacheinander ihre Herzen zum Stillstand, um sich nach wenigen Minuten wieder von den Toten zurückzuholen. Die Versuchsreihe beginnt vielversprechend.  Die Studenten können den Übertritt ins Jenseits nicht nur per Hirnscan festhalten, sondern entwickeln nach ihrer Nahtoderfahrung praktischerweise auch noch übermenschliche Fähigkeiten. Und sie können jede Hilfe brauchen, als sie merken, dass ihnen etwas von der anderen Seite gefolgt ist. Schon bald müssen sich die Freunde ihren düstersten Ängsten stellen.

Reise durchs Kirchenfenster

Der Anfang verspricht viel: Die Credits werden von diffusen Lichterscheinungen und kurzen Nahtod-Berichten begleitet, die einen stimmungsvollen Film versprechen. Auch Page geht in der Rolle der verrückten Nachwuchs-Wissenschaftlerin voll auf. Sie verliert keine Zeit, ihre Freunde in die atmosphärische Welt eines geheimen Untergrund-Krankenhauses zu entführen und begibt sich schon nach einer knappen halben Stunde auf ihre erste Erkundungs-Expedition in den Tod. Diese erste Reise bietet dabei gleichzeitig die spektakulärsten Schauwerte des Films. Die Kamera folgt der körperlosen Seele der Studentin Etage für Etage durchs Krankenhaus und die halbe Stadt, bis es schließlich – Symbolik, Symbolik – durch ein Kirchenfenster direkt ins Jenseits geht.

Leider bekommen Courtneys Mitstreiter keine so eindrucksvollen Reisebilder spendiert, dafür sind ihre Gründe interessanter. Vor allem ihre Freundin Sophia (Kiersey Clemons) scheint deutlich mehr an den gesteigerten geistigen Fähigkeiten interessiert zu sein, die das Experiment entfesselt, als an der philosophischen Frage nach einem Leben nach dem Tod. Die gestresste Studentin bringt sich um, nur um den Erwartungen ihrer tyrannischen Mutter und des strengen Dozenten Dr. Barry Wolfson (Kiefer Sutherland als einzige Verbindung zum 1990er-Original) gerecht zu werden. Ein spannendes Thema, das leider viel zu schnell fallen gelassen und durch die immer gleichen Studenten-Party-Szenen verdrängt wird.

Geister und Superkräfte

Jamie (James Norton) schaut ängstlich
Bild: Sony

So praktisch die neu erworbenen geistigen Superkräfte auch sein mögen, das Drehbuch weiß erschreckend wenig damit anzufangen. So dürfen die Studenten ein paar schlaue Quiz-Antworten geben und den obligatorischen Zauberwürfel lösen, den Rest der Zeit verhalten sie sich wie Klischee-Teenager in jedem Horror-Streifen. Es hilft auch nicht, dass die verschiedenen Geister, die die Studenten heimsuchen erst nach und nach in einen größeren – und nicht besonders kreativen – Rahmen eingefasst werden.

Sobald die lebenden Toten auf den Plan treten lässt Regisseur Niels Arden Oplev jedes erzählerische Fingerspitzengefühl fallen und greift tief in die Kiste der Horror-Klischees. Die Kommilitonen erschrecken vor knarrenden Türen, rauschenden Radios und blutigen Schriftzeichen an der Wand, die im richtigen Moment aus dem Nichts erscheinen. Zwischen düster dröhnender Musik und einer nicht enden wollenden Parade von Jumpscares bleibt für Charakterentwicklung endgültig keine Zeit mehr. Das moralisierend-schmalzige Ende wirkt damit nicht nur ziemlich fehl am Platz, sondern auch absolut unverdient. Sieht aus, als brauchte es ein zweites Reboot, um dem Flatliners-Franchise wieder Leben einzuhauchen.

Simon Lukas

Flatliners läuft aktuell im Cinecitta‘ in Nürnberg.

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