Kennst du den schon vom Comedian, dessen Freundin im Koma liegt?

Kumail (Kumail Nanjiani) und Emily (Zoe Kazan) kommen sich näher   Bild: Weltkino

Kumail Nanjiani wagt sich mit The Big Sick an ein schräges Experiment: Der Comedian und Schauspieler inszeniert die dramatische Geschichte wie er seine Ehefrau kennen lernte – mit einer anderen Frau an seiner Seite. Dabei gelingt ihm eine mühelose Balance zwischen Drama und Situationskomik, die am dramatischsten wird, wenn es auf die Standup-Bühne geht.

Standup-Comedian Kumail (Kumail Nanjiani) hat es nicht leicht: Der große Comedy-Durchbruch scheint noch in weiter Ferne und so muss der junge Einwanderer nebenbei als Uber-Fahrer durch Chicago fahren. Eines Nachts steigt die Psychologie-Studentin Emily (Zoe Kazan) in seinen Wagen, die ihm nicht mehr aus dem Kopf geht. Die beiden verlieben sich und kommen schnell zusammen. Doch eine weiße Freundin kommt für Kumails konservative Familie nicht in Frage. Besonders seine Mutter (Zenobia Shroff) setzt alles daran, ihren Jüngsten endlich mit einer passenden pakistanischen Single-Frau zu verkuppeln. Vor die Wahl gestellt bleibt Kumail zunächst seiner Familie treu und versucht Emily zu vergessen – bis sie überraschend ins Krankenhaus eingeliefert wird und er als einzige Kontaktperson plötzlich entscheiden muss, ob sie ins Koma versetzt werden soll.

Flirten zum Fremdschämen

Wer das eigene Leben auf der großen Leinwand nacherzählt steht natürlich immer im Verdacht, sich selbst ein bisschen zu heroisch darzustellen und sich ein paar coole Oneliner zu viel in den Mund zu legen. Zum Glück blickt Nanjiani recht schonungslos auf sein früheres Ich zurück und schafft es in wenigen Szenen das realistische Bild eines sympathischen, aber etwas ziellosen Losers zu zeichnen, der selbst kaum glauben kann, dass seine immer gleichen Flirtversuche endlich mal funktionieren. So gelingt es in der ersten halben Stunde eine nette, aber nicht übermäßig originelle Liebesgeschichte zu erzählen, bei der zwischen Kumail und Emily-Darstellerin Zoe Kazan einige Funken fliegen – was auch daran liegen kann, dass die echte Emily am Drehbuch mitschrieb.

Sobald die Liebesgeschichte auf Eis und Emily ins Koma gelegt ist strampelt sich der Film von allen Romcom-Klischees frei und wird – so hart das klingt – erst richtig lustig. Kumail muss beim ersten Gespräch mit Emilys Eltern feststellen, dass seine Comedy-Routine über 9/11 („Eine echte Tragödie. Wir haben 19 unserer besten Männer verloren.“) nicht bei jedem ankommt, kann aber beim gemeinsamen Lachen über Emilys Gothik-Jugendfotos Punkte sammeln. Wo andere Drehbücher auf verklärte Erinnerungen oder schnulzige Liebesschwüre am Krankenbett gesetzt hätten, bietet Big Sick hier die Geschichte einer vorsichtigen und realistischen Freundschaft in einer Extremsituation, die bald schon interessanter ist als die eigentliche Liebesgeschichte.

Kein harmonisches Multikulti-Ende

Emilys Eltern (Holly Hunter, Ray Romano) scheint die Show zu gefallen Bild: Weltkino

Im Gegensatz dazu kühlt das Verhältnis zu Kumails eigener Familie in der zweiten Hälfte rapide ab. Passt es am Anfang noch hervorragend zum verschrobenen Humor des Films, wenn seine Mutter bei jedem gemeinsamen Essen eine andere heiratsfähige Pakistanerin aus dem Hut zaubert, die „grade zufällig in der Gegend war“, wird der Graben zwischen Eltern und Sohn mit der Zeit zu einem der zentralen Konflikte des Films. Eine rundum harmonische Multikulti-Lösung gibt es hier nicht. Kumail muss sich zwischen seiner Familie, seiner Herkunft und Tradition und der Liebe entscheiden.

Wie schwer ihm diese Wahl fällt wird spätestens bei seiner ersten eigenen Comedy-Show klar, in der Kumail sein Publikum, mit Landkarte und Zeigestock bewaffnet, mit Fakten über sein Heimatland bombardiert. Das Drehbuch nutzt die gelegentlichen Ausflüge auf die Bühne dabei geschickt, um Gegenpole zum zunehmend dramatischen Privatleben des Comedian zu setzen und nebenbei einen schonungslosen Blick ins knallharte Standup-Geschäft zu werfen. Zur berührendsten Szene des Films kommt es dann auch als Kumail, kurz nachdem sich Emilys Zustand verschlechtert hat, auf eine Bühne geschoben wird. Spontan schüttet er dem überraschten Publikum sein Herz aus – und erntet die schlechtesten Kritiken seiner Karriere. Diese Geschichte ist nicht das Richtige für Zuschauer, die nur auf Lacher aus sind. Für alle anderen schon.

Simon Lukas

The Big Sick läuft aktuell im Lamm-Lichtspiele Kino.

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