„Goldrogers“ Debütalbum „Avrakadavra“ wird in der Deutschrapszene unter Kennern hochgehandelt. Und trotzdem – als wir Goldroger zum Interview antrafen stand uns ein Mensch namens Sebastian gegenüber, der sich nichts davon anmerken lies und ein spaßiges Pläuschen mit uns hielt. So unterhielten wir uns über Themen wie die Liebe, das Schulsystem und die aktuelle deutsche Rapszene.
re>flex: Ich habe dich das erste Mal auch hier in Erlangen live gesehen. Das war beim „Unter einem Dach“-Festival. Du bist ja ohne Backup-Rapper aufgetreten.
Goldroger: Mach ich immer.
Ist ne krasse Leistung. Wie ziehst du das durch? Du hast ja auch einen Flow, der jetzt nicht unbedingt einfach ist.
Ich rede viel (lacht).
Übung. Ich glaube wenn Casper das hinkriegt, der ja mit ner Riesenband und im Stadion spielt, dann sollte das eigentlich jeder hinkriegen. Und wenn ich’s irgendwann mal kann, dann hol ich mir einen Backup. Und dann wird das vielleicht noch besser. Ich muss mal gucken. Aber erstmal geht das Solo auf jeden Fall.
Dann würde ich gleich mal die zukünftigen Projekte, beziehungsweise das zukünftige Projekt, vorziehen. Bevor ich dann über deine letzte Platte „Avrakadavra“ rede, denn die ist ja jetzt schon ein bisschen her. Sind ja ein paar neue Songs rausgekommen als Singles, beziehungsweise der eine war ja nochmal eine andere Version. Erwartet uns da bald ein neues Album? Kannst du da schon was dazu sagen?
Also ich glaube das wird eher ein Mixtape. Es kommen auf jeden Fall erstmal ein paar neue Songs. Und dann Mal gucken. Vielleicht wird’s auch nur ne EP. Vielleicht ein Album. Vielleicht ein Mixtape. Aber wir haben auf jeden Fall viel Musik gemacht. Und wir müssen jetzt nur fertig machen. Das ist immer das. Man fängt gerne Sachen an. Und das Fertigmachen ist halt Arbeit und deswegen fangen wir immer neue Sachen an.
Aber dann kann man sich ja schon mal freuen wenn neue Sachen kommen.
Auf alle Fälle.
Zum letzten Album. Dann würde ich gleich mal mit einem meiner Lieblingssongs starten. „Perwoll„. Da sprichst du von verschiedenen Leuten die sich mit der Zeit verändert haben. Würdest du sagen, dass die Zeit, seit dem du im Musikbusiness bist, dich verändert hat?
Ja voll. Ich geh nicht mehr zu Uni und muss keine Nebenjobs mehr machen.
Würd ich auch gerne (Alle lachen).
Das ist voll cool auf alle Fälle. Ich kann öfter bei Lieferheld bestellen oder so (Alle lachen). Doch klar. Das hat sich halt ein bisschen verändert. Musik ist jetzt so ein Lebensmittelpunkt geworden. Und das ist cool. Also eigentlich zum Positiven verändert. Vorher wusste ich nicht so wirklich wohin. Ich glaube das ist dass was man sich heutzutage wünscht. Das man was hat was einen ausfüllt. Das klingt so Hippie-mäßig. Aber das ist es halt. Und das ist supercool und macht Spaß.
Weil du es gerade erwähnst. Auf den Song „Bemale den Mond“ geht es ja um eine Party, die dazu dient Probleme zu verdrängen.
Ja voll.
Musik ist ja auch sowas. Du hast gesagt Musik füllt das aus. Musik dient für dich, wenn ich so ein paar Songs höre, auch dazu Probleme niederzuschreiben und zu verarbeiten?
Ja voll. Ich finde das immer ziemlich fragewürdig wenn man sagt Musik ist Therapie und sowas. Das würde ich nicht sagen. Vieles ist auch einfach beobachten. Ich versuch dann auch nicht so wertend an die Sache ranzugehen. Zum Beispiel bei „Bemale den Mond“ ist es auch nicht so wirklich klar. Es geht irgendwie um Drogen. Ist aber auch nicht drogenverherrlichend. Es lässt den Interpretationsspielraum. Aber klar. Ich kann ja nur damit arbeiten was ich irgendwann mal gesehen oder erlebt habe. Aber ich würde auch Texte darüber schreiben, wenn mir ein Freund was erzählt und das ist sein Problem. Ich könnte auch die Probleme von anderen verarbeiten und das fände ich okay.
Eine andere Line mit der du vielleicht gerechnet hast: „Und wenn du wissen willst was ich von deutschem Rap halte, dann frag Noel Gallagher/ Stell Fler an die Wonderwall sing live forever drück ab und beende das.“. (Anm. d. Red.: Auf dem Song „M.I.D.A.$„) Das ist ja jetzt ein sehr pessimistisches Bild. Es gibt ja auch sicher einige Rapper die du magst. Welchen Rap in Deutschland findest du gut? Antilopengang würde ich mal schätzen. Da bist du ja auch demnächst Voract.
Nein die finde ich scheiße. Ich fahr nur mit weil sie mir so viel Kohle zahlen ( Alle lachen).
Weil die fame sind (Alle lachen).
Da versuch ich das Publikum abzugreifen von denen. Ich hasse die (Alle lachen).
Erstmal, das Noel Gallagher Ding ist, die haben Noel irgendwann was von deutschen Rap gesagt und dann hat er im Interview gesagt: Wie es gibt deutschen Rap? Erzähl mir keine Scheiße. Das ist ja das dümmste was ich je gehört habe. Und hat sich darüber lustig gemacht. Das Deutsche rappen wäre das unfunkisty, dass er sich vorstellen könnte. Aber klar. Ich feier mega viel. Ich feier glaub ich auch neue Sachen von Fler. Ich kann eigentlich alles feiern. Ich finde das momentan super spannend. So Sachen wie RIN. Aber auch so Sachen: Miami Yacine, kommt ursprünglich auch aus Dortmund. Bin ich auch ein Riesenfan von. Ansonsten halt das Casper Album. So was. Die üblichen Verdächtigen. Ich höre aber trotzdem ziemlich wenig Deutschrap im Verhältnis zu anderer Mucke. Das einzige was wir wirklich öfter gehört haben, auf der letzten Tour zumindest, waren so die RIN-Singles. Die bis dahin draußen waren. Und das Casper Album.
RIN, wird ja immer gesagt ist ein Teil dieser neuen Welle die auf uns zukommt. Dieser Auto-Tune, Trapfilm. Also findest du das prinzipiell ganz interessant?
Voll. Es gibt da richtig krasse Leute. Ich habe da letztens auch so ne Rapperin gesehen. Ich glaube die kommt aus Hamburg oder Berlin. Eunique heißt die. Ich habe das gehört und das ist halt ein ganzes anderes Niveau. Es gab ja vorher auch schon Leute die das gemacht haben, die das versucht haben. Aber das war halt vorher immer richtig schlecht. Und jetzt ist es halt mega geil.
Könntest du dir auch vorstellen mal mit Auto-Tune zu arbeiten?
Was ich halt nicht mag ist es wenn’s so blubbert. Das heißt, das man halt ganz weit vom Pitch weg ist. Zum Beispiel Frank Ocean benutzt Auto-Tune oder auch Rihanna. Und das sind Beispiele da macht’s das einfach nur glatt. Das ist ein Stilmittel, dann finde ich’s cool. Ich finde es nicht cool, wenn es blubbert, wenn man gar nicht singen kann und dann nur mit dem Auto-Tune singt. Das ist nicht meins. Das würde ich mir für mich nicht vorstellen können. Aber bestimmt. Ich schließe das auf keinen Fall aus.
Den Track „Lachen und Vögeln“. Da geht es auch viel um das Thema Liebe. Liebe auch immer wieder als Antrieb auf dem Album, habe ich das Gefühl. Dieses Perpetuum mobile. Siehst du Liebe auch als Ziel des Lebens? Was man erreichen, anstreben sollte?
Voll. Auf dem Album sind es immer nur Liebe und Tod. Tod ist so das andere was ziemlich oft vorkommt. Ob bei „Harry Haller“ oder bei so „M.I.D.A.$„-Lines oder „Unter Nelken„. Es kommt immer wieder dieses sich abknallen vor. Ich wollte das gar nicht. Aber ist mir irgendwann aufgefallen, dass das so ein immer wiederkehrendes Muster ist. Auch mit den Totenköpfen und den Grabsteinen im Muster vom Albumcover. Entweder stirbst du oder du liebst. Man muss ja irgendwas mit seiner Zeit anfangen. Ich glaube man muss sich selber einen Sinn suchen. Und ich denke das ist ein sehr naheliegender Sinn. Weil’s ne sehr schöne Sache ist.
Den Tod hast du ja gerade angesprochen. Dieses Thema hast du ja öfter auf deinem Album. Du hast auch einen sehr depressiven Song auf dem Album.
Ja. „Harry Haller„.
Selbst hattest du auch damit zu tun. Aber hast es zur Besserung geschafft?
Prinzipiell das Ding ist: Das geht glaub ich nie richtig weg. Man kann es halt in den Griff kriegen. Nen bisschen Mucke machen, nen bisschen Sport. Das sind Sachen die da auf jeden Fall dabei helfen. Aber wenn ich ne Woche im Bett liege und gar nichts mache, dann merke ich auch, dass das krass wieder reinkickt. Ich habe mal, in der Winston-Churchill-Biografie kam das. Er hat mal über seinen schwarzen Hund, seinen black dog, der ihm immer folgt, geredet. Und das ist so man muss den Hund halt an die Leine nehmen. Sonst pisst er auf den Teppich ( er lacht).
In „MK Ultra“ hast du den Rektor angesprochen. In „Unter Nelken“ die Lehrerin. Schulsystem.
Habe ich gehasst. Komplett gehasst immer. Ich habe irgendwann das Glück gehabt. Meine Mutter ist Arzthelferin gewesen. Ich habe meiner Mutter halt gesagt ich brauch nicht lernen. Dann gab meine Mutter mir so einen Attestblock weil ich relativ früh eine Attestpflicht bekommen habe. Und so lange meine Noten stimmen durfte ich auch wirklich so Zuhause bleiben. Und ich habe auch wirklich so 200 Fehlstunden aus’m Halbjahr gehabt. Also ich bin eigentlich gar nicht mehr zu Schule gegangen. Ich habe es richtig gehasst. Ich finde das macht Kinder kaputt. Ich habe eine super Philosophie Lehrerin gehabt. Das war das einzige Fach wo ich gerne hingegangen bin. Aber Schule an sich ist nicht so meins.
Aber was würdest du sagen sollte man am Schulsystem ändern, so, dass es besser wird?
Das Problem ist halt: Bloß weil es bei mir nicht geklappt hat ist halt die eine Sache. Bei anderen klappt es ja. Ich glaube einfach dass es daran liegt, dass die Klassen zu groß sind. Das ist wahrscheinlich das. Das würde es viel einfacher machen. Und ich glaube einfach auch, dass es super viele unmotivierte Lehrer gibt. Ich bin ja mit den Leuten zur Schule gegangen, die selber nur Lehrer werden weil’s ein chilliger Job ist. Ich glaube viele Lehrer sind krass unterqualifiziert. Gerade so Deutschlehrer. Das habe ich selber mehrfach in der Schule gemerkt, dass die selber glaub ich nicht so den Zugang zu der Literatur oder Sprache haben. Oder Geschichtslehrer oder so. Da gibt es viele die das nur als Zweck machen. Und ein Lehrer kann gar nichts unterrichten für das er sich gar nicht begeistern kann.
Da könnte man auch gleich die Brücke schlagen. Weil du Deutschlehrer angesprochen hast. Ich finde man könnte auch dieses veraltete Schulsystem ein bisschen auflockern wenn man nicht nur Gedichte sondern auch mal Rap-Texte zum Analysieren hernehmen würde.
Ich finde das größte Problem ist, dass man immer nur analysiert. Man hat Kunstunterricht und malt das Bild. In Musik macht man halt Musik so weit es geht. Aber in der Schule hat man kein kreatives Schreiben. Man lernt das ganze Schulsystem über Texte zu analysieren, aber nie welche zu schreiben. Das ist zum Beispiel im amerikanischen Schulsystem ganz anders. Es gibt in Deutschland vielleicht auch drei Unis wo man kreatives Schreiben studieren kann. Und an einer vielleicht gut. Das ist halt lächerlich wenn man sich so als Land der Dichter und Denker aufführt und das halt null fördert bei seiner Jugend. Aber klar Rap-Texte. Aber noch besser wäre es wenn man selber Rap-Texte schreibt und nicht nur analysiert.
Ich hätte noch eine Frage. Dann kommen wir nämlich auch nochmal zu meinem Lieblingslied „Unter Nelken„. „Von meinen Freunden ist keiner käuflich“ ist eine Line die auch immer wieder in dem Song vorkommt. Wie ist es trotzdem seit dem du im Musikbusiness bist? Ist es schwerer geworden? Kommen jetzt mehr Leute die sich einklinken wollen, weil sie sehen dass du Erfolg hast?
Joa ich weiß nicht ob die alle falsch sind. Aber man lernt mehr Leute kennen, die wahrscheinlich morgen nicht mehr da wären, wenn’s komplett in die Hose gehen würde. Man lernt einfach mehr Leute kennen. Und das ist auch völlig okay, dass man eben auch Leute kennen lernt die Geld verdienen wollen. Das ist ja überhaupt kein Problem. Nur so Leute wie die Jungs, Dienst und Schultern, den Jungs mit denen ich unterwegs bin, oder auch Jörn mit dem ich das Cover gemacht habe. Da weiß ich halt, wenn alles scheiße läuft, wenn das nächste Album floppt, wenn ich da viel Geld in den Sand setze, wenn ich das selber investiere, dann würden die mir auch nochmal helfen wenn ich nichts mehr hätte um aus der Scheiße zu kommen. Und da sind auch viele Leute die wären nicht mehr da wenn sie kein Geld verdienen.
Du sagst mehr kennenlernen. Gibt es jemanden den du noch gerne kennen lernen würdest? Wo du glaubst, dass es vielleicht auch möglich wäre.
Möglich ist immer so.
Du kannst auch beides sagen.
Der einzige deutsche Musiker wo ich glaube, dass das so komplett außerhalb der Sphäre ist dass das möglich wäre, wo aber eine Restchance besteht: Ich würde gerne mal Til Lindemann kennelernen. Aber ich befürchte dass das voll das Arschloch ist (Alle lachen). Aber ich könnte damit leben wenn es ein Arschloch ist, weil der Typ ist so ein Riesensuperstar. Und ich hab Bela B getroffen als wir auf’m Festival gespielt haben. Das war richtig cool. Er hat gefragt wie er uns ansagen soll und ich meinte so: Sag was du willst, aber sag bitte nur meinen Namen. So richtig groupiemäßig. „Sag was du willst, aber bitte sag meinen Namen“ (er mit verstellter Stimme) (alle lachen). Weil ich nen riesen Ärzte Fan bin. Aber Til Lindemann wäre krass. Casper habe ich auch kennengelernt. Ist auch superkrass.
Das Interview führte Nico Hilscher
Tourdaten, weiterführende Informationen über den Künstler sowie das aktuelle Album „Avrakadvra“, findet ihr auf der Facebookseite von „Goldroger„.