Große Themen, moralische Dilemma und offene Enden – Seth MacFarlane gibt sich als frischgebackener Raumschiff-captain unerwartet ernsthaft. Der Family Guy-Schöpfer macht schnell klar, dass die Welt von The Orville keinen Platz für seinen üblichen Nonsens-Humor hat. Das mag manchen Fan ärgern – der Serie tut es aber sehr gut und macht The Orville zum Sci-Fi-Geheimtipp des Jahres.
Nach einem Jahr voller Rückschläge und einer dramatischen Scheidung geht es für Ed Mercer (Seth MacFarlane) endlich hoch hinaus: der draufgängerische Captain bekommt sein eigenes Raumschiff. Die Orville ist zwar eines der kleineren Modelle, dafür hat sie eine bunt zusammengewürfelte Besatzung aus Menschen und diversen außerirdischen Lebensformen – und eine große Mission. Mercer und seine Crew sollen Kolonieplaneten beschützten, die Weiten des Alls erkunden und den Frieden in der Galaxis sichern. Dabei muss sich der Captain nicht nur mit kriegerischen Aliens und Zeitreisenden herumschlagen sondern auch mit seinen Vorgesetzten, die ihm als Ersten Offizier ausgerechnet seine Ex-Frau Kelly Grayson (Adrianne Palicki) vor die Nase setzen.
Trailer als Mogelpackung
Nachdem MacFarlane schon in seinem letzten Kinofilm – mehr schlecht als recht – mit philosophischen Fragen jonglierte, stürzt er sich jetzt endgültig in moralische, politische und gesellschaftliche Debatten. Allein in den ersten 6 Folgen muss die Orville-Crew interstellare Fundamentalisten bekehren, außerirdische Babys vor kulturell vorgeschriebenen Operationen retten und für die Rechte von Tieren kämpfen. Alles Themen, bei denen der übliche Family Guy-Humor nur im Weg wäre. Zum Glück entpuppt sich der überdreht-alberne erste Trailer schnell als Mogelpackung. The Orville ist weder eine generische Sitcom im Weltraum, noch eine billige Star Trek-Parodie, sondern eine eigenständige Sci-Fi-Serie mit interessanten Figuren, großen Themen und – oft genug – überraschend nüchternem Ton.
Das liegt nicht zuletzt an der sympathischen Mischung aus Charakteren, die MacFarlane an Bord seines Schiffes versammelt. Besatzungsmitglieder, die im Trailer als zweidimensionale Witzfiguren vorgestellt werden, stehen plötzlich im Mittelpunkt ihres eigenen kleinen Plots und entwickeln sich, wie nebenbei, zu komplexen Figuren. Leider braucht die Serie bei alledem ein bisschen, um ihre richtige Humor-Balance zu finden. Besonders die ersten beiden Folgen kippen deutlich zu weit in Richtung belanglos-albern. Nach und nach entwickelt sich aber eine Erzähldynamik in der Humor und große Themen ihren Platz finden – und sogar das gelegentliche tragische Ende. In MacFarlanes bunter Weltraum-Welt gibt es nicht immer eine einfache Antwort. Ein weiterer Beweis, wie weit er sich seit seinen letzten Kino-Abenteuern weiterentwickelt hat.
Kanonenfutter mit Hintergrundgeschichte
Noch spannender sind aber die gelegentlichen offenen Enden, die es dem Zuschauer überlassen zu beurteilen, ob die Crew ihr Ziel erreicht hat oder darüber hinausgeschossen ist. MacFarlane zeichnet ein Universum der Grautöne, in dem es schwerfällt, echte Schurken zu finden. Sogar die immer wieder als Kanonenfutter eingesetzte Krieger-Spezies, der Krill, bekommt eine nachvollziehbare Hintergrundgeschichte und ein paar Sympathieträger spendiert. Viele der außerirdischen Völker, auf die die Orville auf ihren Reisen trifft, wirken nur allzu menschlich – was auch an den sparsamen Masken liegen könnte. Wie in der Originalserie reichen hier ein paar Kleckse Farbe oder spitze Ohren, um Menschen zu Aliens zu machen. Das ist nicht besonders kreativ funktioniert aber in der TV-Optik der Serie ohne Probleme und macht es leichter, die hin und wieder eingestreuten Gaststars zu erkennen. Gerüchten zufolge könnte sogar Patrick Stewart demnächst an Bord der Orville vorbeischauen.
Trotz aller Eigenständigkeit lassen sich die Verknüpfungen zu Star Trek so doch nicht ganz leugnen. Kein Wunder, immerhin ist MacFarlane ein großer Fan der Reihe und hatte auch bereits mehrere Gastauftritte auf der Enterprise. Während sich die aktuellen Star Trek-Inkarnationen in Film und Fernsehen immer mehr Richtung martialisches Effektfeuerwerk entwickeln, scheint ausgerechnet The Orville den Geist des Originals am besten einzufangen: Egal was die Zukunft bringt, die großen Fragen bleiben die gleichen. Und manchmal gibt es keine richtigen Antworten.
Simon Lukas