Der Clown aus dem Kanal

Bild: Warner Bros.

Schluss mit lustig: Pennywise (Bill Skarsgård)
Bild: Warner Bros.

Vor 30 Jahren lieferte Stephen King mit Es einen Meilenstein der Horror-Literatur. Regisseur Andy Muschietti stand vor der Aufgabe den 1500-seitigen Monster-Roman auf zwei Kinofilme herunterzukürzen – und schnitt ausgerechnet die komplexen Charaktere heraus. Übrig bleibt ein durchschnittlicher Horror-Schocker mit guten Effekten und deutlich zu vielen Figuren.

In der verschlafenen Kleinstadt Derry scheint die Welt noch in Ordnung. Die Kinder Bill (Jaeden Lieberher), Mike (Chosen Jacobs), Beverly (Sophia Lillis), Ben (Jeremy Ray Taylor), Richie (Finn Wolfhard), Eddie (Wyatt Oleff) und Stan (Jack Grazer) bereiten sich auf die Sommerferien vor und müssen nebenbei mit ihren Alltagsproblemen fertig werden. Als Bills kleiner Bruder spurlos verschwindet, machen sich die Freunde auf die Suche – und stoßen auf ein großes Geheimnis. Der unsterbliche Clown Pennywise (Bill Skarsgård) sucht ihre Stadt alle 27 Jahre heim, um Chaos zu stiften und Kinder zu verschleppen. Auch die Freunde bekommen es bald mit der mysteriösen Kreatur zu tun, die jedem in Form seiner schlimmsten Angst erscheint. Können sie es schaffen Pennywise aufzuhalten bevor der Killerclown wieder für Jahrzehnte verschwindet?

Zu viele Kinder, zu wenig Zeit

Die ersten Szenen machen tatsächlich Hoffnung auf ein atmosphärisches Gruselabenteuer. Das Monster lockt Bills kleinen Bruder in die Kanalisation und zerrt ihn in sein geheimnisvolles unterirdisches Reich. Skarsgård braucht hier nur wenige Minuten und düsteres Make-Up um seinen Pennywise zu einem faszinierenden Ungeheuer zu machen. Die Probleme fangen an, sobald der Film unsere Protagonisten vorstellt – sieben Hauptfiguren sind einfach zu viel. Konnte sich das Buch ein paar hundert Seiten Zeit lassen, die komplexen Beziehungen zwischen den Kindern nachzuzeichnen, muss der Film alle paar Minuten zwischen ihnen hin- und herspringen und eine tragische Hintergrundgeschichte nach der anderen abklappern. Trotzdem bleiben am Ende höchstens drei tatsächlich ausgereifte Charaktere, während besonders Jacobs und Oleff mehr wie Quoten-Minderheiten wirken, die gelegentlich eine Dialogzeile bekommen und nicht viel zur Handlung beitragen dürfen.

Dabei wäre es kein Problem gewesen, ein paar Kinder zusammenzulegen. Statt sieben leicht abgewandelte tragische Außenseiter-Geschichten zu erzählen, hätte man besser mehr Zeit in die Kennenlern-Phase gesteckt – immerhin ein Hauptteil des Buches. So bleibt nur ein gemeinsamer Badetag, bevor sich die Kinder ewige Freundschaft schwören und gemeinsam auf Monsterjagd gehen. Dabei machen alle Jungschauspieler das beste aus ihren wenigen Dialogen und sorgen für einige eindrucksvolle Szenen, interessanterweise besonders bevor sie dem Ungeheuer aus der Kanalisation begegnen. Denn – hier bleibt der Film dem Original treu – die schlimmsten Monster sind manchmal nicht magische Killerclowns, sondern grausame Eltern und brutale Mitschüler.

Ein neues Monster hinter jeder Ecke

Bild: Warner Bros.

Die Freunde interessieren sich für Derrys Wasserversorgungssystem Bild: Warner Bros.

Nachdem Muschietti uns den Monsterclown bereits in der ersten Szene in seiner ganzen Pracht gezeigt hat, baut er für den Rest des Films stark auf Pennywises Gestaltwandler-Fähigkeit. Leider funktioniert auch dieser Gimmick nicht mehr so gut wenn Es vom gestaltlosen Schrecken zwischen zwei Buchdeckeln zum Film-Bösewicht wird. Solange Skarsgård unter der Schminke steckt tut er sein bestes, um die Figur interessant zu machen, sobald das Monster in eine seiner zahlreichen Gruselgestalten schlüpft, wird der Film zum beliebigen Schocker, in dem hinter jeder Ecke ein neues Ungeheuer lauert.

Dafür dass wir so viel vom Monster zu sehen bekommen, geben sich Regisseur und Drehbuch leider auch wenig Mühe seine Motive und Ziele nachvollziehbar zu erklären. Mal ernährt es sich von Angst und lässt unsere Helden deswegen praktischerweise am Leben, dann jagt es eine Fabrik in die Luft um Dutzende Kinder effektiv aber relativ angstfrei ins Jenseits zu befördern und schließlich hilft es einem jugendlichen Schläger sogar dabei seine größte Angst zu beseitigen. Wenn wir das Ungeheuer in zwei Jahren wiedersehen, werden in den Filmwelt die obligatorischen 27 Jahre vergangen sein. Hoffen wir, dass es sich bis dahin etwas nachvollziehbarere Motive zulegt. Und vielleicht ein paar der Kinder aus dem Weg räumt.

Simon Lukas

Es läuft aktuell im Cinecitta‘ in Nürnberg.

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