Räuber mit Rollator

http://www.reflexmagazin.de/wp-content/uploads/2017/06/Räuber-mit-Rollator-morgan-freeman-und-michael-caine

Joe (Michael Caine, links) und Willie (Morgan Freeman) auf der Flucht Bild: Warner Bros.

In Abgang mit Stil stehen drei Rentner vor dem finanziellen Ruin und sehen sich zu einem extremen Schritt gezwungen. – Um wieder an Geld zu kommen, wollen sie eine Bank ausrauben. Das klingt entweder nach einem sozialkritischen Altersarmut-Drama oder nach einer durchgedrehten Senioren-Komödie. Regisseur Zach Braff versucht beides gleichzeitig. Keine gute Idee.

Rentner Joe (Michael Caine) erfährt gerade, dass sich seine mühsam zusammengetragenen Ersparnisse in Luft aufgelöst haben, da wird er Zeuge eines Banküberfalls. Drei Maskierte stürmen das Gebäude und entkommen mit mehreren Millionen Dollar. Als wenig später seine Rente gestrichen wird und der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht, um sein Haus zu pfänden, beschließt Joe selbst ins offenbar so lukrative Bankräubergeschäft einzusteigen. Zusammen mit seinen Freunden Willie (Morgan Freeman) und Albert (Alan Arkin) macht er den Gangster Jesus (John Ortiz) ausfindig, der die Senioren langsam in die Welt der Kriminalität einführt. Nach einem Übungsdurchgang im örtlichen Supermarkt stürmen die drei so tatsächlich mit Schreckschusspistolen bewaffnet ihre Bank. Doch mitten im Überfallen erleidet Willie einen Schwächeanfall – genug Zeit für einen der Angestellten den Alarm auszulösen.

Mal Komödie, mal Tragödie

Dem Original von 1979 gelang der Spagat zwischen Drama und Komödie nahezu perfekt. Leider findet Scrubs-Regisseur Zach Braff in seiner Neuauflage nie zu einem einheitlichen Stil. So wirkt sein Film mal wie ein witziges Ganovenfilmchen mit augenzwinkernd-sozialkritischem Hintergrundrauschen, dann wieder wie ein eiskalte Tragödie mit kleiner Bankraubeinlage. So wird zum Beispiel Willies Nierenkrankheit erst in einer dramatischen Szene eingeführt, dann fallen gelassen und schließlich auf den letzten Metern schnell geheilt. Damit gerät auch das so ambivalente Ende des Origninalfilms zu einem mainstream-tauglichen Happy End-Mittelmaß.

Diese Unentschlossenheit führt dabei zu einer ziemlich seltsamen Zeiteinteilung des Films. So vergeht eine geschlagene halbe Stunde bis das erste Mal die Idee eines Bankraubs im Raum steht. In dieser Zeit häuft das Drehbuch eine Menge dramatische Nebenplots an, die für eine ganze Reihe Dramen gereicht hätte. Die drei Rentner müssen sich durch ein Meer aus Nebenfiguren kämpfen, einen entfremdeten Vater bekehren, eine einsame Supermarktmitarbeiterin trösten und sich mit einem Dealer herumschlagen, bis sie mit Jesus schließlich auf ihren vierten Mann treffen. Ab dann geht plötzlich alles ganz schnell und eine kurze Trainings-Montage später stehen sie schon maskiert und bewaffnet in der Bank.

Gymnastikübungen zu Spannungsmusik

J plant den Bankraub

Jesus (John Ortiz, Mitte) plant den Bankraub
Bild: Warner Bros.

Das ist umso tragischer, weil der Film ausgerechnet als Rentner-Heist-Movie am besten funktioniert. Wenn die drei sich eine Verfolgungsjagd mit einer Ladendetektivin liefern oder zu treibender Spannungsmusik ihre Gymnastikübungen machen, braucht es die ganzen tragischen Hintergrundgeschichten nicht, um mit den Möchtegern-Bankräubern mitzufiebern. Besonders Caine und Freeman zeigen hier auch immer wieder ihr komisches Talent. – Jedenfalls mehr als in den Dialogszenen, die irgendwie alle verdächtig nach Clint Eastwoods zynischem Gran Torino-Rentner klingen.

Über all das könnte man hinwegsehen, wenn der Film in seinen dramatischeren Momenten eine echte politische Aussage hätte und sich zum Beispiel an einem realen Fall abarbeiten würde. Doch Braff verliert sich hier in allzu bekannten Klischees. Feiste Banker verzocken das Geld der ahnungslosen Senioren und ein besonders schmieriger Firmensprecher verkündet, dass die Rentenzahlungen wegen einer Umstrukturierung – Globalisierung und so – vorerst eingestellt sind. Die Rentner bleiben heroische Robin Hoods, die sogar gelegentlich pathetisch in die Kamera schauen und sich mit gerechtem Zorn und ohne zu viele Details über die Zustände aufzuregen. Hier wurde eine echte Chance verspielt, die 1979er-Geschichte in die Gegenwart zu holen.

Simon Lukas

Abgang mit Stil läuft aktuell im Cinecitta‘ in Nürnberg.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.