In American Gods haben Götter, Geister und Dämonen nichts zu lachen – keiner glaubt mehr an sie. Ihren Platz haben neue Idole wie Geld, Medien und Technik eingenommen. Doch die alten Götter planen den Gegenschlag. Die TV-Adaption bleibt dem verschroben-britischen Humor von Comic-Legende Neil Gaiman treu – und ist schon nach drei Folgen eine der spektakulärsten Serien des Jahres.
Den ersten Tag in Freiheit hatte sich Shadow Moon (Ricky Whittle) eigentlich anders vorgestellt. Kaum aus dem Gefängnis entlassen, muss sich der Kleinkriminelle auf den Weg zur Beerdigung seiner Freundin Laura (Emily Browning) machen, die vor wenigen Tagen bei einem Autounfall gestorben ist. Unterwegs trifft er auf den undurchsichtigen Mr. Wednesday (Ian McShane), der ihn als Fahrer für eine geheime Mission anheuert. Der unscheinbare ältere Herr plant eine Reise quer durch die Vereinigten Staaten, um mächtige Verbündete für einen bevorstehenden Krieg anzuheuern. Zusammen wollen sie die Menschheit an ihre religiösen Wurzeln erinnern und dem modernen Götzendienst der Smartphones und Aktienkurse ein Ende setzen. Als Moon klar wird, wen genau er da durchs Land chauffiert, steckt er schon mitten in einer übernatürlichen Schlacht.
Highway to Hel
Regisseure David Slade und Adam Kane bleiben Neil Gaimans gefeierter Romanvorlage treu und halten sich mit übernatürlichen Elementen zunächst zurück. Das Göttliche schwappt in Form von Träumen und Taschenspielertricks in den amerikanischen Alltag. Stattdessen investieren sie ihre Zeit unserem Protagonisten das Leben schwer zu machen und tragen hier vielleicht sogar eine Spur zu dick auf. So verliert der arme Moon nicht nur seine Freundin, sondern findet gleich noch heraus, dass sie ihn betrogen hat und rutscht so von einem Nervenzusammenbruch in den nächsten. Hoffentlich findet er im Verlauf der Staffel wieder mehr zu sich – denn ihm entgeht so einiges auf seiner merkwürdigen Reise.
Aber auch als Zuschauer muss man oft zweimal hinschauen – und manchmal einfach bei Wikipedia nachschlagen – um zu durchschauen, wen uns die Serie gerade vorstellt. Die Autoren widerstehen der Versuchung, sich auf die altbekannten Gottheiten der nordischen, griechischen und ägyptischen Mythologie zu beschränken, die man sowieso viel zu oft im Kino sieht. Stattdessen bevölkern sie ihre Welt mit einer kruden Mischung aus unbekannten Gottheiten aus allen Ecken der Welt ohne große Hintergrundinformationen mitzuliefern. Wer alle Anspielungen verstehen will, hat also ein paar Hausaufgaben vor sich.
Ungezähmte Götter
Dafür eröffnen die unbekannten Figuren erzählerisch einige Möglichkeiten. – Die auf den ersten Blick so offensichtliche Einteilung in gute alte und böse neue Götter wird schon in der ersten Szene untergraben, wenn unser sympathischer Mr. Wednesday erstmal ein paar Menschenopfer fordert. Und auch im weiteren Verlauf der Reise kann man sich nie sicher sein, welchem Gott man gerade vertrauen kann. Orlando Jones, der den afrikanischen Spinnen-Geist Anansi spielt, bringt diese moralischen Grautöne treffend auf den Punkt: „Anansi ist ein Gott. Die Ansichten von Sterblichen interessieren ihn nicht.“
Tatsächlich zeigen sich die amerikanischen Götter – besonders im Vergleich zu ihren familienfreundlichen Pendants im Disney-Marvel-Universum – erfrischend ungezügelt. Damit ist die Serie dann auch nichts für allzu Zartbesaitete. Gelegentliche Massaker und rauschende Exzesse gehören dazu, wenn alte Gottheiten in den Krieg ziehen. Besonders dem armen Moon geht es dabei immer wieder an den Kragen. Trotzdem stehen die Zeichen gut, dass er noch eine Weile durchhält. Gerade wurde eine zweite Staffel für nächstes Jahr angekündigt. Gott sei Dank.
Simon Lukas
Alle bisherigen Folgen von American Gods gibt es online auf Amazone Prime.