Mit Arrival wagt sich Denis Villeneuve an den Heiligen Gral des Science-Fiction-Kino: Einen realistischen Alien-Film ohne Explosionen und albernen Pathos. Das geht erstaunlich lange gut. Bis der Regisseur noch ein bisschen cleverer sein will – und sein vielversprechendes Setting für einen billigen Twist verschenkt.
Das geordnete Leben der Sprachwissenschaftlerin Louise Banks (Amy Adams) gerät aus den Fugen als überraschend zwölf Raumschiffe auf der Erde landen. Im Auftrag der US-Regierung soll die Wissenschaftlerin helfen, Kontakt zu den außerirdischen Besuchern herzustellen. Sind sie in friedlicher Absicht unterwegs oder Vorboten einer Invasion? Zusammen mit dem Physiker Ian Donnelly (Jeremy Renner) versucht Banks die seltsame Sprache der fremdartigen, krakenähnlichen Aliens zu entschlüsseln und wird dabei immer wieder von geheimnisvollen Visionen heimgesucht. Währenddessen spitzt sich die internationale Lage zu, besonders China drängt auf einen militärischen Erstschlag gegen die technisch offenbar weit überlegenen Außerirdischen. Schließlich gelingt es Banks die Alien-Sprache zu transkribieren – doch ihre erste Übersetzung stiftet nur noch mehr Chaos.
Verständigung statt Effektfeuerwerk
Denis Villeneuve inszeniert Arrival von Anfang an als realistischen Gegenentwurf zum Alien-Film-Mainstream. Statt schießwütigen Militärs stellt er nüchterne Wissenschaftler ins Zentrum, statt bombastischen Verteidigungsstrategien sucht er die Verständigung mit den außerirdischen Besuchern. Nachdem Amy Adams noch 2013 hilflos mit ansehen musste wie ein Alien nach kurzer Eingewöhnungszeit eine CGI-Metropolen in Schutt und Asche legt, ist das eine willkommene Abwechslung. Im Vergleich mit solchen ausufernden Materialschlachten scheint Arrival erfrischend fest in der echten Welt verankert. Dabei tragen Adams und Renner mit ihrer Mischung aus akademischer Faszination und ehrlicher Neugier zur fesselnden Atmosphäre der ersten Hälfte bei.
Auch die originellen Designentscheidungen setzen den Film positiv von der Masse der konventionellen Science-Fiction-Actionstreifen ab. Die majestätisch in der Landschaft schwebenden Raumschiffe erinnern an die geheimnisvolle Eleganz der Monolithen aus Kubricks Weltraum-Odyssee. Und die Außerirdischen sehen mit ihren Fangarmen und körpereigener Tinte mehr wie Tiefsee-Bewohner aus als die oft so humanoid zusammengewürfelten Aliens aus anderen Filmuniversen. Entsprechend realistisch wirken die Versuche, sich mit der fremden Intelligenz zu verständigen. Statt billiger Abkürzungen wie Telepathie muss Banks die Alien-Sprache im Verlauf von Wochen Wort für Wort zusammensetzen.
Billiger Twist und Zeitreise-Mist
Trotz diesem großen Handlungszeitraum wird der Ursprung des Films als Kurzgeschichte immer wieder überdeutlich. Die große Botschaft – Wissenschaft gut, Militär böse – wird so simpel präsentiert, dass man sie schon nach zehn Minuten verstanden hat. Mit Tzi Ma als chinesischem General Shang wird dann auch noch ein Antagonist aus dem Hut gezaubert, der vorher nichts mit unseren Protagonisten zu tun hatte. Hier wurde die Chance auf einen internen Konflikt zwischen den Wissenschaftlern verspielt. Besonders Renner bleibt so bis zuletzt ein notwendiges Anhängsel und kann kaum eigene Akzente setzen.
Über all diese Punkte könnte man hinwegsehen – aber der Schluss ruiniert die Geschichte endgültig. Villeneuve verlässt ohne jede Not den Boden des sorgfältig etablierten Realismus und präsentiert eine haarsträubende Wendung, die vielleicht in die Kurzgeschichte passt, aber nicht ins Finale eines Zwei-Stunden-Films. Nicht nur macht das neue Element für sich genommen keinen Sinn, egal wie oft Adams ihr „Sprache schafft Wirklichkeit“-Mantra wiederholt, und stürzt Arrival auf der Zielgeraden in eines der übelsten Zeitreise-Paradoxe der letzten Jahre. – Plötzlich sind auch die so eindrucksvollen Verständigungsversuche zwischen Mensch und Alien absolut sinnlos: Die Außerirdischen können grundsätzlich nichts Neues lernen und müssten der Logik des Films folgend schon bei ihrer Ankunft perfekt Englisch sprechen. Soviel zum Thema Science-Fiction-Klischees.
Simon Lukas
Arrival läuft aktuell im Cinecitta‘ in Nürnberg.