Die Familie – personifizierte Vielfalt

Programmheft - FAMILY VALUES Copyright Studiobühne Erlangen e.V.

Programmheft – FAMILY VALUES Copyright Studiobühne Erlangen e.V.

Die (Kern-)Familie besteht aus drei festen Komponenten: Vater, Mutter und Kind! Echt jetzt? Ist das Konzept Familie wirklich so statisch und festgefahren?
Die Antwort darauf lautet erfreulicherweise: NEIN!
Warum das so ist, zeigte das bunte Stück FAMILY VALUES unter der Regie von Anne Hoffmann und Michael Hörner, das unter anderem am Freitag den 04.11.2016 im Kunstpalais Erlangen zu sehen war.

 

 

 

 

Zu Beginn der Aufführung traten alle Akteure und Akteurinnen des Stücks vor die Videoleinwand auf der Bühne und zitierten jeweils einen Satz, scheinbar völlig ohne Zusammenhang. Was zunächst etwas befremdlich wirkte, machte im Verlauf des Stücks umso mehr Sinn, da man die Aussagen wiedererkannte und sie somit zuordnen konnte. Sie standen nicht mehr einfach so im Raum. Diesen Part – also das Herumhängen bzw. -stehen – übernahmen dafür Federn, welche während des gesamten Stücks immer wieder auf das Publikum herabrieselten. Dafür sorgte Tina Stark auf der Balustrade des Kunstpalais.

Was während der Aufführung erfolgte, war eine gelungene Mischung aus Akteuren, die auf der Bühne spielten, und Akteuren, die nur in Videobeiträgen auf der Leinwand erschienen. Dazwischen diente die Leinwand auch zur visuellen / akustischen Untermalung der Bühnendarbietungen. Das Stück zeigte mit seinen Beiträgen eindrucksvoll, wie vielfältig und bunt das Konzept „Familie“ sein kann.

Da wäre zum Beispiel Jesse, der erfolglose Musiker, gespielt von Emma Maier, der mit seinen zwei besten Freunden Danny und Joey zusammenwohnt. Dabei kümmert auch er sich irgendwie um die Kinder seines Kumpels Danny, der seit dem Unfalltod seiner Frau zurechtkommen muss, obwohl er auch einfach mal wieder so unbeschwert sein will wie früher. Wer sich hier irgendwie an die Serie Full House erinnert fühlte hatte natürlich Recht, was aber nichts an der Tatsache ändert, dass Freunde auch Familie sein können.

Dass Familie aber auch ganz anders sein kann, zeigte der Bühnenauftritt von Ed Gein, gespielt von Linda Petersen. Im Verlauf des Monologs eines ganz offensichtlich stark gestörten Menschen wird klar, wie sehr die Eltern (in diesem Fall die religiös-fanatische Mutter und der alkoholkranke Vater) ein Kind prägen können. Denn mal ehrlich, als Kind ist das Wort der Eltern Gesetz, welches weder in Frage gestellt noch sonst wie angezweifelt wird. Wenn dieses „Gesetz“ dann auch noch sehr stark verdreht ist, kann das, wie man hier erfuhr, verheerende Folgen haben: Vatermord, Brudermord, Leichenschändung etc.
Gerade bei dieser geistig und auch körperlich anstrengenden Darbietung (angespannte Sitzhaltung und ständiges Fingerknibbeln, das vom bloßen Hinsehen schon wehtut), zeigte sich die Professionalität der Darstellerin; denn sie geriet nicht einmal ins Stocken, als irgendwo im Publikum plötzlich ein Handy losschrillte und es etwas dauerte, bis es wieder ruhig war.

Doch es geht auch positiver: Hingebungsvoll und mit ganz viel Liebe. So erzählt uns eine alleinerziehende Mutter, gespielt von Sylvia Krüger, ihre Geschichte. Von ihrer alten und ihrer neuen Familie. Besagte Geschichte klingt eigentlich nach einer fast unendlichen Aneinanderreihung von Katastrophen, die einen denken lassen könnten, dass dabei nichts Gutes mehr herauskommen kann; doch weit gefehlt! Trotz fehlender Wertschätzung der eigenen Eltern, sowohl in der Kindheit als auch in der Gegenwart, trotz zwei gescheiterter Ehen und eines geistig und körperlich eingeschränkten Kindes, gibt diese Frau alles und vor allem nie auf. Sie liebt ihre neue Familie, die nur aus ihr und ihren Kindern besteht, über alles und lässt sich durch nichts mehr beirren.

Und auch DAS kann Familie sein

Nicht beirren ließ sich auch die nächste Darstellerin, Anne Hoffmann. Ihr Beitrag beschäftigte sich mit der Polyamorie und war eine Mischung aus gelesenem Monolog und Bühnendarstellung. Während die Zuschauer die Geschichte einer polyamorösen Beziehung hörten, konnten sie auf der Bühne die Darstellende bei ihrem morgendlichen Tagesablauf, vom Aufstehen bis zum Weg zur Arbeit, beobachten. Also alles ganz „normal“ trotz mehrerer Partner. Bevor sie dann das Haus bzw. die Bühne verließ, packte sie noch drei Herzen, die während des Beitrags von der Balustrade herabgelassen worden waren in ihre Tasche und küsste das vierte, welches vermutlich den aktuellen Partner darstellte.

Neben diesen Bühnenbeiträgen gab es natürlich auch noch die Videobeiträge.
Dort wurde zum Beispiel über die Repressalien für homosexuelle Paare bei der Adoption gesprochen. Dabei schilderte eine Mutter, es gab nämlich eine weitere, wenn auch nicht leibliche, gespielt von Anna Beinvogel, wie surreal und vor allem diskriminierend die ganze Angelegenheit ist; dass die gestellten Fragen der Sozialarbeiterin mehr als nur verletzend sind und in diesem Bereich der Gesellschaft dringend Aufklärung Not tut.

Des Weiteren wurden durch die gesamte Darbietung hindurch immer wieder Beiträge / Interviews von Mitgliedern einer Petchwork (ja, wird hier wirklich mit e und nicht a geschrieben) Familie gezeigt. Wobei man sich erst daran gewöhnen musste, dass eine offensichtlich ältere Dame die Rolle eines Teenagers übernommen hatte. Andererseits ist es auch wieder nicht wirklich ungewöhnlich, da im Stück FAMILY VALUES jeder von jedem dargestellt werden kann.

Da verwunderte es auch nicht mehr weiter, dass in einem weiteren Videobeitrag ein Gespräch zwischen Mr. B., gespielt von Stefanie Voss, und seinem Psychologen stattfand, in dem er sich mit reichlich Alkohol über seine „Familie“ echauffierte. Ab einem gewissen Punkt dürften Serienkenner erkannt haben, dass es sich bei Mr. B. nicht um einem Menschen sondern einen Hund handelt. Genauer gesagt um den Hund Brian aus Family Guy. Tiere sind schließlich für die meisten von uns ebenfalls Familienmitglieder.

Und so endete das Stück dann noch mit einer kleinen Gesprächsrunde auf der Bühne, bei der David Becker und Michael Hörner, die zwei Mitglieder der bereits erwähnten Petchwork Familie darstellten, Interviewfragen zum Thema Familie beantworteten, welche auf der Leinwand hinter ihnen auf Tafeln geschrieben standen und ihnen vorgelesen wurden. Aufgrund der Gestik und Mimik der Darsteller, wirkte das Interview ein bisschen wie eine Mischung aus Dingsda und dem literarischen Quartett (in seiner ursprünglichen Besetzung), was es aber sehr unterhaltsam machte und im Publikum immer wieder für Lacher sorgte.

Alles in allem ein Stück, das den Zuschauer zum Nachdenken brachte: Kann eine Familie wirklich nur aus Vater, Mutter, Kind bestehen, oder gibt es nicht noch weitere Konstellationen, die genauso funktionieren und vielleicht manchmal sogar noch besser?! Es gibt eben nicht nur die Eine. Freuen wir uns also über die Vielfalt!

Carmen Käuflin

2 Gedanken zu „Die Familie – personifizierte Vielfalt

  1. Sehe ich das richtig, dass in dem Stück alle „klassischen“ Vater-Mutter-Kind-Familien Negativbeispiele sind (entweder fehlende Wertschätzung der Kinder, Gehirnwäsche oder gleich FG), während die Alternativmodelle alle problemlos-wunderbar funktionieren? Das klingt auch bisschen sehr verallgemeinernd.

    • Hallo Zeitumkehrer. Nein, dass soll es nicht heißen! Es bedeutet lediglich, dass ich darüber berichtet habe welche Modelle in dem Stück behandelt wurden. Jedes Familienmodell hat seine positiven und negativen Seiten, ob jetzt klassisch oder derzeit noch „alternativ“.

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