Daydreamer – Episode 1: EinBlick in die Zukunft

Park in Erlangen

Foto: Sam Sniper.

Wir betrachten unser Gegenüber: Seine Oberfläche, seine Worte und bilden uns ein, wir hätten das Recht einer Meinung. Wir wissen, was wir gesehen haben. Doch in wie weit blicken wir tatsächlich in den Kopf des Anderen hinein?

Ich beginne mein Projekt an einem wunderschönen Tag in einem winzigen Park. Rund um uns herum entspannen Leute auf Decken und genießen das sonnige Wetter. Auch wir haben es uns gemütlich gemacht und brauchen einige Minuten, um uns an die Arbeit zu machen.

Bei unserem Gespräch gilt nur eine Regel: Anonymität. Während unsere heutige Gesellschaft von visuellen Bildern überschwemmt wird, sollten wir es uns ab und zu erlauben, unsere Blicke zu erweitern. Beide Interviewparteien beginnen völlig ungezwungen das Gespräch.

Sam Sniper: In unserem Interview ist Anonymität an höchster Stelle angesetzt. Möchtest du, dass die Leser erfahren, was du studierst?

Unbekannter: Es gibt so viele Studenten, wer wird schon wissen, wer ich bin? Ich studiere Theater- und Medienwissenschaft und Philosophie als Nebenfach.

Im Daydreamer Projekt reden wir über Wunschvorstellungen, Ängste, Tagträume, Teile unserer selbst, die oft unter oberflächlichen Gesprächen verloren gehen. Welche Vorstellung möchtest du mir und der Welt mitteilen?

Ich weiß es noch ganz genau: Es war ein Tag im Laufe der EM. Eigentlich hätte ich lernen sollen. (lacht) Doch stattdessen dachte ich über die Zukunft nach. Es ist etwas, was Studenten, wie wir nur allzu gerne beiseite schieben, die Phil-Fak (Philosophische Fakultät) halt.

Das kenne ich zu gut. Eine ungewöhnliche Wendung, ich dachte wir reden über wirkliche visuelle Vorstellungen, doch schauen wir weiter. Worum geht es denn?

Es handelt vom Alltag, der einen in den stressigen Momenten einholt. Wo will ich mit dem, was ich gerade tue, hin? Werde ich damit einen Job finden? Ich habe letztens einen Artikel über eine Kunstabsolventin gelesen. Sie konnte ihre Werke in Galerien ausstellen, doch über die Runden kommt sie als alleinerziehende Mutter dennoch nicht. Sie konnte sich nicht den Wandertagsausflug ihrer Tochter leisten. Und dann sehe ich Fußballer…

Wo liegt die Verbindung zu Fußballern?

Wo liegt die Fairness im Gehalt eines Fußballers und einer Künstlerin? In der Theorie könnte man beides als sinnlos betiteln. Beide Berufe tragen streng genommen zur Unterhaltung bei. Und trotzdem, der Fußballer verdient pro EM-Spiel hunderttausende von Euro oder gar mehr. Wo bleibt hier die Fairness?

Dies scheint dich ziemlich in Rage zu bringen. Worauf will dein Gedanke hinaus?

Ich habe weitergedacht. Was wäre, wenn wir unsere Schwerpunkte im Leben verschieben würden? Das Interesse der menschlichen Gesellschaft woanders geschürt würde? Wenn zum Beispiel Gesundheit wichtiger wäre? Eine Krankenschwester mehr als ein Bänker verdienen würde? Würde etwas im Kern der menschlichen Sicht geschehen, das uns in unserer Einstellung umpolt und wir friedfertiger wären?

Du wünschst dir also eine bessere Welt. Oder wünschst du dir nur für dich eine bessere Welt, denn dein Gedankengut ist theoretisch dem Egoismus der eigenen Existenzangst zu verdanken.

Auf eine gewisse Weise beides. Auch wenn meine Zukunft ungewiss ist, möchte ich glücklich werden und zugleich über die Runden kommen. Meine Ziele sind keineswegs egoistisch. Ich kenne es aus meiner Kindheit. Wir hatten nie Geldprobleme. Doch was nützt mir ein gut bezahlter eintöniger Job, der mich nicht erfüllt?

So etwas lässt sich doch leicht dahersagen, wenn man studiert und noch nicht vollends auf eigenen Beinen steht.

Ja, das stimmt. Im Endeffekt bezahlt Bafög oder unsere Eltern unseren Lebensunterhalt. Irgendwo sitzt die Angst der Ungewissheit, doch zugleich ist sie so fern.

 

Als ich an diesem Tage den Park verließ, war mir mulmig im Bauch. Die Gedanken hatten nicht unbedingt Hand und Fuß. Schließlich debattierten wir nicht. Dennoch schienen sie der Realität näher, als ich gedacht hatte. Ich habe lange überlegt, ob ich mit solch einer kritischen Kost beginnen soll. Doch so lange suchen, bis man einen Interviewpartner hat, dessen Gedankengut einem passt, schien mir nicht der Sinn meines Projektes zu sein. Die verborgenen Seiten unseres Gegenübers aufzudecken war meine Intention und dies ist mir scheinbar gelungen, denn gerechnet hatte ich keineswegs mit solch einem Gesprächsverlauf.

Sam Sniper

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