Hast Du Angst vor…?

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Eindruck aus dem Arena-Festival 2015. Bild: Andreas Donders

Wenn man in Erlangen überall Theater entdeckt, kann das nur eines heißen: Das Arena-Festival hat begonnen. Vom 8. bis zum 12. Juni sorgt das Festival-Team dafür, dass sich die Innenstadt in eine Bühne verwandelt. Was ist geplant? Werden wir Angst bekommen? Diese und andere Fragen beantworten Pauline Seiberlich und Gesa Schermuly, Mitglieder des Organisationsteams, in einem Interview.

re>flex: Das Thema des Arena-Festivals 2016 ist Wer hat Angst vor…? Habt ihr Bewerbungen von Künstlern bekommen, die euch Angst gemacht haben?

Pauline: Wir haben die engere Auswahl aus den 60 Bewerbungen gesehen. Davon hat mir jetzt nichts direkt Angst gemacht in diesem klassischen Angst-Sinne: Dunkel, Clowns, irgendwelche toten Kinder. Aber ich hatte Angst im Sinne von: Oh Gott, wie kriegen wir das auf die Bühne? Oder: Oh Gott, wie kriegen wir das im Programm unter?

Gesa: Obwohl … ich finde, bei manchen Sachen habe ich schon ein beklommenes Gefühl bekommen. Aber das heißt nichts Schlechtes. Wird ja auch manchmal gefordert von den Leuten.

Erklärt ihr kurz, was das Arena-Festival genau ist?

Pauline: Arena … der jungen Künste ist ein internationales Theater- und Performance-Festival, was schon seit 26 Jahren in Erlangen stattfindet. Es werden jedes Jahr verschiedene Künstlergruppen aus der ganzen Welt eingeladen, je nachdem, welche Länder sich bewerben, mehr oder weniger international. Dieses Jahr haben wir Peru, Kanada …

Gesa: … Portugal…

Pauline: … Deutschland und ein bisschen Syrien dabei. Wir bieten hauptsächlich jungen Künstlern und Künstlergruppen, die noch nicht so bekannt sind eine Plattform, um ihre Stücke, ihre Performances zu zeigen. Es ist schon oft passiert, dass irgendwelche Gruppen aufgetreten sind, die in den Folgejahren noch bekannt geworden sind.

Gesa: Und es ist alles studentisch organisiert.

Pauline: Ja, und es gibt ein großes Rahmenprogramm dazu, bestehend aus Konzerten, Partys, Gesprächsrunden. Die Spielstätten sind in ganz Erlangen verteilt. Es gibt ungewöhnliche Spielstätten wie eine Kneipe, aber auch ganz reguläre Spielstätten wie das Markgrafentheater.

Welche Art von Kunst gibt es dann?

Pauline: Alles Mögliche. Wir haben dieses Jahr Akrobatik, Tanzperformances, Lesungen. Es ist gut durchgemischt und ich behaupte jetzt mal, dass für jeden Geschmack etwas dabei ist. Auch klassisches Theater und Pantomime…

Gesa: … oder auch Bildinstallationen. Ganz unterschiedlich.

Klassisches Theater überrascht mich jetzt am meisten, weil Arena für mich immer den Ruf hat, dass junge Leute etwas Außergewöhnliches, Neues ausprobieren.

Pauline: Ja, mit klassischem Theater meinte ich eher ein Stück mit Anfang und Ende, wo man eine Geschichte erkennt. Während es natürlich auch Sachen gibt, wo man sich denkt: Oh, sie machen Bewegungen und schreien! (lacht)

Gesa: Es ist eben von allem etwas dabei.

Ihr habt schon angesprochen, dass es als Rahmenprogramm auch Partys und Nachgespräche gibt. Wollt ihr irgendetwas besonders hervorheben?

Pauline: Dieses Jahr soll ein neues Gesprächsformat entstehen. Wir laden Experten ein, ob das nun jemand aus der Sozialen Arbeit ist oder ein Psychologe, der das Thema beleuchten kann. Jemand, der sich gemeinsam mit den Zuschauern unterhält. Es soll keine Podiumsdiskussion sein, sondern eine offene Gesprächsrunde. Sie heißt: Wer hat Angst vor … was genau? Partys gibt es dieses Jahr leider nur zwei.

Gesa: Nein, es gibt wunderbare, ganze zwei Partys!

Am Anfang und am Ende?

Pauline: Genau! Einmal die Eröffnungsparty Lampenfieber und dann die Final Night Trau‘ dich was. Was außerdem neu ist: Wir berichten in einem intermedialen Blog über das Festival. Dort sind Videos von Funklust zu finden. Und es gibt journalistische Texte, die in einem Workshop entstehen. Studierende, die interessiert sind etwas zu schreiben, sind herzlich eingeladen mitzumachen. Es gibt dafür auch ECTS.

Warum habt ihr euch auf das Thema Angst geeinigt?

Pauline: Das war schon letztes Jahr. Natürlich war diese Flüchtlingsdebatte im Hinterkopf. Wir sind zwar kein politisches Festival, aber wir wollen auch nicht unpolitisch bleiben. Damals haben wir aber vor allem gedacht, dass wir das Thema interessant finden: Die Angst, und gerade auch die positiven Aspekte der Angst.

Gesa: Es geht nicht nur darum, sich vor etwas zu fürchten oder zu verkriechen, sondern auch zu verstehen, wie man Angst überwinden kann. Die Angst nicht nur wie eine Wand ansehen, über die man nicht hinüberkommt. Sondern: Was macht die Angst mit uns? Wie können wir mit Angst umgehen? Und was gibt es überhaupt für verschiedene Ängste?

Pauline: Wir wollten sehen, wie Künstlergruppen das auf die Bühne bringen. Es ist überraschend, wie viele sich mit dem Thema beschäftigen.

Gesa: Gerade die Angst vor dem eigenen Ich-Sein – was passiert mit mir selber, was fange ich mit meinem Leben an? – fand ich sehr spannend. Da haben viele Leute coole Sachen gemacht.

Pauline: Wir haben uns in den letzten Wochen schon gefragt, warum wir eigentlich dieses Motto genommen haben. Gerade jetzt wird die Debatte um die Geflüchteten so groß, es ist überall. Da dachten wir uns: Müssen wir uns wirklich auch noch dazu positionieren oder hätten wir nicht lieber etwas anderes nehmen sollen?

Gesa: Ich würde gar nicht sagen, dass wir uns positionieren. Wir bieten einfach einen Raum zum Austausch. Es ist ein großer Raum, wo sich jeder selbst seinen Teil denken kann.

Es gibt also ein paar Programmpunkte speziell zur Flüchtlingsdebatte?

Gesa: Es gibt einen Film vom Medienzentrum in Fürth. Die haben eine eigene kleine Sparte, die von Geflüchteten betrieben wird.

Pauline: Sie werden ein Video drehen, in dem sie Geflüchtete zu ihren Ängsten befragen. Das Video wird dann im Festivalzentrum laufen.

Und gibt es auch Performances direkt zu dem Thema?

Pauline: Nein, eine Künstlergruppe hat sich nicht mit dem Flüchtlingsthema beschäftigt. Das behandeln wir im Rahmenprogramm. Es gibt also dieses Video und zu den Gesprächsrunden kommen Experten, die zum Beispiel mit Geflüchteten zusammenarbeiten. Das Thema ist gegenwärtig, aber soll nicht der Schwerpunkt sein.

Werden die Zuschauer auch mit ihren eigenen Ängsten konfrontiert?

Gesa: Bestimmt. Ich bin mir da ziemlich sicher. Ich habe bei vielen Gruppen gedacht: Oje, die beschäftigen sich gerade mit dem Thema, vor dem ich mich selbst ein bisschen fürchte. Ich bin überzeugt, dass Zuschauer einerseits mit ihren eigenen Ängsten konfrontiert werden und andererseits etwas für sich herausziehen können. Vielleicht lernen sie, wie man damit umgehen kann.

Pauline: Es ist auch schön zu sehen, wie diese Künstlergruppen das Thema Angst auf verschiedene Weise verwerten und etwas Künstlerisches daraus machen. Das ist ja auch die Aufgabe von Arena, die Angst in der Kunst zu zeigen. Ich glaube, man geht dann eher mit einem gestärkten Gefühl aus diesen Aufführungen heraus. Aber es ist auf jeden Fall eine Konfrontation.

Gesa: Aber nicht nur Konfrontation mit der Angst, sondern auch Konfrontation mit Mut.

Also auch die andere Seite der Medaille.

Gesa: Genau, mutig sein und Angst haben. Ich meine, das eine geht nicht ohne das andere.

Danke für das Interview!

Das Interview führte Patricia Achter.

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