Kino für alle, die keine Blockbuster mögen

Bild:

In „Rowan“ stehen leuchtende Beeren auf dem Speiseplan Bild: Ohmrolle

Wenn ein Architektenbüro Legohäuser entwirft, ein Zeichentrickhund sein viertes Bein sucht und der Messias in einem bayerischen Dorf wiedergeboren wird – dann rollt die Ohmrolle wieder an. Am Donnerstag, den 21. April, öffnete sie zum 31. Mal ihre Tore im Nürnberger Cinecitta-Kino. Ungewöhnlich, kreativ und manchmal sogar politisch.

Der Abend beginnt mit einem markerschütternden Geständnis. „Das letzte Mal war ich hier im Kino in Batman v Superman“, murmelt Vizepräsident Niels Oberbeck ins Mikrofon – und schiebt schnell ein „Der war natürlich nicht so gut.“ hinterher. Das zustimmende Gelächter im vollen Kinosaal beweist: Wer heute Abend hier sitzt hält nichts von Blockbustern. Zum 31. Mal präsentieren Filmstudenten der Georg Simon Ohm Hochschule heute Abend ihre Werke auf der großen Leinwand. Auf drei Leinwänden sogar – wie immer wird die Veranstaltung live in zwei andere Kinosäle übertragen. Ohmrollen-Feeling auf drei Etagen.

 

Biblische Motive und ein gestrandeter Geschäftsmann

Wie jedes Jahr sind die Erstsemester für Werbeclips zuständig, die Zweitsemester haben Filmtrailer gedreht, im dritten Semester steht ein Musikvideo auf dem Programm – und in ihren Abschlussarbeiten haben sich die Studenten an erste eigene Kurzfilme gewagt. Technische Vorgaben gab es dabei nicht und so flimmern neben Realfilmen auch verschiedene 3D-Animationen und sogar ein klassisches Zeichentrickabenteuer über die Leinwand. Auch die Genres wechseln im Minutentakt: Eine schaurige Geistergeschichte im Moor, eine tragische Ballade über traurig schauende Hasen, dann wirbelt plötzlich eine Bollywood-Tanztruppe vorbei. Heute Abend setzt jeder Beitrag seine ganz eigene Note.

Erstaunlich oft greifen die jungen Filmmacher dabei auf biblische Motive zurück: Jesus panscht seinen Wunderwein mit Frankenwein, wenn er nicht gerade in einem erzbayerischen Dorf wiedergeboren werden soll. In einem ganz ähnlichen Dorf wütet ein Dämon in Menschengestalt und ein Musikvideo erweckt die vier apokalyptischen Reiter als feiste Wirtschaftsbosse. Sogar der politische Film des Abends lässt sich als Neuinterpretation des barmherzigen Samariters lesen – ein Geschäftsmann bleibt mit seinem Auto in der afrikanischen Savanne liegen. Ohne Internet und Handyempfang ist er plötzlich auf die Gastfreundschaft der Einheimischen angewiesen. „Die Idee zu dem Film entstand, bevor das Thema mit der Flüchtlingskrise aktuell wurde“, erklärt Jürgen Schopper. Zwei Wochen lang waren die Studenten und Schauspieler im Senegal unterwegs. Einer der einheimischen Partner wurde extra für die Premiere heute Abend eingeflogen. Für einen anderen Film sitzt ein indisch-stämmiger Schauspieler im Publikum. Die Ohmrolle ist international.

 

Bild

„Zweiarmiger Bandit“: SinCity im Minecraftlook Bild: Ohmrolle

Der Zauber des Einfachen

Durch die Semestereinteilung ergibt sich auch noch ein interessanter Nebeneffekt: Während die Erstis brav für bekannte Marken werben, klingen die Kurzfilme und ganz besonders die Musikvideos der höheren Semester schon deutlich kapitalismuskritischer. Hier spielen skrupellose Firmenchefs mit dem Schicksal der Welt und eine junge Frau fällt der brutalen Modeindustrie zum Opfer. Immerhin konnte einer der Kurzfilme einen eigenen Sponsor gewinnen und wurde so zum fünf-minütigen Werbeclip für 3D-Drucker. So schließt sich der kapitalistische Kreislauf dann wieder.

Wie immer stehen sich auch heute manche Filme in ihrer Abstraktheit selbst im Weg. Das merkt man immer dann besonders wenn man ohne Schoppers Erklärung absolut keine Ahnung hätte, was gerade auf der Leinwand vor sich geht – und manchmal versteht man es trotzdem nicht. Dagegen entfalten die einfachsten Ideen einen ganz eigenen Zauber: Eine Frau fährt U-Bahn und verliert sich in ihren Gedankenwelten. Ein kleiner, blauer Zeichentrickhund muss unbedingt an einen Stift kommen, um sich sein fehlendes Bein zu malen. Besonders die Abenteuer des dreibeinigen Hundes schaffen ganz ohne Dialoge eine Atmosphäre, die so manchen PIXAR-Vorfilm in den Schatten stellt.

Die Ohmrolle stellt auch heute wieder unter Beweis, wie frisches, unverbrauchtes, kreatives Kino aussehen kann. Kino für alle, die genug haben von vorgefertigten Geschichten. Kino für alle, die Batman v Superman nicht mochten – kein Wunder dass die drei Säle wieder restlos voll waren.

Simon Lukas

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert