Nur wer hoch zielt, kann kollossal scheitern. Mit der fünfteiligen Breaking Bad-Imitation Morgen hör ich auf zeigt das ZDF eindrucksvoll was von einem Meisterwerk übrig bleibt, wenn es durch die öffentlich-rechtliche Mühle gedreht wurde. Immerhin wird klar wie man in Mainz das ländliche Hessen sieht: Als rechtsfreien Sumpf des Verbrechens.
Jochen Lehmann (Bastian Pastewka) ist am Ende. Seine Druckerei rutscht unaufhaltsam in die Pleite, die Bank will ihm keinen Kredit mehr geben und täglich flattern neue Rechnungen ins Haus. Eines Nachts hat der spießige Familienvater genug – er wirft seine Druckerpresse wieder an und druckt sich einen Stapel frische 50€-Scheine. Leider hat auch das Verbrecherleben seine Tücken: Bald muss sich Lehmann mit einer internationalen Geldfälscherbande herumschlagen, einen toten Kleinkriminellen verschwinden lassen und seiner Familie erklären, woher der plötzliche Geldsegen kommt. Doch die anderen Familienmitglieder haben so ihre eigenen Sorgen und können ein paar falsche Fünfziger gut gebrauchen.
Sin City in Hessen
Tatort-Regisseur Martin Eigler entführt den Zuschauer in die kriminellste Kleinstadt der Welt. Das hessische Hinterland ist bei ihm eine Brutstätte von Psychopathen: Jochen Lehmann prügelt einen unbewaffneten Mann zu Tode ohne mit der Wimper zu zucken. Ehefrau Julia (Susanne Wolff) und Teenager-Tochter Laura (Janina Fautz) verjubeln ein Vermögen für Klamotten und Styling, während die Familie vorm Ruin steht. Sohn Vincent (Moritz Glaser) braucht nur eine Folge um betrunken und ohne Führerschein mit einem gestohlenen Mofa in ein Auto zu rasen – im Staffelverlauf plant er dann noch einen Amoklauf. Und sogar Nesthäkchen Nadine (Katharina Kron) hat nichts besseres zu tun als ihre Mitschülerinnen zu tyrannisieren.
Außerhalb der Familie sieht es nicht besser aus: Der Erste, dem Jochen sein Falschgeld andreht, ist zufälligerweise selbst Berufsgangster. Nebenbei wird dann auch noch der schräge Nachbar abgeführt, weil er mit Drogen gehandelt und die Lehmanns – warum auch nicht – mit versteckten Kameras überwacht hat. Es muss nicht erwähnt werden, dass sich der ermittelnde Kommissar später als Lakai eines Frankfurter Mafiabosses entpuppt.
Das deutsche Breaking Bad?
In diesem wüsten Strudel aus Betrug, Klischees und viel, viel krimineller Energie gehen einzelne interessante Ansätze und Handlungsstränge schnell unter. Die Autoren ergießen binnen fünf Stunden eine Flut von Katastrophen über ihre Protagonisten, die auch für fünf Staffeln gereicht hätte. Das Drehbuch hetzt von einem Drama zum nächsten, hangelt sich an Worst-Case-Szenarien entlang und lässt dabei weder Figuren noch Zuschauern Zeit für eine Verschnaufpause. Für nuancierte Charakterentwicklung bleibt da keine Zeit, für Identifikationsfiguren sowieso nicht. Und wenn Pastewka in einem Interview beschreibt, er habe Jochens Verhalten in jedem Moment verstanden, sollte einem das vielleicht mehr Angst machen als die ganze Serie.
Der Vergleich mit der Kultserie Breaking Bad ist schmerzhaft, aber Morgen hör ich auf sucht ihn selbst zwanghaft – bis hin zu einzelnen Einstellungen. Das großartige an Walter Whits Wandlung war, dass der Zuschauer ihn 5 Jahre lang auf seinem Abstieg in die Unterwelt der Drogenbosse begleiten konnte. So etwas in 5 Wochen zu versuchen, kann nur scheitern. Und wo wir gerade beim Vergleichen sind: Bryan Cranston brauchte Krebs und mehrere Nervenzusammenbrüche, um sich von der Rolle des lustigen Malcolm mittendrin-Familienvaters loszuspielen. Pastewka gelingt es dagegen fast nie, sein Comedy-Image hinter sich zu lassen. Die ständige Überforderung und die „Ich gegen den Rest der Welt“-Einstellung erinnern eher an seine pseudo-biographische Rolle in Pastewka und wenn er sich mal wieder in eine ausweglose Situation manöviert hat, wartet man unwillkürlich auf eine Pointe. Nicht die beste Voraussetzung für einen spannenden Krimi-Abend.
Simon Lukas
Wer trotzdem mal einen Blick in die 5 Stunden-Serie werfen will findet sie hier.