kultur>kolumne: Ich sehe was, was du siehst

Computerspiele, gemeinfrei

Anderen beim Computerspielen über die Schulter schauen – das geht auch im Internet. Bild: Creative Commons CCO

Die einen beobachten Prominente dabei, wie sie im Container abspülen. Andere schauen YouTube-Videos an, in denen sich Frauen schminken. Und wieder andere sitzen vor dem Bildschirm, um zu sehen, wie jemand ein Computerspiel zockt – sogar überraschend viele. Offensichtlich finden sie es spannender, anderen beim Spielen zuzusehen, als selbst zu spielen. Warum nur? Ich habe mir auf twitch.tv selbst Livestreams von Computerspielern angesehen.

 

Ich klicke auf ein Video, in dem gerade Minecraft gespielt wird. Der Avatar läuft über eine Wiese, es passiert nicht viel. Im linken, unteren Bildschirmfeld ist der Spieler selbst eingeblendet – ein junger Mann, der deutsch redet (was auf einer internationalen Plattform nicht selbstverständlich ist). An der rechten Bildschirmseite wird eine Leiste angezeigt, in der die Follower chatten. Ich bin beeindruckt, wie der junge Mann all das managt. Er konzentriert sich auf das Computerspiel, redet ununterbrochen darüber und reagiert auf Fragen und Kommentare aus dem Chat. Davon abgesehen finde ich es bald ziemlich langweilig und suche mir einen anderen Stream.

Counterstrike. Die zwei Spieler filmen sich nicht selbst. Nur ihre Stimmen sind zu hören. Sie kümmern sich überhaupt nicht um ihre Zuschauer. Sie spielen einfach, reden nur das Nötigste, um die Taktik zu besprechen. Eine Minute reicht mir vollkommen.

 

Von Stream zu Stream hangeln

Interessanter ist ein Stream zu Super Mario. Diesmal sieht man den Spieler wieder. Auf Englisch kommentiert er seine misslungenen Versuche. Er ist kein besonders guter Spieler, ständig scheitert er an Hindernissen. Aber er ist witzig. Eine Weile schaue ich ihm zu. Nach fünf vergeblichen Versuchen dieses Level zu schaffen, habe ich auch wieder genug. Der Ohrwurm der Super Mario-Melodie bleibt zurück.

FIFA 16. Hier bleibe ich nicht lange. Der Spieler stellt gerade eine Mannschaft für sein nächstes Spiel zusammen. Dabei erzählt er trocken, was er gerade tut. Das ist ungefähr so spannend, wie einer Schnecke beim Kriechen zuzusehen.

Nächster Versuch. Ich kann mich nicht mehr an das Spiel erinnern, ich weiß nur noch, dass die Frau russisch gesprochen hat. Vielleicht total interessant, ich habe nur kein Wort verstanden. Also weiter.

Oft bleibe ich keine zehn Sekunden bei einem Videostream hängen. Manchmal reden die Spieler überhaupt nicht, sondern spielen schlichtweg – einziger Spannungsbogen ist dann das Spiel an sich. Dann wieder erklärt ein Spieler ausführlich, wie es ihm gelingt, möglichst viele Punkte zu sammeln. Immerhin gehört zu den Streams meistens Musik, sodass wenigstens etwas Unterhaltung vorhanden ist.

 

Warum manche Livestreams mehrere tausend Zuschauer haben?

  • Einige Spieler sind Vorbilder, die besonders gut spielen und von denen man etwas lernen kann.
  • Andere können gut unterhalten, weniger gut spielen, haben aber wegen ihrer Sprüche viele Follower.
  • Neue Spiele können auf der Plattform erstmal angeschaut werden, bevor man sie sich kauft.

Alles gute Gründe, anderen Spielern über die Schulter zu schauen. Gründe für Gamer. Ein guter Grund dagegen: Man ist kein Gamer. Dann hält man sich auch nicht stundenlang dort auf, klickt schnell weiter und hat ein großes Fragezeichen im Kopf. Wem die Welt der Computerspiele gefällt, der wird sich auf der Seite wie zu Hause fühlen.

Patricia Achter

Ein Gedanke zu „kultur>kolumne: Ich sehe was, was du siehst

  1. Also ich finde das auch als Nicht-Gamer gar nicht so erstaunlich. Ich erinnere mich, dass ich früher stundelang meinem Bruder beim Zocken über die Schulter geschaut habe; das ist ja quasi familiäre Praxis zwischen Gamern und Nicht-Gamern…
    Dass der menschliche Kontakt bei diesen Streams einseitig abgeschnitten ist, steht aber natürlich auf einem anderen Blatt

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