An einem sonnigen Herbsttag haben die beiden Fürther Autoren Immanuel Reinschlüssel und Robert Segel – besser bekannt als Die Schaffenskrise – unserer Redakteurin Patricia Achter ein Interview gegeben. Sie stellen am 5. Dezember 2015 ihr neues Buch im Kulturforum Fürth vor. Der Titel des Buches soll bis zur Lesung ein Geheimnis bleiben. Mal sehen, ob sie sich doch dazu überreden lassen, ihn preiszugeben.
re>flex/Patricia Achter: Was verratet ihr von eurem neuen Buch?
Robert: Den Titel noch nicht, aber um was es geht.
Immanuel: (lacht) Jetzt bin ich auch gespannt.
Robert: Es sind 22 Kurzgeschichten, das kann man sagen. Jeweils elf von jedem von uns. Also, wir schreiben nicht zusammen, sondern getrennt. Es wird sehr düster und geht irgendwie um Stürme. Was noch?
Immanuel: Ja, irgendwie sind in vielen Geschichten Metaphern zu irgendwelchen Elementen zu finden. Da ist viel Action, es ist aufbrausend und irgendwas schlummert immer unter der Oberfläche.
Auf eurer Facebook-Seite macht ihr Werbung damit, dass eure Bücher alle Unikate sind. Warum?
Immanuel: Wir haben einen befreundeten Buchbinder. Er ist nicht hauptberuflich Buchbinder, er hat sich das hobbymäßig selber beigebracht. Er mag uns sehr gerne und er wohnt dummerweise mittlerweile in Australien. Seit dem ersten Buch bindet er uns die Bücher und schickt sie uns zu. Das ist jetzt das vierte Buch. Also, es waren zwei Lyrikbände und zwei Kurzgeschichtenbände. Er war von Anfang an dabei und bindet uns die Bücher per Hand mit seinen Maschinen, die er bei sich im Keller herumstehen hat.
Robert: Nachteil ist, dass es ewig dauert, bis die Bücher da sind. Dass wir immer gucken müssen, dass wir auch genug haben.
Immanuel: Porto ist auch nicht ganz umsonst.
Robert: Der Vorteil ist, wir können alles bestimmen – wie’s aussehen soll, wie viele er macht, teilweise was es kostet. Es gibt schon immer die Überlegung, ob man’s übers Internet macht, aber dann ist es halt nicht handgemacht. Das ist der Charme, finden wir, und den gönnen wir uns.
Und sonst helfen euch auch noch andere Leute – die was machen?
Robert: Wir haben das Glück, dass wir ganz viele Freunde und Bekannte haben, die Fähigkeiten mitbringen, die wir nicht haben, die man für so ein Buch braucht. Zum Beispiel eine Arbeitskollegin von Immanuel hat die Fotos gemacht. Dann haben wir eine Freundin, die die Geschichten lektoriert. Dann haben wir jetzt ganz neu eine Freundin dabei, die das Layout gemacht hat, die in einem Verlag arbeitet.
Immanuel: Vorher haben wir den Satz immer selber gemacht, also die Dateien in Word angelegt. Das war zwar ein sehr schöner Prozess, aber man hat auch gesehen, dass da Stümper am Werk sind. Sie kann das einfach professioneller umsetzen.
Robert: Sie hat auch die entsprechenden Programme dafür. Und dann Jeanette, die seit dem ersten Buch Illustrationen beisteuert.
Die machen das alle freiwillig?
Immanuel: Jeanette so halb freiwillig (Robert lacht). Wir sind mit ihr einen lebenslangen Vertrag eingegangen per Handschlag – im zarten Alter von 19. Aus dem kommt sie nicht mehr raus, auch wenn sie mittlerweile fast ein bisschen zu groß für uns ist. Aber nein, die machen das freiwillig und gerne und wir danken das dann entsprechend mit Schulterklopfen und Wein.
Robert: Und einem Buch.
Immanuel: Das sind gute Freunde und es ist immer ein sehr schöner Prozess und wir haben diesmal das Gefühl, dass das Produkt wirklich gut ist. Das haben wir bei jedem Buch, weil wir natürlich keine Geschichten hineinsetzen würden, hinter denen wir nicht stehen. Dieses Mal war es aber zum ersten Mal so, dass es uns wirklich schwer gefallen ist, die Geschichten auszuwählen. Das ganze Arbeiten war viel professioneller.
Wie viele Geschichten habt ihr denn, unter denen ihr auswählt?
Immanuel: Bei Robert sind’s ein bisschen mehr, er ist ein fleißigerer Schreiber.
Robert: Ich glaube, am Schluss hatte jeder 13 oder 14 Geschichten. Dann haben wir überlegt, wie viele wir nehmen und uns für elf entschieden, damit die Auswahl härter ist. Unser Ziel war, dass wir auch in drei Jahren noch denken, die gehören da alle rein. Wird vielleicht auch nicht so sein, aber im Moment fühlt sich’s so an. Aber auch unabhängig vom Inhalt ist das Buch, das Produkt an sich, im Lauf der Jahre immer professioneller geworden. Dafür, dass wir das Buch ohne Verlag herausbringen, ist es schon ziemlich gut geworden.
Und fällt euch das dann schwer, Geschichten auszuwählen?
Robert: Es gibt immer so ein paar Geschichten, da wissen wir sofort: Die gehört rein. Zum Beispiel hat Immanuel eine Geschichte zum Buchtitel geschrieben und da habe ich mir gedacht: Da kann ich mich jetzt nicht lumpen lassen und habe auch eine dazu geschrieben. Und dann war klar, dass die beiden reinkommen, weil quasi jeder das Buchthema für sich verarbeitet. Es gibt ein paar Geschichten, bei denen klar ist, dass sie reinkommen, und ein paar Wackelkandidaten. Im Endeffekt ist es eher eine Bauchentscheidung.
Immanuel: Ja, oder eine Tagesentscheidung. Es ist schon so, dass man da am Schwanken ist.
Robert: Bei mir geht’s aber auch immer darum, welche Geschichte ich lieber vorlese. Es kam zum Beispiel eine nicht rein, die ich ziemlich gerne mag, aber die ich nicht so gerne vorlese.
… weil ihr es letztendlich lesen müsst.
Robert: Wollen. Wir kommen ja von den Lesungen. Wir sind keine Autoren, die im Verlag herauskommen und dann auf Lesungen gehen müssen, sondern wir machen Lesungen. Und wenn die Leute Bock haben, können sie unser Buch kaufen.
Deswegen habe ich euch auch nicht auf Amazon gefunden.
Robert: Genau. Aber das neue Buch wird als E-Book wahrscheinlich auch kommen, dann kann man das zumindest auch auf Amazon kaufen.
Zu euren Anfängen – ich habe mich gefragt, wie ihr auf Die Schaffenskrise gekommen seid.
Immanuel: Den Namen? Das ist eine total doofe Geschichte, wir wissen das selber nämlich nicht.
Robert: Warum? Das ist doch der Titel von einem alten Gedicht von mir.
Immanuel: Ja, aber … also, ich weiß noch, wir haben damals einen Namen für die Homepage gesucht. Wir haben uns eine Domain überlegt und dann kamen wir nur auf Quatsch.
Robert: Wir hatten auch das Gefühl, wir brauchen einen Bandnamen, weil wir immer ein bisschen Komplexe hatten am Anfang, dass wir gerne eine Band wären, aber keine Musik machen können. Deswegen haben wir uns gedacht, wir brauchen zumindest einen Bandnamen. Irgendwie kam das dann so. Wir wollten auch irgendwas Ironisches haben…
Immanuel: Wir sind ja sehr lustig. Auch wenn das in unseren Geschichten immer nicht so rauskommt. Deswegen müssen die Leute auch zu unseren Lesungen kommen, damit sie sehen, dass wir wirklich lustig sind, gerade auch miteinander. Aber wenn man bloß unser Buch in der Hand hat, dann denkt man nicht, dass wir sehr lustig sind.
Wenn ihr Die Schaffenskrise heißt, stehen dann unter euren Geschichten immer die Namen oder müssen die Leser raten, welche Geschichte von wem ist?
Immanuel: Es ist schon immer erkenntlich, von wem die Geschichte ist. Unter dem Namen Die Schaffenskrise firmieren wir sozusagen zusammen. Es war immer so, dass deutlich war: Robert Segel und Immanuel Reinschlüssel sind Die Schaffenskrise. Das wird aber jetzt das erste Buch sein, auf dem unsere Namen gar nicht mehr auf dem Cover stehen.
Robert: (lacht) Echt? Das ist mir gar nicht aufgefallen.
Dann seid ihr jetzt eine Marke.
Robert: Im Buch steht bei den Geschichten schon, von wem die jeweilige Geschichte ist.
Immanuel: Dazu sind unsere Sachen auch zu unterschiedlich. Ich meine, man will ja auch, dass die Geschichte einem zugeordnet wird. Allein weil man da immer viel hineininterpretieren kann.
Robert: Man bildet ja auch einen eigenen Stil aus.
Habt ihr euch als „Band“ gegründet oder ist es eher so wie bei Wortwerk, dass ihr euch gegenseitig motiviert, Geschichten zu schreiben?
Robert: Eher zweiteres, oder?
Immanuel: Also, wie das überhaupt zustande kam … während der Abi-Zeit waren wir sehr, sehr intelligent – das war jetzt natürlich ironisch. Wir haben gemerkt, dass wir beide schreiben und dass Leute aus unserem direkten Umfeld auch schreiben. Dann haben wir angefangen, uns einmal die Woche zu treffen und wollten quasi einen Literaturkreis machen. Natürlich war das große Vorbild die Gruppe 47, was wirklich sehr vermessen ist (lacht). Und am Schluss waren nur noch wir beide dabei. Ja, und diese Treffen waren durchaus auch Motivation, was zu machen. Das haben wir beibehalten über einen langen Zeitraum, damals noch mit Gedichten. Wir haben relativ viel geschrieben, uns gegenseitig vorgelesen, Meinungen eingeholt und hatten das erste Mal eine Plattform.
Ihr seid jetzt von Gedichten komplett zu Kurzgeschichten umgestiegen, oder? Warum?
Immanuel: Keine bewusste Entscheidung. Gedichte schreiben hat sehr viel Spaß gemacht, aber am Schluss war es auch sehr einfach. Wir haben eine eher konservative Einstellung zu Gedichten, also dass sie ein klares Reimschema haben und meistens eine gerade Anzahl an Versen. Und wenn man mal so viele Reime verwendet hat, dann denkt man oft in Reimen.
Dann habt ihr eine größere Herausforderung gebraucht.
Immanuel: Ja, es war halt mal was Neues.
Robert: Es war auch so, dass wir uns gegenseitig beeinflusst haben. Irgendwie hatten wir auch das Gefühl, wenn wir Geschichten schreiben – weil wir ja eigentlich lesende Autoren sind – dann ist es für die Zuhörer vielleicht auch angenehmer.
Immanuel: Das ist auch schwer zu vergleichen. In Geschichten hat man ganz andere Möglichkeiten, Sachen auszudrücken.
Ihr schreibt oft in Ich-Perspektive. Gibt’s dafür einen Grund?
Robert: Ich denke, dass wir auch in den Gedichten viel über Emotionen geschrieben haben. Und mir fällt’s einfach leichter, wenn ich in Ich-Perspektive schreibe, die Emotionen von den Erzählern rüberzubringen. Das heißt ja nicht, dass das alles autobiographisch ist.
Immanuel: Das denke ich auch. Meine Theorie von Kurzgeschichten unserer Länge ist immer noch, dass die Handlung nicht so wichtig ist wie das Gefühl, das zurückbleibt. Dementsprechend bietet sich einfach die Ich-Perspektive an, weil man dann viel tiefer hineingehen kann. Mir geht es auch so, dass ich bei vielen Kurzgeschichten anderer Autoren, die ich gelesen habe, nicht mehr weiß, worum die gingen, aber ich weiß, wie ich mich in dem Moment gefühlt habe. Außerdem kann man in der Ich-Perspektive ganz gut eine dritte Person ansprechen, das machen wir auch ganz gerne.
Ich brauche wahrscheinlich nicht zu fragen, woher eure Ideen kommen …
Robert: Ja, ein autobiographischer Kern ist meistens dabei, und der wird dann weiterfantasiert und ausgeschmückt. Wenn man sich über einen langen Zeitraum damit beschäftigt zu schreiben, dann findet man ganz viele Anknüpfungspunkte im Alltag.
Immanuel: Wir haben letztens darüber geredet, dass wir glauben, je länger man schreibt und – ich will nicht sagen „besser“ – aber je routinierter man schreibt, desto abstrakter werden die Sachen und desto weiter gehen sie von dem Autobiographischen weg. Wenn man anfängt zu schreiben, dann schreibt man irgendwas, was man erlebt hat. Aber für dieses Abstrahieren braucht man schon ein bisschen Erfahrung, glaube ich. Meine Sachen haben mittlerweile oft nur noch 0,01 Prozent Bezug zu irgendwelchen Erlebnissen, wenn es den überhaupt gibt.
Ich würde jetzt gerne noch wissen, was der Buchtitel ist.
Immanunel: Ist geheim. Das wird spätestens am 5.12. im Kulturforum in Fürth enthüllt. Er ist sehr toll. Also, der Titel ist echt toll.
Du weißt schon, dass das ist, wie wenn man einem Kind sagen würde: „Du kriegst das tollste Weihnachtsgeschenk der Welt, aber ich verrate dir nicht, was es ist.“
Immanuel: Wir sagen ja nicht, dass es das tollste der Welt ist, aber es hat auf jeden Fall einen sehr tollen Titel. Und vielleicht ist es ja auch das tollste Buch der Welt, aber das würden wir so natürlich nie sagen.
Ja gut. Danke für das Interview!
Das Interview führte Patricia Achter.
Die Schaffenskrise – Buchvorstellung mit Livemusik der „Tin Shots“ 5. Dezember 2015, 20 Uhr Kulturforum Fürth