kultur>kolumne: Flüchtlingspolitik im Theater

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Das Flüchtlingsthema am Theater Erlangen: „Wir sind keine Barbaren!“, Bild: © Jochen Quast

Sind Künstler politisch? Beschäftigen sie sich mit aktuellen Themen?
Sie müssen nicht, aber sie können. Dann ist Kunst nicht „nur“ ästhetisch oder schön. Dann hat sie eine Botschaft, regt zum Nachdenken an, gibt vielleicht den Anstoß zu Veränderungen. Wenn ein Thema die Gesellschaft so sehr bewegt, wie die Zuwanderung von Flüchtlingen, beschäftigen sich auch Kulturschaffende damit. Auf ihre eigene Weise.

Das Theater Erlangen zeigt in der aktuellen Spielzeit „Wir sind keine Barbaren!“. Allein der Text von Philipp Löhle enthält viel Belehrendes. In der Umsetzung von Regisseurin Katrin Lindner ist die Meinung, die eingenommen wird, schnell klar. „Wir sind keine Barbaren!“ könnte auch heißen: „Seid keine Barbaren!“ Eine Ermahnung an alle Zuschauer, sich nicht auf die Seite der sogenannten „besorgten Bürger“, sondern auf die der „Gutmenschen“ zu stellen.

Mit Extremen beginnt die Aufführung. Auf der einen Seite steht Barbara (Anika Herbst), die einen Asylanten bei sich aufgenommen hat und ihn wie eine Löwin verteidigt. Sie sieht in ihm eine Metapher für alle Flüchtlinge, die aus schrecklichen Verhältnissen zu uns kommen. Dabei beschönigt und idealisiert sie ihn. Auf der anderen Seite steht ihre Nachbarin Linda (Janina Zschernig), die sich Sorgen macht. Ein Fremder im Haus? Von dem man nichts weiß, nicht mal seinen richtigen Namen? Das ist doch gefährlich! Ausgehend von diesen Meinungen diskutieren und streiten sie heftig miteinander. Sie nehmen beide eine Position ein, die so extrem ist, dass man ahnt, die Wahrheit liegt in der Mitte. Irgendwo im grauen Bereich. Dort befinden sich vermutlich gerade die meisten Deutschen, nur wird von ihnen nicht so häufig berichtet.

Eine Geschichte ist doch viel wirkungsvoller, wenn man ganz klar zwischen den Guten und den Bösen unterscheidet. Die Welt ist schwarz-weiß, natürlich. Das kennt man aus Märchen, Actionfilmen und vielen erfolgreich verkauften Geschichten: Das Gute kämpft immer gegen das Böse. Wer gerade die Medienberichterstattung verfolgt, hat oft den Eindruck, dass beide Seiten gegenübergestellt werden. Einerseits die engelsgleichen Helfer, andererseits die randalierenden Rechtsextremen.

Politiker müssen handeln

Im Theaterstück ändern sich die Meinungen der Figuren, als die gute Barbara umgebracht wird. Von ihrem Schützling? Wird er zu Recht verurteilt oder aus Vorurteilen heraus? Die Mauer aus Schlauchbooten auf der Bühne wird immer höher, Deutschland schottet sich ab. Der erhobene Zeigefinger ist deutlich spürbar: Es darf nicht dazu kommen, dass sich die Gesellschaft mehr und mehr dem schwarzen Bereich nähert. Die Fakten über die florierende deutsche Wirtschaft, die Sicherheit und Ruhe im Land werden von den Schauspielern zusammen mit der Erlanger Musikwerkstatt einstimmig vorgetragen. So sind es keine Fakten mehr, sondern Vorwürfe. Ist das nun der Spiegel, der der Gesellschaft vorgehalten wird? Vorwürfe sollen alle Bürger zur weißen Seite bewegen?

Theater ist gut für Denkanstöße. Reale, sichtbare Veränderungen bringt es nicht. Für die realen Veränderungen muss letztlich doch die Politik sorgen. Sie muss jetzt die vielen Stellen schaffen, um dauerhaft Flüchtlingen zu helfen und sie zu integrieren – mehr Polizisten gegen Gewalt, mehr Lehrer für Deutschunterricht, mehr Wohnungen gegen überfüllte Flüchtlingsheime. Die Politiker müssen endlich im Großen handeln. Tausende freiwillige Helfer zeigen ihnen im Kleinen, wie es geht. Und im Rahmen ihrer Möglichkeiten mischen sich auch Theater und andere Kulturschaffende ein. Je mehr Menschen ihre Meinung sagen, desto mehr Grautöne zwischen der schwarzen und der weißen Seite werden sichtbar.

Patricia Achter

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