Die Magie der Bücher wirkt wieder ihren Zauber, denn Kai Meyers Fortsetzung von Die Seiten der Welt, Nachtland, ist da.
Viel ist passiert, seit Furia Salamandra Faerfax sich im ersten Band zu einer Bibliomantin entwickelt hat. Zwar herrscht die Adamitische Akademie immer noch mit unnachgiebiger Härte, doch hat sich auch eine Widerstandsbewegung unter der Führung der sogenannten Bardenbrüder Ariel und Puck, beide Exlibri, gebildet. Diese musste wiederum einige herbe Niederlagen im Kampf gegen die Akademie einstecken und hat viele treue Anhänger verloren; ob durch Tod oder Überzeugung.
Um bitter benötigte Kräfte zu sammeln und einen neuen Schlachtplan zu entwerfen, haben sich die verbliebenen Mitglieder – bestehend aus Bibliomanten, Menschen und Exlibri – in die Residenz der Familie Faerfax, ehemals Rosenkreutz, in die Cotwolds zurückgezogen. Dort versuchen Furia, ihr Bruder Pip, ihre Freundin Cat, die Siebenstern-Exlibra Isis Nimmernis und noch viele andere trotz allem so etwas wie Normalität aufkommen zu lassen.
In ihrem Bestreben, der Unterdrückung durch die Akademie endlich ein Ende zu machen, versuchen sie jetzt einen Weg ins Allerheiligste der Bibliomantik, dem Sanktuarium, zu finden. Dies ist der einzige Ort, an dem die mächtigen Häuser Cantos, Himmel und Lohenmut, selbst von Nicht-Bibliomanten endgültig besiegt werden können.
Die Karte zu diesem Ort befindet sich allerdings, allen Gerüchten zufolge, in den Händen von Marduk, dem Oberkriminellen von Libropolis. Um an ihn beziehungsweise die Karte heranzukommen, haben sich einige der Widerstandskämpfer heimlich in dessen Verbrecherkreise eingeschleust. Ein Unterfangen, welches vor allem Finnian und Cat enorm viel abverlangt.
Doch nicht nur die Adamitische Akademie und ihre Agenten sorgen für Ärger, denn zwischen den Seiten der Welt sind die sagenumwobenen und gefürchteten Tintlinge gesichtet worden, welche alle Bibliomanten verschleppen, die sie erwischen, während sie durch die Seiten der Welt fallen. Sie sollen angeblich der Urmutter der Bibliomantik, Phaedra Herculanea, unterstehen, welche sich aus den Tiefen der Refugien erhoben hat. Zusätzlich sorgen die plötzlich aufgetauchten Ideen, über die bisher nur hinter vorgehaltener Hand getuschelt wurde, für helle Aufregung, da sie ein Refugium nach dem anderen in ihren schillernden Farbfluten verschlucken.
Etwas Großes und alles Veränderndes zieht herauf. Um dem zu begegnen müssen sich Furia und ihre Freunde nicht nur mit der Gegenwart und ihren zahlreichen Schurken auseinandersetzen, sondern auch noch mit der sich plötzlich verändernden Vergangenheit. Wie wird da wohl die Zukunft aussehen?
Erneut hat es Kai Meyer geschafft, den Leser auf eine packende Reise durch die Welt der Bibliomantik mitzunehmen. Doch die Reise ist düster, sehr düster. Der bevorstehende „Krieg“ wirft seine Schatten voraus und Misstrauen, Gewalt und andere Grausamkeiten begegnen dem Leser auf Schritt und Tritt. Ein dauerhaft beklemmendes Gefühl macht sich in einem breit und lässt einen auch nicht los, wenn es scheinbar friedliche Momente im Buch gibt. Über allem hängt das Gefühl der Ungewissheit wie ein Damokles Schwert. Und auch diesmal ist nicht immer klar, wer Freund oder Feind ist. Geschickt wird der Leser durch die Abgründe der menschlichen Natur geführt und ist nie vor Überraschungen gefeit. Man darf also auch schon sehr auf den dritten Band, der im Frühjahr 2016 erscheinen soll, gespannt sein.
Carmen Käuflin
Kai Meyer: Die Seiten der Welt – Nachtland
FJB Verlag
592 Seiten
ISBN: 978-3-8414-2166-1
Preis: 19,99 €