Ich sehe was, was du nicht weißt

Foto: Andreas Donders

Foto: Andreas Donders

Wir laden uns im App-Store ein neues Spiel herunter und akzeptieren die AGB, auch wenn wir diese allerhöchstens überfliegen. Wir registrieren uns in sozialen Netzwerken und füttern diese mit privaten Informationen. Wir lassen zu, dass Apps Zugriff auf unsere Dateien, ja sogar unseren Standort haben. All diese Klicks und Haken, die wir setzen, führen dazu, dass immer mehr Daten gesammelt, dass wir immer mehr überwacht werden können.

Die diesjährige Koproduktion des ARENA-Festivals, die aus der Zusammenarbeit zwischen Studierenden und einer ausgewählten Künstlergruppe besteht, mit dem Titel „Ich sehe was, was du nicht weißt“ will auf diese stetige Überwachung und Datensammlung in unserer heutigen Gesellschaft hinweisen und
sie durch Interaktion erfahrbar machen. Dieses Ziel ist der Koproduktion zweifelsohne gelungen.

„Hallo, ich werde deine Registration jetzt überprüfen. Du bist nun ein Teil unseres Systems.“ Mit diesen Worten bekommen die Zuschauer zu Beginn von einer Darstellerin mit Computerstimme eine Nummer zugewiesen und loggen sich in das System ein. Sie werden vom passiven Rezipienten zum handelnden Teilnehmer in einem interaktiven Stadtspiel, welches vorbei an verschiedenen Stationen durch Erlangen führt. Mit ihren futuristischen, weißen, roboterartigen Outfits erinnern die Darsteller_innen an die Friedenswächter aus „Tribute von Panem“. Es ist ihre Aufgabe, die Teilnehmer von Kopf bis Fuß zu analysieren, zu kategorisieren und zu typisieren. Während des gesamten Stücks steht man unter ständiger Beobachtung, wird aufgenommen, fotografiert, kommentiert, überwacht. Mit starrem, durchdringendem Blick sammeln die Darsteller_innen auf Schritt und Tritt alle nur möglichen Informationen über die Teilnehmer – die Nummern in ihrem System sind: „Nummer 04 – braune Schuhe, helle Schnürsenkel. Nummer 18 – lacht. Nummer 24 – kocht am liebsten selbst.“

Die Komplexität der Thematik wird sinnlich erfahrbar, als die Teilnehmer an einer Station mit verbundenen Augen reglos dastehen müssen. Ein Wirrwarr aus unzähligen Stimmen, die sich über die NSA, Facebook-Chroniken und Whats-App-Haken auslassen, macht dem Teilnehmer bewusst, mit welcher Blindheit, welchem Unwissen, aber auch mit welcher Machtlosigkeit wir unsere Augen gegenüber der Überwachung und Datensammlung verschließen. Doch trotz der Ernsthaftigkeit der Thematik kommt auch der Spaß für die Teilnehmer nicht zu kurz: So kann man nicht nur eine Runde analoges „Candy Crush“ mit echten Bonbons spielen oder auf öffentlicher Straße ein kurzes, sportliches Workout durchzuführen, sondern sich auch im lebensgroßen „Snake“-Spiel als Futter für die menschliche Schlange zur Verfügung zu stellen.

„Ich sehe was, was du nicht weißt“ ist eine gelungene Kritik an unserer Überwachungsgesellschaft, die uns vor Augen führt, wie wir selbst verantwortlich – aber auch abhängig vom System – kontinuierlich unsere Daten verbreiten.

Ramona Zwierlein

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