SPOTS-Kritik zu Jakob Roths Inszenierung „Warum bin ich eigentlich heimlich so verdammt stolz auf meinen Naziopa“ auf dem ARENA-Festival – von Moritz Holzkamp.
„Ich hasse meinen Vater, ich hasse meine Mutter. Ich hasse das Wetter, die Sonne. Ich hasse die freundliche Werbestimme beim Einkaufen. Ich hasse Kultur. Ich hasse Theater. Ich hasse Art. Ich hasse Arte. Ich hasse 3Sat. Ich hasse richtig, ich hasse falsch.“
Wortgewand und trotzdem fragmentartig quasselt Moritz Kienemann Sätze und Worte, Wortfetzen und Laute auf der Bühne in sich hinein. Mal brüllt er, mal wird er ganz still, oft bleibt das Wort einfach nur so stehen. Man merkt ihm seine Poetry-Slam-Vergangenheit an: Er spielt mit den Worten, dreht sie sich im Mund herum und entwickelt daraus schon einmal einen Rhythmus, bis dieser schließlich in einem erlösenden Furz-Laut mündet: „Boah, Alda warst du das?”
„Warum bin ich eigentlich heimlich so verdammt stolz auf meinen Naziopa“ ist ein Stück über unsere Generation, unsere Spaßgesellschaft, über unsere Ignoranz und unsere Lethargie. Es ist eine Hassrede, eine Aufforderung zu mehr Beteiligung. Und zwar zu gewalttätiger Beteiligung: Jeder solle eine Waffe haben und von dieser auch Gebrauch machen, fordert Kienemanns Figur. Vielleicht muss man mal so richtig auf die Schnauze fallen, oder mal so richtig auf die Schnauze geben? Alles gipfelt in dem Aufruf, Josef Ackermanns zu erschießen, und in der Bewunderung der Anschläge auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“: „Das hat wirklich etwas verändert.“ Klar, die Provokation mag als bewusstes Stilmittel gewählt worden sein. Doch man kommt nicht umhin, sich davon zu distanzieren: In was für Welt leben wir, wenn ein Anschlag auf die Meinungsfreiheit und Gewaltverherrlichung gut sein sollen? Wir also machen alle weiterhin nur die Merkel – also nichts –, und schauen zu, wie andere tausende Menschen ohne mit der Wimper zu zucken umbringen. Wir nutzen unsere Möglichkeiten nicht, treffen keine Entscheidungen, übernehmen keine Verantwortung. Messerscharf hält Moritz Kienemann dem Publikum eine Stunde lang den Spiegel vor.
Zwischendrin werden Zuschauer nach Beruf oder Beziehungsstatus befragt. Aus einer Studentin wird in einem Gedankenspiel die Ehefrau von Klaus. Wie wenig sie doch brauchten, wenn sie und Klaus sich wirklich liebten. Eine Zweizimmerwohnung und Spaghetti Bolognese vorm Fernseher reiche da doch aus. Oder? Etwa nicht? Wie wollen wir leben? Was macht uns aus?
Die Inszenierung von Jakob Roth schafft mit spartanischen Mitteln den großen Entwurf. Sinnbildlich dafür steht auch das Bühnenbild: Matratzen. Mal sind sie Projektionsfläche, mal sind sie Wohnfläche, mal sind sie Schauplatz japanischer Fingerkämpfe, aber eben auch immer Ausdruck unserer Generation: weich und bequem.
Moritz Holzkamp