Sie dreht sich und dreht sich und dreht sich. Zum 29. Mal gab es am Donnerstag, 16. April, die Ohmrolle zu sehen. Keine Frage: Sie ist sehr beliebt. Über 1000 Zuschauer sahen in drei Kinosälen des Cinecittà die studentischen Filmprojekte – eine Würdigung der Arbeit und der überragenden Filme der Studenten. Es ist das Ereignis des Bereichs Film und Animation an der Technischen Hochschule Nürnberg. Viele Besucher haben ihre schönsten Kleider angezogen, die Filme bekommen großen Applaus und die Filmemacher selbst bedanken sich. Der Abend ist eine Mischung aus Pflicht und Kür.
Pflicht sind die Dankesreden, die – mit leichten Abwandlungen – etwa so ablaufen: Man bedankt sich bei Schauspielern, Musikern, Location, Catering, Sponsoren, Dozenten. Dabei darf man bloß keinen vergessen, um niemanden zu beleidigen. Die Dankesreden sind oft länger als die Filme selbst, was schade ist, weil die Filme doch das Interessante sind. Klagen hilft aber auch nicht, weil die Ohmrolle eben so läuft: Der Pflicht- und der Kür-Teil wechseln sich ab, unterbrochen von den knappen, unterhaltsamen Überleitungen des Moderators Prof. Jürgen Schopper. Wer den Pflichtteil übersteht, wird mit experimentierfreudigen Filmen belohnt. Die Liste der gezeigten Arbeiten ist lang, deshalb werden hier nur einige der außergewöhnlichen Projekte vorgestellt. Wie ein roter Faden zieht sich der Titel des NZ-Artikels durch den Abend: „Wahre Helden verlassen die ausgetretenen Pfade“.
Wenn die Filmemacher ausgetretene Pfade verlassen, dann heißt das beispielsweise, alte Techniken neu zu verwenden – wie das Musikvideo Bitter Water, das Drittsemester für die Band Big Haunt gedreht haben. Für den Stop-Motion-Film lag ein Schauspieler während der Dreharbeiten auf dem Boden, umgeben von riesigen Requisiten aus Pappe, und durfte sich kaum bewegen. 24 Bilder müssen geknipst werden, um eine Sekunde Filmmaterial zu erhalten.
Elefant im Weltall
Aus den Kurzfilmen des vierten Semesters ist Operation Rising Tusk hervorzuheben – schon allein wegen der abgefahrenen Idee, einen animierten Elefanten in den Weltraum zu schicken. Die Nationen liegen im Wettstreit. Russland hat einen Hund ins All gesendet, die NASA den Elefanten und China einen Pandabären. Das Kräftemessen der Tiere ist so unterhaltsam anzusehen wie es klingt.
Zwei Bachelorarbeiten werden zum Abschluss des Abends ebenfalls gezeigt. Zum einen der Zeichentrickfilm Do a Barrel Roll von Anne Weberndörfer, Zeina Azouqah, Veronika Burganova und Alina Filenberg. Er greift das aktuelle Thema „Generation Y“ auf: Ein junger Mann mit komplett durchgeplantem Leben tut es einer Katze gleich und macht überhaupt nichts mehr. Zum anderen ist der Animationsfilm Devoid zu sehen. Sicherheitshalber stellt Jürgen Schopper klar: „Alles ist aus dem Computer, auch die Hintergründe.“ Gut, dass er das sagt, denn die Großstadt ist so real dargestellt, dass sie ebenso gut gefilmt sein könnte. Zwei Roboter treffen in dieser großartig animierten Science-Fiction-Welt aufeinander und bekämpfen sich. Dahinter steckt jede Menge Arbeit. Die Regisseure Sebastian Plank und Alexander Tang sind „froh und erleichtert, dass es jetzt endlich vorbei ist.“ Gemeint ist nicht die Ohmrolle. Einen wahren Kern enthält die doppeldeutige Bemerkung, denn nun ist die letzte Dankesrede überstanden.
Im Gedächtnis bleibt aber nicht die Pflicht des Abends, sondern die Kür. Und gerade weil nicht alle Filme erwähnt und die erwähnten nicht ausführlich beschrieben wurden, muss ganz klar gesagt werden: Sowohl auf technischer als auch auf kreativer Ebene sind die gezeigten Projekte auf einem sehr hohen Niveau – auch die witzigen Werbeclips der Erstsemester und die ausgefallenen Title Designs der Zweitsemester. Da ist es nicht überraschend, dass es die beiden Abschlussprojekte Lure und wHole aus dem vergangenen Semester bis nach Cannes geschafft haben. Um solche Filme zu sehen, kann man die Dankesreden in Kauf nehmen. Ohne Pflicht keine Kür.
Patricia Achter