Krieg. Macht. Medien.

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v.l.: Andreas Schenk, Johannes Grotzky, Julia Obertreis.

Wie Rotkäppchen gegen den bösen Wolf, so steht die gute Ukraine dem schlechten Russland gegenüber. Das ist überspitzt formuliert, aber so ähnlich wird der Ukraine-Konflikt in den deutschen Medien dargestellt. Warum? Und wie berichten ukrainische und russische Medien selbst? Solche Fragen haben Andreas Schenk und Prof. Dr. Johannes Grotzky am 12. Januar beantwortet – im gut gefüllten Experimentiertheater der Universität Erlangen. Ihre Antworten fallen nicht sehr positiv aus.

„Der Ukrainekonflikt und die Massenmedien – russisch-ukrainischer Informationskrieg und westliche Positionen“ heißt die Veranstaltung. Einleitend ruft die Moderatorin Prof. Dr. Julia Obertreis den Ukraine-Konflikt mit einigen Fakten in Erinnerung. „Krieg führt immer zu einseitiger Berichterstattung“, fügt sie hinzu. Über das ukrainische Fernsehen sei keine Kritik mehr möglich.

Mit der Medienlandschaft in der Ukraine kennt sich Journalist Andreas Schenk aus: Fünf wichtige Mediaholdings gebe es in dem Land, geleitet von sechs Oligarchen. Der größte Medienkonzern StarLightMedia wird von Viktor Pinchuk geführt. Er soll gute Beziehungen zum heutigen ukrainischen Premierminister Arsenij Jazenjuk haben. An zweiter Stelle: Die UMH Group von Boris Lozhkin. Er kontrolliert 40 Prozent der ukrainischen Online-Medien und ist Führer der Printpresse. Platz drei belegt die Inter Media Group, deren zwei Besitzer dem ehemaligen Präsidenten Janukowitsch sehr nahe standen. Dem zweitreichsten Ukrainer Igor Kolomojskj gehört 1+1 Media. Und Rinat Achmetow – mit einem Vermögen von 22,3 Mrd. US-Dollar der reichste Mann der Ukraine – besitzt den Medienkonzern Media Group Ukraine. „Die Mediengruppen sind an bestimmte Personen gebunden“, führt Schenk aus. „Sie sind nur Geschäftsmänner, die ihre Interessen auf politischer Ebene sichern wollen.“ Eine klare politische Position beziehen sie nicht.

Zu den wenigen unabhängigen Kanälen in der Ukraine zählen hromadske.tv und espreso.tv – beides Online-Sender, die im November 2013 gegründet wurden. Sie gehören keinen Oligarchen, sondern sind ein Zusammenschluss von verschiedenen Journalisten. „Meiner Einschätzung nach ist das ein positives Zeichen in Richtung Öffnung der ukrainischen Medienlandschaft“, findet Schenk. Während die großen etablierten Medien gerne ungefiltert Informationen übernähmen, betrieben die unabhängigen Medien investigativen Journalismus. „Die unabhängigen Medien könnten ein gesundes Gegengewicht sein.“ Könnten – wenn sie die Ressourcen dazu hätten.

 

Die Ukraine ist keine blühende Demokratie

Über eine andere Perspektive spricht Johannes Grotzky: In seinem Vortrag geht es um die Berichterstattung über die Ukraine. Gleich zu Beginn stellt er klar, dass Russland für ihn nicht die schreckliche Diktatur sei. „Und die Ukraine ist für mich keine blühende Demokratie.“ Warum deutsche Medien diese Schwarz-Weiß-Einteilung vorgenommen haben? Grotzky erklärt sich das vor allem damit, dass es kein deutsches Korrespondentenbüro in der Ukraine gab. Die Korrespondenten in Russland mussten also diese Aufgabe übernehmen und von außen berichten. Genaue Kenntnisse über die Lage in der Ukraine gab es nicht. Aus dem Kampf der Ukrainer gegen den Präsidenten Janukowitsch wurde ein Kampf gegen Russland.

„Man wollte ein klares Feindbild“, so Grotzky. Russland als Diktatur war jetzt der Feind, die Ukraine als Demokratie der Freund. Die Berichterstattung in Deutschland tendierte von nun an deutlich in eine Richtung. Als Beispiel zeigt Grotzky den Bericht in der FAZ mit der kämpferischen Überschrift: Putins Schlachtplan. Oder auch ein Interview in der Welt mit dem Titel: „Würden Sie Krieg mit Russland führen, Frau Merkel?“ „Das ist für die russische Seite schwer zu verstehen“, meint Grotzky. Andere Positionen in den deutschen Medien seien in der Minderheit. Auch innerhalb mancher Medien wurde kritisiert, dass die Berichterstattung zu undifferenziert und einseitig sei. Als Beispiel nennt Grotzky die ARD: „Es gab vom Programmbeirat eine große Kritik an der ARD.“ Sie habe etwa unzureichend über die politischen und strategischen Absichten der NATO in der Ukraine-Krise berichtet.

Wenn man sich in diesem Konflikt nicht auf die deutschen Medien verlassen will, wie kann man sich dann informieren – ohne russisch oder ukrainisch zu verstehen? Grotzky zählt einige Websites auf, die auf Englisch aus verschiedenen Perspektiven informieren: censor.net, www.kyivpost.com, Ukraine Today oder auch Russia Today. Besonders letzteres ist sehr propagandistisch. „Natürlich muss man immer kritisch sein, aber manches kann auch wahr sein. Also immer prüfen“, rät Grotzky. Auf diese Weise könne man sich die Geschichte um die Ukraine-Krise viel differenzierter zu Gemüte führen.

Alles in allem scheint es extrem schwierig zu sein, in diesem Konflikt den wahren Kern zu finden. Viele Ukrainer, mit denen Grotzky geredet hat, glauben weder den Politikern noch den Medien. Sie glauben ihren Freunden auf Facebook. Doch auch das ist keine sichere Quelle. In sozialen Netzwerken gibt es genügend Auftragsarbeiter, die gezielt Meinungen lenken. Ein positives Schlusswort fällt Julia Obertreis zum Abschluss des Abends nicht ein.

Patricia Achter

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