Und die Welt liegt ihnen zu Füßen

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Die Hauptdarstellerin des Kurzfilms „Fairyland“ ist kurz davor, ihren Zahn zu ziehen. Ohmrolle fall collection 2014.

Kinosaal 1 im Cinecitta ist voll. Die Kinos 2 und 3 ebenfalls. Solche Menschenmassen dürfte man hier sonst nur erleben, wenn heißersehnte Blockbuster anlaufen. Die Filme, die am 13. November 2014 zu sehen sind, stehen vielen Blockbustern qualitativ in nichts nach. Und sie haben alle etwas gemeinsam: Frische, kreative Ideen, die ohne Quotendruck entstanden sind. Experimente der Extraklasse, die beweisen, was filmisch alles möglich ist. Was möglich ist, auch wenn die jungen Filmemacher sich selbst um die Finanzierung kümmern müssen.


Die Rede ist von der 28. Ohmrolle, bei der Studierende der Technischen Hochschule Nürnberg ihre Filmprojekte aus vergangenen Semestern zeigen. Moderiert wird der Abend von Prof. (Dr. Dr.) Jürgen Schopper, der eigentlich überhaupt keinen Doktortitel hat, bei der Ohmrolle aber gleich zwei Titel in Dankesreden verliehen bekommt.

Zu Beginn des Abends werden einige Werbespots von Studenten gezeigt, beispielsweise für ein Tanzstudio: Auf einer feinen Gartengesellschaft mit festlichem Rahmen tragen die Männer alle Anzüge. Alle, bis auf einen. Der junge Mann mit den langen Haaren taucht tatsächlich in Lederjacke auf. Er schnappt sich eine ältere Dame und tanzt mit ihr vor aller Augen Tango. Der Werbeslogan dazu: „Tanzstudio Schlegl – und die Welt liegt dir zu Füßen.“

Bei den anschließend präsentierten Title Design-Projekten sollten Studenten den Filmbeginn von Filmen designen, die es (noch) gar nicht gibt. Besonders gelungen ist das Title Design zu Fenria. Die Animation zeigt Bilder in Scherenschnitt-Optik, unterlegt von selbstgemachter Musik des Studententeams. Dadurch wird eine märchenhafte Atmosphäre erzeugt, passend zu der Geschichte von dem Jungen, der in einen Wolf verwandelt wird.

Die Drittsemester haben sich Musikvideos gewidmet. Auf sehr unterschiedliche, einfallsreiche Weise haben sie die Musik in bewegte Bilder übersetzt. Ob eine Theaterbühne im Wald (Hundreds – Stones), ein rückwärts abgespielter Film (JuSoul – Depression) oder eine Choreographie in Schwarz-Weiß (William’s Orbit – Searching) – die Kameras fangen in allen drei Fällen sinnliche Bilder ein.

 

Zahnfee in der Klapse

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„JuSoul – Depression“ – Ohmrolle fall collection 2014

Im vierten Semester haben die Studenten Kurzfilme gedreht. Große Begeisterung ruft der Short Fairyland beim Publikum aus, was wohl vor allem dem Drehbuch und der schauspielerischen Leistung der Hauptdarstellerin zu verdanken ist. Das kleine Mädchen stellt in ihrem rosa Zimmer eine Zahnfee-Falle auf. Mit einem frisch gezogenen, blutigen Zahn lockt sie die Zahnfee an: Einen kleinwüchsigen Mann mit Plastikzauberstab und billigen Flügeln. Die Mutter ist noch viel geschockter von der Erscheinung als das Mädchen. Er landet im Irrenhaus. Am Ende sieht man noch, wie der Osterhase und der Weihnachtsmann den Vorfall in den Nachrichten sehen – beide heruntergekommen und drogenabhängig.

Viel Zeit, Liebe und Arbeit haben Studenten des sechsten Semesters in ihre Bachelorarbeiten investiert. So viel, dass ihr einziger sozialer Kontakt an machen Tagen der Nachtwächter war. Der Aufwand hat sich aber gelohnt. Jeder entstandene Film ist einzigartig. Sehr unterhaltsam ist die „Dokumentation“ Il segreto della pasta. Mit landestypischem Akzent verrät ein Italiener, wie Nudeln entstehen. Animierte Nudeln kriechen wie Raupen einen Ast entlang, aus Puppen schlüpfen Farfalle. Ach ja, und Amore kennen die Nudeln selbstverständlich auch. Wo sollte sonst der Nachwuchs herkommen, der laut Protagonisten „mit Passion gefangen, mit Liebe gekocht“ wird?

 

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„wHole“ – Ohmrolle fall collection 2014

Stop Motion, Science Fiction und Action

Schwarzhumorig ist der Stop Motion Film Lure, der mit zweieinhalb Jahren eine etwas längere Produktionszeit hatte. Eine allerliebste Oma, ein kleines Hündchen und ein frecher Junge wurden aus Silikon gebaut, Kulissen in mühevoller Detailarbeit angefertigt. Zur Handlung sei nur so viel verraten: Die Oma ist nicht so allerliebst, wie sie auf den ersten Blick wirkt.

Mit Stop Motion wurde auch wHole gefilmt. Das Bachelorteam hat die Chance genutzt, mit Holzpuppen zu arbeiten, die keine Schmerzen empfinden können. So ist es für den Mann möglich, seiner blinden Frau eines von seinen Augen zu geben. Der Film hätte ein Happy End, wenn die Frau mit einem Auge zufrieden wäre. „Er zeigt das Thema Liebe, ohne pathetisch zu sein“, so Schopper.

Liebe – das zentrale Motiv des Kurzfilms 11 Years, über den das re>flex-Magazin schon berichtete. Mit der futuristischen Idee konnte das Team viele Menschen dazu bewegen, sich am Crowdfunding zu beteiligen, und dadurch das spannende Projekt finanzieren.

Diese Teams haben ihren Bachelor geschafft – und nun? Auf nach Hollywood und die Welt liegt ihnen zu Füßen? Ja, wenn es so einfach wäre.

Patricia Achter

 

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