Ab und an blitzt zwischen Vergangenheitsbewältigung und Schweiger-oder-Schweighöfer Komödie ein Genre-Film im Deutschen Kino auf. Einer, der ehrlich nur unterhalten, nicht betroffen machen will, und sich dafür auch nicht schämt. So bewirbt auch der aus Erlangen stammende Regisseur Baran Bo Odar seinen neuen Streifen „Who Am I“: Leichtes Popcorn-Kino, nach seinem schwermütigen Drama „Das Letzte Schweigen“. Ein temporeicher Cyber-Crime Thriller mit tollen Bildern und erstklassiger Besetzung. Und dazu die Frage: Wie amerikanisch müssen deutsche Filme sein?
CLAY ist Markenname des anarchischen Berliner Hacker-Kollektivs Clowns Laughing At You, die mit ihren spaßigen Aktionen eine wachsende Fangemeinde um sich schart. Die Clowns — das sind Draufgänger Stephan (Wotan Wilke Möhring), der paranoide Paul (Antoine Monot Jr.) und der stille Protagonist Benjamin (Tom Schilling), die sich um den rotzfrechen Tyler Durden-Verschnitt Max (Elyas M’Barek) scharen. Max aber will mehr. Trotz allem Hype sei CLAY in der Welt der echten Hacker nur eine kleine Nummer: Hacker-Idol MRX höchstselbst spielt den Clowns ein Memo des Bundesnachrichtendienstes in die Hände, in dem CLAY der vernichtende Status „harmlos“ beigemessen wird. Die Hackerwelt spottet. Werden wir ja sehen, trotzen Max und Benjamin, und wollen MRX und dem Rest der Szene durch einen aufsehenerregenden Einbruch beim BND beweisen, dass sie mehr drauf haben als Vandalismus und infantile Scherze. Anstelle der erhofften Anerkennung hagelt es Kugeln: Durch CLAYs fahrlässigen Hack gelangen brisante Daten in die falschen Hände, die russische Cyber-Mafia beginnt, Hacker zu ermorden. Längst sind die Clowns zwischen die Fronten von Europol und Unterwelt geraten…
Schön anzusehen ist das alles, modernes deutsches Kino auf internationalem Niveau, mit einem lebendigen Cast, herausragender Kameraarbeit, belebt im Wesentlichen von der adrenalinreichen Übertaktung seiner Inszenierung. Plausibel? Nicht immer. Muss auch nicht, ist Hollywood ja auch nicht. Ein Thriller muss „funktionieren“ — „Who Am I“ funktioniert.
Bei aller Achtung für die Handwerklichkeit der Produktion, die jeden Cent ihrer Produktionskosten eindrücklich auf die Leinwand wirft, mag der Film bei Cineasten dennoch ein flaues Gefühl hinterlassen. Denn sonderlich neu ist das nicht, was man da so ansehnlich serviert bekommt. Ärgerlicher: es ist oft sogar arg geklaut. Nicht nur die visuelle und narrative Handschrift des Regisseurs sticht einem als überbordende Hommage an Thriller-Meister David Fincher ins Auge: Tom Schilling wirkt da zuweilen in die Rolle eines deutschen Edward Norton hineingedrängt und hineingeschminkt, überhaupt Figur Ben Engel wie ein unehelicher Sohn von Finchers Mark Zuckerberg und Lisbeth Salander. An der wendungsreichen Story dürften ebenfalls diejenigen die meiste Freude haben, die „Fight Club“ und Bryan Singers Meisterwerk „Usual Suspects“ nicht gesehen haben, denn auch diese Drehbücher werden derart unverblümt „zitiert“, dass andere dafür ihren Doktortitel verloren hätten.
Die milde Schelte, die symptomatisch für die ganze Produktion gilt, kassiert stellvertretend der handwerklich großartige Soundtrack: Die Musik aus der Feder von Michael Kamm wirkt in wichtigen Momenten so sehr auf eine minuziöse Nachempfindung des Oscar-prämierten Duos Reznor und Ross („The Social Network“, „The Girl With The Dragon Tattoo“) bedacht, dass kaum mehr eine kreative Eigenleistung erkennbar bleibt. In Anbetracht eines guten Films — schade.
Andreas Pohr
Kinostart: 25. September 2014
Weitere Infos auf: www.whoami-film.de