Er mag Tolstoi, Sonnenaufgänge und das Meer. Besonders Sonnenaufgänge am Meer. Menschen, die ihm Geld schenken. Sportwagen. Kaffee. Lachen. „Ich liebe Navy CIS und die Schrecklich nette Familie. Ein gut erzogener Mensch darf alles sehen und alles lesen, man kann ihn nicht verderben.“ Das schreibt Thomas Glavinic zumindest in einer Fußnote seines aktuellen Buches Meine Schreibmaschine und ich. Auf ehrliche, humorvolle Weise erzählt er von sich und seiner Arbeit als Autor, von Selbstzweifeln und mörderischen, ja beinahe psychopathischen Gedanken, und von großen Einfällen. Apropos: Wie kommen Sie eigentlich auf die Ideen für Ihre Romane, Herr Glavinic?
„Die Idee zum Leben der Wünsche traf mich in einem Wiener Café, als ich darüber nachdachte, wie oft ich mir schon vorgestellt hatte, meine Partnerin würde plötzlich sterben und ich wäre frei, ganz ohne die zermürbenden Begleiterscheinungen einer offenen Trennung: Ich wäre Opfer, nicht Täter, ich wäre jemand, der bedauert wird, und kein egoistischer Schurke.“
Und schon war da der Gedanke: Was wäre, wenn einer Figur alle, wirklich alle Wünsche erfüllt werden würden, auch die unbewussten? Mit einem solchen Einfall fängt für Glavinic das Schreiben an. Oder mit einem Traum. Bevor er Der Kameramörder schrieb, träumte er von einem Mann, der zwei Kinder zwang, vor laufender Kamera von einem Baum zu springen. Im Traum war er selbst der Täter. Die Trennlinie zwischen Autoren und Psychopathen scheint hauchdünn zu sein. Jedenfalls sind Glavinics Psychologielehrer zufolge Menschen, die andere im Traum umbringen, Psychopathen. Ist dieser Autor also ein Fall für den Psychiater? Oder eher für den Deutschen Buchpreis? (Wobei man ihn darauf besser nicht ansprechen sollte, denn er schreibt keine Literatur, um damit etwas zu erreichen, sondern um der Literatur willen. Wenn er damit auch noch Geld verdienen kann – umso besser.)
Liebeserklärung an die Literatur
Meine Schreibmaschine und ich verrät viel über die Persönlichkeit des Autors und seine Gedanken. Er geht offen damit um, welche Probleme er beim Schreiben hat, was er von Drogen und Lesungen hält, worum es ihm bei seinen Büchern eigentlich geht. Das mag klingen, als würde er Ballast und Sorgen bei seinen Lesern abladen, anstatt mit einem Therapeuten zu reden. So ganz stimmt das aber nicht. Was er schreibt, ist flüssig zu lesen. Man erfährt vieles, was man von anderen Autoren nicht erfährt. Ein Buch ist eben nicht an einem Tag geschrieben. Den Weg von der ersten Idee bis zum fertigen Roman beschreibt Glavinic kurzweilig, ehrlich, verständlich und versehen mit Randkommentaren (die zu lesen im Gegensatz zu den meisten Fußnoten in anderen Büchern keine Zeitverschwendung ist).
Dünn ist das Buch, eher ein Heft. Man muss seine anderen Bücher nicht kennen, um dieses zu verstehen. Zu hohe Erwartungen sollte man allerdings nicht haben. Letztlich geht es darum, was er mag, was er denkt und was andere denken – wie schon die Kapitelüberschriften verraten. In gewisser Weise ist es eine kurze, humoristische Autobiographie. Für diejenigen, die seinen Humor mögen, ist es eine unterhaltsame Lektüre, bisweilen auch etwas tiefgründiger (immerhin geht es um das Innenleben des Autors).
So unterschiedlich seine Romane sind: Dieses Buch fällt doch aus der Reihe. Es ist eben kein Roman. Es ist ein Buch über Romane, eine Liebeserklärung an Literatur und Schreiben, eine Bilanz seines bisherigen Lebens. Nicht mehr und nicht weniger.
Patricia Achter
Thomas GlavinicMeine Schreibmaschine und ich
120 Seiten
ISBN : 978-3-446-24487-0
€ 14,90 (D)