Oder bleibt nichts?

Poetenkoffer mit Erich Fried, eigene GrafikEs ist unverdaulich, sagt der Verstand / Es ist schlecht platziert, sagt die Empfindung / Es ist zu spärlich, sagt die Schwärmerei / Es ist, was es ist, sagt Brigitte Dörings „Poetenkoffer“ — und verabschiedet sich in die Sommerpause.

Im Gepäck also diesmal die bekanntesten Aphorismen, Fügungen und Gedichte von Erich Fried, und — eher mitreisend als mitreißend — die Mitlesenden Udo Martin, Martha Unterhofer und Kalle Zuber. Eine kurze Biografie zum Geleit, schon hagelt es das Fried Best-Of: Die Nervensäge, der Wintergarten, Fügungen. Thematisch sortiert und kompakt geschlichtet, alles dabei und nichts stört. Und trotzdem fehlt etwas. Für Fürther Publikum hätte es zum Beispiel noch Platz gehabt. Für Atempausen und ein paar Zwischenworte ebenso. Vielleicht ist es auch Fried selbst, der literarische Arbeiter, der diesen Poetenkoffer so schwer macht? Direkt und wahr wie er ist, schnörkellos und reduziert. Jedes Gedicht wie ein Backstein; es geht nicht um viel, nur um das Wesentliche: Alles, was nicht Frieden ist, nämlich, und um die Liebe. Gehaltvoll, scharfkantig, schwer verdaulich, aber leicht zu schlichten. Und am Ende kaum zu schleppen.

Es ist Unsinn sagt die Vernunft
Es ist was es ist sagt die Liebe

Die Frage bleibt, kann man Fried besser vorlesen? Könnte Fried selbst Fried besser vorlesen? Nach 30 Minuten ist alles gesagt. Lesende und Publikum sind schnell verschwunden, man bleibt gespannt, „was bleibt?“. Am wenigsten unglücklich über das schnelle Ende dieses Zwischenspiels wirkt die kleine Indie-Bühne: Die legt sich noch ein paar Stunden schlafen und erwacht im schummrigen Abendlicht wieder — in dem sie sich, so lässt es sich vermuten, hundert Mal wohler fühlt.

Andreas Pohr

Brigitte Dörings „Poetenkoffer“ las in diesem Jahr bereits Annette von Droste-Hülshoff, Gertrud Kolmar und Hermann Hesse. Weitere Ausgaben finden ab Herbst 2014 statt, Veranstaltungsinformationen unter www.kofferfabrik.cc

Zum Nachlesen: Erich Frieds Verlagsseite im Internet, www.erich-fried.de

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