Die 70-minütige Performance „NICHTS“ von Stang und Strodthoff präsentiert Herman Melvilles Erzählung „Bartleby, der Schreiber“. Performer Thomas Stang stemmt den Abend im Alleingang. Einzigen Beistand leistet eine Stimme aus dem Off, die die Geschichte vom fleißigen, aber unglücklichen Schreiber Bartleby erzählt: Bartleby heuert in einer Anwaltskanzlei als Schreiber an. Nach anfänglichem Fleiß lehnt er bald alle Tätigkeiten einfach ab: „Ich möchte lieber nicht.“ Zu alldem zieht er auch noch in der Kanzlei ein. Der Anwalt bringt es nicht übers Herz, Bartleby herauszuschmeißen, und zieht schließlich irgendwann selbst aus. Bartleby bleibt, er wird vom Nachmieter ins Gefängnis geworfen, und verendet dort.
„Nichts – was – tun – wir – wenn – wir – nichts – tun?“, schreibt der Performer auf einzelne Papierbögen. Beruhigende Loungemusik lädt zum Nachsinnieren über diese„sinnesschweren“ Worte ein. Nichtstun – was ist das eigentlich? Fernsehen, schlafen, sich in Tagträumereien verlieren oder einfach das tun, was man will? Fällt uns die Definition von Nichtstun so schwer, weil wir noch nie nicht nichts gemacht haben? Werden wir ein Leben lang mit neuen Aufgaben konfrontiert und somit vom Nichtstun abgehalten, oder halten wir uns bewusst beschäftigt?
Auf zwei senkrecht zusammengestellten Tischen werden menschliche Schattenfiguren projiziert. Sie huschen hin und her, überschneiden sich, nehmen nachdenkliche Posen ein. Handelt es sich hierbei um die Nachstellung der vom Hörspiel erläuterten Szenerie? Zur gleichen Zeit hebt Bartleby abwechselnd seine Arme als würde er die Bewegungen der Schattenfiguren dirigieren.
Plötzlich verschwinden die gespenstischen Figuren. Warten. Der Raum von betretenem Schweigen erfüllt. Bartleby richtet sein Mikrofon auf das Publikum und starrt uns mit auffordernder Miene an. Was sollen wir tun? Nichts? Das liegt doch wohl am nächsten.
Plötzlich überschüttet er seine Zuschauer lautstark und mit wutverzerrtem Gesicht mit einem Wortschwall aus „stehen können, denken müssen, schweigen dürfen…“ „I have nothing to say“, schreit er zuletzt in eine Tröte. Dann setzt wohlklingende Klaviermusik ein. Das Hörspiel fährt fort. Bartleby zieht vor, nichts zu tun: Abermals kehrt er uns den Rücken zu, steht am Fenster, Gedanken versunken, ruhig, reglos und gefasst. Er tut nichts. I have nothing more to say.
Erschienen in SPOTS, der Festivalzeitung von Arena… der jungen Künste.
Gina Hürner