Falls man sich im All dieselbe Frage stellt wie in diesem Festivalmotto, muss man mit etwas Glück nur lange genug warten, um eine Antwort zu erhalten. Die kommt dann mit einem Satelliten aus den siebziger Jahren, der diejenigen Informationen enthält, die uns Menschen und unseren Planeten Erde charakterisieren sollen.
„Voyager“ heißt dieser Satellit und das ist auch der Name des Stückes der Gruppe K.A.U., das ironisch-dokumentarisch den Blick in die Ferne richtet, um dem interstellaren Botschafter nachzuspüren. Die auf den „Voyager Golden Records“ enthaltenen Informationen wurden vom Astrophysiker und Schriftsteller Carl Sagan zusammen mit neun weiteren Wissenschaftlern ausgewählt. Mit den Inhalten der Datenplatte kommt das Publikum zum ersten Mal beim Einlass in Berührung, als jedem Zuschauer ein Foto in die Hand gedrückt wird, das, wie sich später herausstellt, mitgesendet wurde.
Diese ganz alltäglichen Motive werden schließlich auch im Stück kritisch beleuchtet: Menschen in unterschiedlichsten Posen, eine Brücke, über die ein Auto fährt, das Sonnensystem. Die Darstellerin Thea Reifler spricht durch ein Megaphon Befehle, die von Philipp Bergmann und Matthias Schönijahn ausgeführt werden. Es werden bestimmte Motive nachgestellt, die dadurch, dass sie körperlich nachgestellt werden, ad absurdum geführt werden: So werden die beiden Akteure im Schlussbild menschliche Rakete und menschliche Palme, deren Hände im Rückstoß flattern.
Eine kleine Geschichte der Erde darf natürlich auch nicht fehlen. Drei Sandhaufen vor einer großen Berglandschaft-Leinwand werden im Spotlight sukzessive von Flora und Fauna, Menschen und Kulturgütern bevölkert. Bis sich der letzte Überlebende des damaligen Forscherkollektivs, Frank Drake, apathisch in den Welt-Sandhaufen schleppt.
„Machs noch einmal, Frank, wähl doch noch einmal aus!“, fordern ihn die anderen auf und überreichen ihm dabei eine Flasche Sekt. Frank ist ein einsamer Mann, alle seine Weggefährten sind inzwischen gestorben, und so nützt ihm auch das ewige Andenken an die Menschheit nichts. Darum saugt er auch den Sekt in einer Mischung aus Gier und Gewalt gegen sich selbst, als wäre es seine Erschießung, sein Ende, wo es kein Halten mehr gibt.
Mit diesem starken Bild darf das Stück in seiner Unterspanntheit aber wohl nicht enden, und so spricht eine Stimme zu aufmunternden Perkussionsklängen: „Die Voyager fliegt weiter, noch mindestens 500 Millionen Jahre.“
Trotz dieses versöhnlichen Schlusses, der vielleicht gar nicht nötig gewesen wäre, aber als Gegenposition zur vorletzten Szene auch nicht unwillkommen, überzeugt K.A.U. mit starken Bildern, von denen jedes für sich über lange Zeit tragfähig ist.Letztlich, das ist vielleicht eines der Deutungsangebote des Stückes, ist der Umstand, dass eine Menschheit auf dem Planeten Erde existiert, genauso erstaunlich wie der grundlegende Wille, diesem Umstand ein Ewigkeitsdenkmal zu setzen.
Timo Sestu